Ernstes und Heiteres aus der Residenzstadt Schwerin

Diesem Buch kann man sich verschieden nähern – man kann es von vorn bis hinten lesen und so jede Menge Heiteres und Ernstes aus der Geschichte Schwerins erfahren. Man kann aber auch die beiden langen Verzeichnisse am Ende aufschlagen und sich für den einen oder anderen Zugang entscheiden. So finden wir im „Verzeichnis der Straßen und Orte“ auch den Eintrag „Franzosenweg: Promenade am Schweriner See bis nach Zippendorf“ und dazu in einem Text über „Franzosen in Schwerin als Gefangene“ folgende Erläuterungen: Gegenüber den Kriegsgefangenen verhalten sich die Mecklenburger, anders als in späteren Kriegen,... alles anzeigen expand_more

Diesem Buch kann man sich verschieden nähern – man kann es von vorn bis hinten lesen und so jede Menge Heiteres und Ernstes aus der Geschichte Schwerins erfahren. Man kann aber auch die beiden langen Verzeichnisse am Ende aufschlagen und sich für den einen oder anderen Zugang entscheiden.

So finden wir im „Verzeichnis der Straßen und Orte“ auch den Eintrag „Franzosenweg: Promenade am Schweriner See bis nach Zippendorf“ und dazu in einem Text über „Franzosen in Schwerin als Gefangene“ folgende Erläuterungen:

Gegenüber den Kriegsgefangenen verhalten sich die Mecklenburger, anders als in späteren Kriegen, überwiegend tolerant. Das Fremde zieht an oder stößt ab. In Ludwigslust wird ihnen allerhand angedichtet. So sollen sie die Schwäne im Kanal am Lazarett vergiftet haben, ebenso den Hund des Herzogs Johann Albrecht. In Schwerin erwecken die Fremden den Neid der männlichen Bevölkerung. Den Damen wird zu große Zutraulichkeit gegenüber den Franzosen vorgeworfen. Um die Gefangenen zu beschäftigen, werden sie beim Bau des später Franzosenweg genannten Weges zwischen Schwerin und Zippendorf eingesetzt. Auf dem Markt verkaufen sie selbstgefertigte Gebrauchsgegenstände, geflochtene Matten, Körbe und Ähnliches. Die biederen Schweriner Hausfrauen erliegen dem Charme der Franzosen und zahlen die geforderten exorbitanten Preise. Am 30. März werden die französischen Kriegsgefangenen in ihre Heimat entlassen. Einige aber bleiben für immer hier, sie sind Krankheiten erlegen und finden ihre letzte Ruhestätte auf dem Katholischen Friedhof in der Wismarschen Straße. Einer von ihnen war jüdischen Glaubens und wird auf dem Friedhof in der Werdervorstadt beerdigt.



Im „Personenverzeichnis“ stoßen wir auch auf den Namen Wagner, Richard: deutscher Komponist, 1813-1883. Wagner in Schwerin?

Ja, wie der Text „Hohe Kunst und Volksaufführungen“ zeigt:

Sich im Wettbewerb mit den Metropolen der Welt zu behaupten, fällt schwer. Schwerin allerdings hat sich wacker gehalten in diesem ungleichen Konkurrenzkampf. Bedeutende Persönlichkeiten der Musikgeschichte haben ihre Spuren hinterlassen. Wagner und Brahms waren hier, die schwedische Nachtigall, Jenny Lind, trat auf, und Felix Mendelsohn Bartholdy, einer der bedeutendsten Musiker der Romantik, kam, um das zweite Norddeutsche Musikfest 1840 in der Stadt zu leiten. Aus der Tradition der Norddeutschen Musikfeste gingen die Mecklenburgischen Musikfeste hervor. Von 1860 bis 1922 kam es zu 15 Veranstaltungen in Rostock, Güstrow und Schwerin.



Ein Großherzogtum entsteht

Auf der Siegerseite

Franzosen in Schwerin als Gefangene

Ein Feldherr, der keiner ist

Gespaltenes Verhältnis der Schweriner zur deutschen Kolonialpolitik

Markttreiben

Der große Postraub und andere Verbrechen

Gründe zum Feiern finden sich immer

Vereine und Stiftungen

Die wehrhaften Schweriner

Hohe Kunst und Volksaufführungen

Über Zirkusse, Schwerathleten und Schnellläufer

Mechanische Theater, Zauberer und ausgebüxte Raubkatzen

Pleiten, Pech und Pannen

Glück im Unglück, oder auch nicht

Wasser hat keine Balken

Pfingsten einmal anders

Verregneter Sommer und schlechtes Bier

Auf zwei Rädern

Um die Wette mit dem Auto, auf dem Pferderücken und per Pedes

Wettkampf auf dem Wasser

Beschwerlicher Start der Elektrischen

Soziales Engagement

Über das Feuerlöschwesen der Stadt

Die dunklen Jahre



Auch Schwerin hat seinen Postraub, nicht so spektakulär, aber immerhin hatte die Beute eine Kaufkraft von beinahe 1 Millionen Euro.

Tatort ist der 1846-1849 entstandene Vorgängerbau des Hauptpostamtes in der Mecklenburgstraße. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 1880 machen die Beamten des Kaiserlichen Postamtes eine beunruhigende Entdeckung. In einem der Dienstzimmer, in denen Geld und Wertsachen aufbewahrt werden, ist ein Schrank aufgebrochen worden. Ein Fach mit Geldbriefen ist leergeräumt, ein weiteres unversehrt. Auch das im Schrank lagernde Gold blieb unberührt. Sofort wird eine Großfahndung eingeleitet. Bei den Beamten, die Nachtschicht hatten, werden Hausdurchsuchungen durchgeführt, zwei Unterbeamte werden inhaftiert und bei den aus Schwerin um 8 und 9 Uhr abgehenden Zügen wird bei sämtlichen Reisenden das Gepäck durchsucht. Staatsanwalt und Kriminalpolizei nehmen die Ermittlungen auf.

