Und wen der Teufel nicht peinigt ...

Die Jugend des Dichters Georg Weerth

Nehmt eine Wegstrecke, die ihr mit gutem Schuhwerk zwischen Frühstück und Mittagessen durchwandern könnt, also etwa fünf deutsche Landmeilen, einmal in der Länge und einmal in der Breite, setzt eine verschlafene Kleinstadt hinein mit knapp fünftausend evangelisch getauften Seelen, mit einem richtigen Schloss, einer Post, mehreren Kirchen, zwei Schulen und einer Handvoll prächtig herausgeputzter Soldaten - dann habt ihr das Fürstentum Lippe-Detmold, mein Vaterland. Mit diesen Worten beginnt die Erzählung über Kindheit und Jugend des Dichters Georg Weerth, von Walter Baumert so berichtet, als hätte sie der Dichter selbst... alles anzeigen expand_more

Nehmt eine Wegstrecke, die ihr mit gutem Schuhwerk zwischen Frühstück und Mittagessen durchwandern könnt, also etwa fünf deutsche Landmeilen, einmal in der Länge und einmal in der Breite, setzt eine verschlafene Kleinstadt hinein mit knapp fünftausend evangelisch getauften Seelen, mit einem richtigen Schloss, einer Post, mehreren Kirchen, zwei Schulen und einer Handvoll prächtig herausgeputzter Soldaten - dann habt ihr das Fürstentum Lippe-Detmold, mein Vaterland. Mit diesen Worten beginnt die Erzählung über Kindheit und Jugend des Dichters Georg Weerth, von Walter Baumert so berichtet, als hätte sie der Dichter selbst geschrieben: ironisch, spritzig und engagiert. So ist ein Buch entstanden, das Weerths Dichtung wie auch ein Stückchen Vormärz-Zeit neu entdeckt.



INHALT:

Erinnerungen

Wie meine Berufung für das Amt eines Geistlichen frühzeitig entdeckt und gefördert wurde

Ich sehe den Dichter Grabbe und verliere meinen Lehrer

Ich entdecke das „Buch der Lieder“ von Heinrich Heine und lese die ersten Gedichte von Ferdinand Freiligrath

Schreckliche Erlebnisse in meiner Vaterstadt und Flucht in die Fremde

Ich bin ein fröhlicher Kaufmannslehrling in Elberfeld, werde von einer bezaubernden Dame geküsst und erhalte eine schlimme Nachricht aus Detmold

Verzweiflung, Einsamkeit, Beethoven und ein neuer Freund

Wie ich im Literaturzirkel Freiligraths aufgenommen werde und schreckliche Qualen vor einem Bündel Büttenpapier erleide

Ich lasse mich in der großen Freudenstadt Köln nieder und werde zum Dichterkönig aller Narren gekürt

Die mütterliche Wachsamkeit greift in mein lustiges Leben ein, und ich erringe wider Willen die Gunst meines reichen Onkels zu Bonn

Mein Onkel Friedrich und die große Politik. „Maikäfer“ - Romantik und wissenschaftliche Bildung

Ich erhalte eine Einladung von Friedrich Engels und werde Zeuge von Triumph und Verdammnis des Freiheitsdichters Georg Herweghs

Ein Winter voll Zweifel und Leid und ein Frühling voll Liebe und Glück

Auf welche Art ich mir die Zuneigung meines Onkels verscherzte und einer gesicherten bürgerlichen Existenz in der Philisterstadt Bonn entrann

Die Wunderstadt London und ein grauenhaftes Erlebnis bei meinem Abschiedsbesuch in Lippe-Detmold

Ich verliebe mich in ein Porträt, lande in Bradford, der schrecklichsten Stadt Englands, und gerate in die Fangnetze eines lüsternen Backfisches



Erinnerungen

Wie meine Berufung für das Amt eines Geistlichen frühzeitig entdeckt und gefördert wurde

Ich sehe den Dichter Grabbe und verliere meinen Lehrer

Ich entdecke das „Buch der Lieder“ von Heinrich Heine und lese die ersten Gedichte von Ferdinand Freiligrath

Schreckliche Erlebnisse in meiner Vaterstadt und Flucht in die Fremde

Ich bin ein fröhlicher Kaufmannslehrling in Elberfeld, werde von einer bezaubernden Dame geküsst und erhalte eine schlimme Nachricht aus Detmold

Verzweiflung, Einsamkeit, Beethoven und ein neuer Freund

Wie ich im Literaturzirkel Freiligraths aufgenommen werde und schreckliche Qualen vor einem Bündel Büttenpapier erleide

