Kaisersteg

Kaisersteg
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Was wäre, wenn Hitler 1907 an der Wiener Kunstakademie angenommen worden und Heydrich Segellehrer geworden wäre? Kein Drittes Reich, keine Wannseekonferenz und kein Holocaust? Wenn der Fahrer des Erzherzogpaares 1914 in Sarajewo anders abgebogen, wenn Lenin 1917 die Zugfahrt durch Deutschland nach Petrograd, dem heutigen St. Petersburg, verwehrt worden wäre? Kein Erster Weltkrieg, keine Materialschlachten im Westen, im Osten keine Sowjetrepublik und kein Eiserner Vorhang zwischen Ost und West? Die Argumentation lässt sich weiterspinnen: Gab es im thüringischen Ohrdruf gegen Ende des Krieges geheime Atomwaffentests und was wäre aus Europa, der Welt und... alles anzeigen expand_more

Was wäre, wenn Hitler 1907 an der Wiener Kunstakademie angenommen worden und Heydrich Segellehrer geworden wäre? Kein Drittes Reich, keine Wannseekonferenz und kein Holocaust? Wenn der Fahrer des Erzherzogpaares 1914 in Sarajewo anders abgebogen, wenn Lenin 1917 die Zugfahrt durch Deutschland nach Petrograd, dem heutigen St. Petersburg, verwehrt worden wäre? Kein Erster Weltkrieg, keine Materialschlachten im Westen, im Osten keine Sowjetrepublik und kein Eiserner Vorhang zwischen Ost und West?

Die Argumentation lässt sich weiterspinnen: Gab es im thüringischen Ohrdruf gegen Ende des Krieges geheime Atomwaffentests und was wäre aus Europa, der Welt und ihren Menschen, die zu dem Zeitpunkt schon genug gelitten hatten, geworden, wenn Hitler und die Nazis in den Besitz der Atombombe gelangt wären? Hätten ein gelungenes Attentat auf den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer die deutsch-jüdischen Beziehungen, eine nicht stattgefundene Enttarnung des Kanzleramtspions Günter Guillaume die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte verändert? Die Geschichte lebt von Zufällen, und Zufälle schreiben Geschichte. Die Geschichten in diesem Buch bringen sie ans Licht, ebenso vergessene und teilweise unangenehme Wahrheiten, ansonsten nur Randglossen traditioneller Geschichtsschreibung.

Kaisersteg ist eine deutsche Wanderung zwischen Literatur und Geschichte: ein etwas anderes Geschichtsbuch des letzten Jahrhunderts. Es entfaltet eine kleine fiktive Alternativgeschichte zu zehn historischen Ereignissen aus acht Jahr-zehnten. Der Leser, für dessen Geschmack sich historische und dichterische Wahrheit zu sehr vermengen, mag dort, wo es um die Geschichte hinter den Geschichten geht, nachlesen, was zu dem Thema auch in einem offiziellen Geschichtsbuch stehen könnte.



Was wäre, wenn Adolf Hitler nicht der Führer, sondern Kunstmaler geworden wäre? Wenn Reinhard Heydrich bei seinem Aufstieg zum Architekten des Holocaust ein unbedeutender Grabstein im Weg gestanden hätte? Kein Drittes Reich, kein Zweiter Weltkrieg und keine Endlösung? Wenn der Fahrer des Erzherzogpaares 1914 in Sarajevo anders abgebogen und Lenin 1917 die Zugfahrt durch Deutschland nach Petrograd verwehrt worden wäre? Kein Erster Weltkrieg, keine Materialschlachten im Westen, keine Sowjetrepublik und kein Eiserner Vorhang zwischen Ost und West?



Den Gedanken kann man fortspinnen. War Nazi-Deutschland näher an der Atombombe, als man es gemeinhin annahm? Hätte ein gelungenes Attentat auf Bundeskanzler Konrad Adenauer die deutsch-jüdischen Beziehungen torpediert? Hätte eine am 9. November 1989 anders verlaufene Pressekonferenz den Mauerfall und die Wiedervereinigung Deutschlands verhindert? Die Geschichte lebt von Zufällen, und Zufälle schreiben Geschichte. Die Erzählungen in dieser Kurzgeschichtensammlung zeigen unsere Geschichte im Licht ihrer nicht realisierten Möglichkeiten. Sie richten den Scheinwerfer ebenso auf die gern vergessenen und schmerzlichen Wahrheiten, ansonsten zumeist nur Randglossen traditioneller Geschichtsschreibung.



