Skalpell und Sextant
Gedichte
„Skalpell und Sextant“ - Der Titel dieser 1977 erschienen Gedichte-Sammlung zeigt, dass Dietmar Beetz (Jg. ´39) sich bereits als Student und ärztlicher Anfänger zu seinem Werdegang bekannt hat. Was später in Romanen und anderer Prosa von ihm allenfalls beiläufig Niederschlag fand, hier ist es - gereimt oder in freien Rhythmen - anschaulich gemacht.
Die Themen: jugendliche Erotik, schiffsärztliche Tätigkeit, ein Landgang in Bombay, der ärztliche Einsatz in einem afrikanischen Kriegsgebiet und nicht zuletzt Einblicke in Realitäten der Vor-Wende-„Ex“.
DIE TRAUER DREIER NACHMITTAGE
BABYLON 1962
SELBST IM GEFLECHT DER GLIEDER
BRIEF AN MARGIT K.
KOMMERZIELLES AN DIE DAME G.
NACH SOMMERLANGER TRENNUNG
BLICK VON DER SPIRALE
HOHE ZEIT
MORGEN-SIEGEL
ES SCHLUCHZT DEIN SCHRITT
EINMINUTENTRAUM
AN DAS UNGEBORENE
RENNSTEIG BEI NEUSTADT
HINTER ILMENAU
ALT-ERFURT
JANUAR
GEHEN IM MÄRZ
KIRSCHBAUM ENDE MAI
BLUMENBEET
NEUE BRÜCKE
DA ICH ABSTIEG VON DEN BERGEN
FERIEN IM DORF
NACH DURCHSTUDIERTER NACHT
IM SOZIALHYGIENISCHEN KOLLEG
AUSKUNFT AN DAS WOHNUNGSAMT ZU ERFURT
VOR DEM EXAMEN
1963 NACHT NACH DEM FROST
DILEMMA
DISKUSSION
HAUSBESUCHE III
DOZENT DR. K.
VERSICHERUNGSAGENT
SPIEGEL-VISITE
MICH LOCKT KEIN GRAUES SCHLÄFENHAAR
FREILIGRATH
ANMERKUNG ZU EINEM BENN-GEDICHT*
ICH LOB DAS BROT
SITUATION 68
ENDZWANZIG
SELBSTPORTRÄT VON GESTERN
PROGRAMM oder VOM URSPRUNG MEINER VERSE
ERZÄHLER
VÖGEL VOR DEM HAUPTBAHNHOF
LEUCHTTURM VON FAIR ISLE
WEIHNACHT AUF SEE
EXKURSION IN ST. JOHN’S (Neufundland)
HAMLET IM SUND
GEWITTER ÜBER HAMBURG
LONDONER MARGINALIEN
FATA MORGANA IN PORT SUDAN
IM ROTEN MEER
VOR ANKUNFT oder BOMBAY VON REEDE AUS
BOMBAY-REPORT oder ORIENTIERUNGSSCHWIERIGKEITEN IN INDIEN
BETTLER AM HOOGHLY (Calcutta)
LEGENDE FÜR KÜNFTIGE DÄMMERUNG
UNTERM TIMBUKTU
BOKÉ 1973
NOTFALLBESTECK
REGENZEIT
PERSÖNLICHER BEDARF
DA ICH ABSTIEG VON DEN BERGEN
Da ich abstieg von den Bergen,
tauchte in den Dunst der Stadt,
trug ich Lerchensang im Bündel,
Windgedanken und ein Blatt,
frisch gepflückt vom Ast der Esche.
Da ich eintrat in die Häuser,
wo der Tod vertrieben wird,
fror ich in der weißen Würde,
glaubte mich, halb Kind, verirrt
und um einen Traum betrogen.
Da ich eindrang in Gefilde,
die dem Vater noch verwehrt,
traf ich auch die Weggefährten,
die mich Kompaßlesen lehrten,
und die Perspektive sehn.
FERIEN IM DORF
Blick, der meinen Boxkalfglanz
scheel mit Pferdemist beschmiert.
Trauerweidenweg am Bach,
der sich selbst schon parodiert.
Griff, freiwillig unter Zwang,
linkisch nach dem Forkenstiel. -
Mantel über dem Gemüt,
der schon undurchschwitzt mißfiel.
Blick, der mir die Schulter klopft,
Staub von meinem Tanzschuh streift.
Heimweg wie am Asphalttag,
der die blaue Luft begreift.
NACH DURCHSTUDIERTER NACHT
Hinter blinden Scheiben
friert die Sonne blau.
Winterdürre Zweige
treiben weißen Tau.
Habe tausend Sonnen
in der Nacht geschaut,
und nun brennt des Tages
Auge mir die Haut.
Hat mich so gedürstet
nach dem Sonnenlicht.
Halte nun die Schale;
trinken kann ich nicht.
IM SOZIALHYGIENISCHEN KOLLEG
Traum, gerettet durch Exile,
Traum, genickschuß-resistent,
auch fürs Honorar serviert uns,
lehrplanmäßig, elegant.
Dennoch knurren unsre Mägen,
eintopf-abgefertigt, zu
Worten, vitamin-notwendig,
Worten, hefeteig-aktiv.
Und wie schlucken Eintopf, Worte
und gedeihen fürs Examen.
Später, wohlbestallt, verordnen
wir die ausgegornen Träume.
AUSKUNFT AN DAS WOHNUNGSAMT ZU ERFURT
Ich wohne hinter flügelweitem Fenster,
doziere Medizin vor grünem Klee.
Zur Nacht beschleicht durch windgekämmte Eschen
das Fernweh mein Gemüt per UKW.
Im März erzählt ein Gärtner meiner Nase
vom Nährstoff all des Tulpendufts im Mai.
Gar manches Versefiligran lädierten
Frau Wirtin und die Bahn der Linie 2.
Ich kenne die Varizen meiner Straße;
ich hab bei meinem Wirt ein Karzinom
ertappt und eingeliefert, und ich grase
nach Liedern ab das Viertel um den Dom.
Und fragt man mich, weshalb ich das berichte:
Weil ich auf jedes andre Heim verzichte.
VOR DEM EXAMEN
Die Zimmerdecke bleicht das Blut;
sie drückt die Großhirnrinde ein.
Ich bin begraben unter zehn-
mal tausend Seiten Medizin.
Wann strich ein Lerchenflügel wohl
die Wolkensträhne vom Azur?
Da waren Sommernächte doch
mit Wiesenwind in deinem Haar.
Ich gehe um, ein grauer Wolf;
ich reiße meine Zuversicht,
verblute, wenn nicht bald dein Mund
mich in Rezepten denken macht.
Geb. 1939 in Neustadt am Rennsteig. Oberschulbesuch in IImenau; Medizinstudium in Leipzig und Erfurt. 1965/66 Schiffsarzt; Ausbildung zum Hautarzt und Spezialisierung für Betriebsmedizin;
1973 als Arzt in Guinea-Bissau. Wohnt in Erfurt und arbeitet bis zur Stunde in seinem Beruf.
Wissenschaftliche Publikationen und seit 1971 an die 60 Buchtitel in hoher Gesamtauflage.
Einige Preise literarischer Art. Einspänner seit dem Austritt aus diversen Vereinen.
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- Artikel-Nr.: SW9783956559266458270
- Artikelnummer SW9783956559266458270
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Autor
Dietmar Beetz
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 113
- Veröffentlichung 15.08.2018
- ISBN 9783956559266
- Wasserzeichen ja