Ich lasse mich in der großen Freudenstadt Köln nieder und werde zum Dichterkönig aller Narren gekürt

Die mütterliche Wachsamkeit greift in mein lustiges Leben ein, und ich erringe wider Willen die Gunst meines reichen Onkels zu Bonn

Mein Onkel Friedrich und die große Politik. „Maikäfer“ - Romantik und wissenschaftliche Bildung

Ich erhalte eine Einladung von Friedrich Engels und werde Zeuge von Triumph und Verdammnis des Freiheitsdichters Georg Herweghs

Ein Winter voll Zweifel und Leid und ein Frühling voll Liebe und Glück

Auf welche Art ich mir die Zuneigung meines Onkels verscherzte und einer gesicherten bürgerlichen Existenz in der Philisterstadt Bonn entrann

Die Wunderstadt London und ein grauenhaftes Erlebnis bei meinem Abschiedsbesuch in Lippe-Detmold

Ich verliebe mich in ein Porträt, lande in Bradford, der schrecklichsten Stadt Englands, und gerate in die Fangnetze eines lüsternen Backfisches

Ein treuer Freund rettet mich vor dem Spleen und öffnet mir den Blick in eine unbekannte Welt

Trauriger Abschied von meiner Freiheit, Besuch bei Mary und Friedrich und ein Abenteuer in Stalybridge

Wie ich der Rache einer Verschmähten entkam und ein neuer Dichter wurde

Abenteuer mit Friedrich und Mary im nordenglischen Kohlenrevier

Eine Situation auf Messers Schneide und eine bedeutende Nachricht aus Deutschland

Chronologische Übersicht der Jahre 1818-1844 und Zeugnisse über Weerths weiteres Leben

Friedrich Engels über Georg Weerth



Aber, o weh, die Eintrittspreise waren märchenhaft hoch, und meine paar Heller reichten nicht einmal für ein Stehplätzchen in der Galerie. Ich versuchte alles, um mir das Geld zusammenzuborgen. Doch es war Ferienzeit. Meine reichen Verwandten, die Preills, waren verreist, und im Kontor saß neben mir nur noch der alte Buchhalter, der es mit seinen acht Kindern schwer genug hatte, sich durchs Leben zu schlagen. Aber um nichts in der Welt konnte ich dieses Konzert versäumen!

Ich zog meine besten Kleider an, ging am Abend zum Unionssaal, wo sich die glücklichen Kartenbesitzer in den Saal drängten. Ich wagte den Versuch, mich an dem Kontrolleur vorbeizuschmuggeln. Ungeübt wie ich war in derlei betrügerischen Manövern, wurde ich ertappt. In meiner abgrundtiefen Verlegenheit suchte ich eifrig in allen meinen Taschen nach der Karte, die ich nicht besaß, und wäre weiß Gott vielleicht dem nächsten Gendarmen überliefert worden, hätte sich nicht ein unerwarteter rettender Engel gefunden.

Da stand er plötzlich zwischen mir und dem Kontrolleur, ein hochgewachsener blonder Gymnasiast mit der Primanermütze auf dem Kopf, vielleicht nur ein Jahr älter als ich, aber schon eine richtige weltmännische Erscheinung. Er klopfte dem Zerberus jovial auf die Schulter: „Na, Väterchen!“

Der Kontrolleur verbeugte sich tief: „Guten Abend, mein Herr.“

Der Jüngling überreichte ihm zwei Karten: „Meine und seine da.“

Der Kontrolleur stutzte.

Der Gymnasiast: „Es ist doch wohl alles in Ordnung, oder?“

Der Kontrolleur, devot: „Sehr wohl, mein Herr.“

Und ich war zugelassen zum Konzert.

Ich saß neben meinem Retter, selig, und ließ mich forttragen von der Musik in eine andere, von allen Niederungen befreite Welt.

Zuweilen, erwachend aus meinen Träumen, blickte ich verstohlen auf meinen Nachbarn, der ebenso ergriffen schien wie ich. Einmal begegneten sich unsere Augen, und der Gymnasiast lächelte mir zu.