Der vorliegende Erzählband Kaisersteg bewegt sich auf dem schmalen Pfad zwischen Dichtung und Wahrheit. Folglich hat er etwas von einem alternativen Geschichtsbüchlein, das die passierte Geschichte haarscharf links liegen lässt. Mit Geschichten, neu und anders erzählt, die sich in der Zeit von 1890 bis 1989 zutrugen.



Die Leserin oder der Leser, für deren bzw. dessen Geschmack sich historische und dichterische Wahrheit zu sehr vermengen, mag dort, wo es um die Geschichte hinter den Geschichten geht, nachlesen, was zu dem Thema auch in einem offiziellen Geschichtsbuch stehen könnte.



Die Erzählungen dieser kleinen selektiven Auswahl zur deutschen Alternativgeschichte erschienen in anderer Form erstmals 2011 im Girgis Verlag, Bingen. Diese überarbeitete und erweiterte Neuauflage wurde um eine Erzählung ergänzt, die die Sammlung abrundet.







Der König von Bengalé



Die frühherbstlichen Strahlen der Nordseesonne lagen matt auf ihrem ebenmäßigen Gesicht. Sie umklammerte den Handlauf so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie hatte die Füße schräg nach hinten gestellt, um dem Wetter besser zu trotzen. Das elfenbeinfarbene Kleid, das ihren Körper einhüllte und dessen Säume heftig flatterten, spannte sanft am Bauch. Der Mann in dunkelblauer Offiziersuniform neben ihr an der Reling bemerkte es. Einen Moment später blickte er wieder voraus in Richtung der Insel, die sich unter dem Stampfen der Maschine und Platschen der Schaufeln näherte.

Der Fahrtwind peitschte das aufgewühlte Wasser der gischtigen See auf, griff in seinen Bart und blies ihm Tabakdunst ins Gesicht, während er seine Schirmmütze am Kopf festhielt. Schemenhaft sah er durch den Nebel den rötlich schimmernden Felsenturm der Langen Anna. Er lächelte kurz in einem Anflug von Nostalgie, wobei er einen kräftigen Zug an seiner Pfeife tat.

„Die Insel, wir sind bald da“, sagte er, mit dem Zeigefinger nach vorn deutend, zu dem Mann neben sich, der Lui hieß. Er war dunkelhäutig wie die Frau und nach vielen gemeinsamen Jahren mehr Freund als Diener der beiden. Lui wischte sich einige Tropfen von der Stirn, wofür er ein ebenso großes wie buntes Tuch benutzte. Danach verstaute er es wieder rasch in einer Tasche seiner bauschigen Hose, weil der Wind kräftig daran zog. Die Frau griff nach der Hand des Uniformierten und drückte sie. Er lächelte sie an.

„Hab keine Angst, Liebes“, sagte er auf Suaheli.

Wieder spritzte vom Bug Gischt die Reling hoch. Diesmal erwischten einige Tropfen seine Mütze. Er nahm sie ab, wischte mit zwei Fingern über den Schirm und in alter Gewohnheit auch über das schwarze Mützenband und die Kokarde.



Er war des Kaisers Offizier gewesen und dafür zuständig, die deutsche Landnahme in Ostafrika erfolgreich abzusichern. Mit drei Mann als Eskorte hatte man ihn dem ebenso schmächtigen wie ehrgeizigen Carl Peters für dessen Expeditionen zugeteilt. Sie mussten Peters und seinen Mitstreitern Grogs bereiten, mit denen sie den Häuptlingen zusetzten, bevor sie ihnen süßen Kaffee brühten, damit die deutsche Landnahme ihrem erfolgversprechenden Höhepunkt zusteuern konnte. Es war egal, ob die Häuptlinge islamisiert waren oder ob sie Hoheit, Sultan oder Chifu hießen. Nach vergnügter Stimmung, Schulterklopfen und Schmeicheleien kam es dann nicht selten zu den angestrebten Vertragsabschlüssen. Zwar setzten die Häuptlinge, weil sie weder des Schreibens noch des Lesens mächtig waren, unter die Verträge meist nur ein Kreuz statt einer Unterschrift, aber auch das reichte Peters, um nach Berlin Vollzug zu melden. Dann wurde im Lager die Fahne gehisst und der Vertrag auf Deutsch verlesen. Zum Abschluss der Zeremonie feuerten die Kadetten noch drei Salven ab - nach einem Hoch auf Seine Majestät den Deutschen Kaiser. So lief es zumeist.

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