Aus Berlin wird Kriminalkommissar Hoest zur Unterstützung herbeigerufen, eine Kapazität in seinem Fach. Hoest, 46 Jahre alt, stammt aus Westpreußen und hat schon eine Reihe von Dienststellungen bei verschiedenen Staatsanwaltschaften durchlaufen. 1876 übernimmt er die vierte Abteilung des Kriminalkommissariats in Berlin. 1879 gelingt ihm die spektakuläre Festnahme des Mörders Hellriegel in Büßstedt bei Erfurt, der daraufhin zum Tode verurteilt wird. Schnell wird allen klar, der Täter muss sich ausgekannt haben.

Schon bald fällt der Verdacht auf den früheren Postschaffner Schuldt. Derselbe ist 35 Jahre alt, hat sich während seiner Dienstzeit im Dragonerregiment 18 in Parchim musterhaft geführt, in den Feldzügen gegen Österreich und Frankreich gekämpft und in Frankreich das Eiserne Kreuz erworben. Nach beendeter Dienstzeit trat Schuldt als Postschaffner in Rostock ein und wurde 1879 an das Schweriner Postamt versetzt. Wegen Unterschlagung ist er hier zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Diese Strafe soll Schuldt am Tag nach dem Postraub antreten.

Seit seiner Entlassung aus dem Postdienst arbeitet er auf der Baustelle des Museumsneubaus. Schon am Nachmittag des 29. Juni soll er sich vor dem Postgebäude herumgetrieben haben. Am nächsten Morgen wird er von der Arbeit weg verhaftet, leugnet aber hartnäckig die Tat. Kommissar Hoest lässt dessen Frau observieren und mithilfe des Postinspektors Pichon werden erste Befragungen durchgeführt. Auch die Verwandten der Schuldts werden verhört. Am Sonnabend, dem 10. Juli, begeben sich Kommissar und Postinspektor zu der Frau des Angeklagten. Nach zweistündiger Vernehmung gesteht sie, am 30. Juni morgens etwa 100 000 Mark erhalten und diese in eine Schürze gewickelt im Schlossgarten vergraben zu haben. Das Geld wird nach kurzer Suche unter einer wenig erhöhten Rasenstelle in der Nähe der Schlossbleiche gefunden. Nur einige Hundert Mark fehlen. Aus Rücksicht auf die Kinder bleibt die Geständige vorerst auf freiem Fuß.

Wenige Tage später gesteht auch Schuldt, den Raub begangen zu haben. In seine Zelle zurückgebracht, werden ihm für die Nacht zwei Wärter beigegeben. Man befürchtet eine Verzweiflungstat.

Unter Vorsitz des Landgerichtsrats von Monroy kommt es am 7. August 1880 in Schwerin zur Verhandlung. Schuldt gesteht ausführlich den Tathergang. Von seiner Arbeitsstelle am Museum begibt er sich gegen 10 Uhr abends nach dem Kreuzgang am Dom. Hier das Postgebäude überblickend, wartet er den Abgang der Gadebuscher Post ab, schleicht sich in die Passagierstube und lässt sich einschließen. Nachdem in der Nacht gegen 1 Uhr 30 die letzten Beamten das Gebäude verlassen haben, schafft es Schuldt, durch ein aufgehebeltes Fenster in den Korridor zu gelangen. Mit den Örtlichkeiten vertraut, findet er mühelos den Raum, in dem Geld und Wertgegenstände aufbewahrt werden. Der Büroschlüssel hängt neben der Tür. Die hölzernen Schränke im Raum sind auch kein Hindernis. Mit dem Messer lassen sie sich leicht aufbrechen. Er nimmt Geld und Wertbriefe und flieht durch ein zur Kaiser- Wilhelm-Straße hinausführendes Fenster. Weiter durch die Schloßstraße gelangt Schuldt in den Schlossgarten. Hier sichtet er seine Beute. Das Geld steckt er unter seine Mütze, mit den Wertpapieren macht er sich auf zum Ostorfer See, zerreißt sie und wirft sie ins Schilf. Danach begibt sich Schuldt auf den Nachhauseweg.

Zu Hause in der Waisenstraße 7 angekommen, entnimmt er dem Geldbündel 120 Mark zur Bestreitung der Miete während seiner anzutretenden Haft, er war ja wegen Unterschlagung verurteilt worden, und wirft diese seiner Frau auf das Bett mit den Worten „Jetzt habe ich meine Rache gestillt“. Bald darauf geht er wieder an seine Arbeit am Museum, wo er morgens gegen 9 Uhr verhaftet wird. Frau Schuldt bringt ihrem Mann noch den Morgenkaffee auf die Arbeit, um anschließend den größten Teil des Geldes in der Wilden Allee im Schlossgarten zu vergraben. Als die Beute später aufgefunden wird, fehlen von den geraubten 95 000 Mark 1 300 Mark. Auch von den Wertpapieren, die meisten davon zerrissen in den Ostorfer See geworfen, lassen sich solche im Wert von 850 Mark nicht wieder auffinden.



Jahrgang 1966, zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Schwerin in verschiedenen Publikationen, wohnt in Schwerin.

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