Zum Abschluss spielte das Orchester die dritte Sinfonie, deren Töne noch in mir nachklangen, als ich schon längst auf der Straße war. Ich hatte an der Seite meines Nachbarn den Konzertsaal verlassen. Nun gingen wir schweigend nebeneinanderher die Allee hinunter. Als ich mich verabschieden wollte, um in Richtung meiner Behausung zu marschieren, hielt der Gymnasiast mich zurück: „Nein! Nicht nach Hause jetzt!“ Er wies auf die Anhöhe im Norden: „Bleiben wir noch ein Stündchen zusammen.“

Ich stimmte freudig zu, und er stürmte voran, aus der Stadt hinaus, einen Wanderweg den Berg hinauf, durch einen lichten Kiefernwald bis auf das Felsplateau. Jetzt erst blieb er stehen, atmete tief, blickte über das Tal, wo die vielen Lichter in den Häusern und Straßen brannten, und zu den Sternen am Himmel auf. Endlich begann er zu sprechen: „Ich habe noch nie eine Beethovensinfonie mit vollem Orchester gehört. Nun weiß ich, wenn es Gott überhaupt für nötig hält, zu den Menschen zu sprechen, dann nicht durch das Salbadergewäsch der Pfaffen, sondern durch diese Musik.“

Eine Weile lauschte er schweigend in die Nacht, als hörte er noch das Orchester. Dann wandte er sich an mich: „Mein Vater will, dass ich in seine Fußtapfen trete. Ein Leben zwischen Schacher, Gebeten und plüschverbrämter Familienidylle - wie widerwärtig, ekelerregend, tötend angesichts der Kraft solcher Musik.“

Plötzlich drehte er sich wieder dem Tal zu, dem Sternenhimmel und fuhr in feierlichem Ernst fort zu reden: „Ich habe deine Stimme gehört, Ludwig van Beethoven! Für die Freiheit und Würde der Menschheit zu kämpfen, solange Leben in uns ist - das ist deine Botschaft!“

Ein Schauer überlief meinen Rücken. Was er aussprach, das waren meine eigenen Gedanken. Ich wollte ihm zustimmen, zujubeln, um den Hals fallen. Doch bevor ich meiner Bewegung Herr geworden war, fuhr er fort: „Schande, ewige Schande über den, der einmal diese Botschaft in sich vernommen und danach feige zurückkehrt in die erbärmliche Welt der Philister.“

Er schwieg wieder. Schien sich erst nach einer Weile wieder auf mich zu besinnen, blickte mir ins Gesicht, fragend, Zustimmung oder Erwiderung erheischend - eben endlich eine Äußerung, ein Wort aus meinem Munde. Aber was sollte ich schon sagen? Alles war gesagt. Was hätte ich noch hinzufügen können?

Ich hörte in mir das Eroika-Motiv. Mein Herz war so übervoll von Bildern, von Gefühlen, vom Erlebnis ... Plötzlich begann ich zu sprechen. Der Teufel muss mich geritten haben.

Erst nach und nach bemerkte ich, es waren Verse. Ja, ich redete in Versen. Ich weiß nicht mehr, was für Worte ich gebrauchte. Ich habe überhaupt nicht nachgedacht darüber. Es war, als wäre irgendwo in meinem Innern eine Quelle aufgesprungen, die einfach ohne mein Zutun zu sprudeln begann. Ein Rausch, ja, es war ein Rausch. Er endete, wie er begann, jäh und unerwartet. Dicht über unseren Köpfen der Ruf einer Eule, und es war zu Ende.

„Schöne Verse“, sagte mein Begleiter. „Von wem stammen sie?“

Ich zuckte die Schultern: „Ich weiß nicht. Sie fielen mir eben so ein.“



Walter Baumert, Jahrgang 1929, Krieg und Gefangenschaft, Bauarbeiter, später Kulturfunktionär, studierte von 1952 bis 1958 Philosophie und wurde dann Mitarbeiter beim DDR-Fernsehen.

1959 begann er mit "Die grüne Mappe" als Fernsehautor, es folgten 20 erfolgreiche Fernsehspiele und Spielfilme, in denen er Grundkonflikte zwischen moralischem Anspruch und praktiziertem Opportunismus in der DDR aufgriff und einer dramatischen, stark emotional geprägten Gestaltung zuführte. Er verfasste Hörspiele und schrieb das Libretto für ein Musical.

1975 erschien sein Georg-Werth-Buch "UND WEN DER TEUFEL PEINIGT" (bis 1987 fünf Auflagen).

Für das Fernsehen der DDR schrieb er das Drehbuch für den historischen Fernsehfilm DAS ERMITTLUNGSVERFAHREN. In dem Film wird der Kampf des Untersuchungsgefangenen Ernst Thälmann gegen die Nazijustiz in dramatisch verdichteter Form wiedergegeben. Der Film, im eigenen Land kaum beachtet, wurde zu einem internationalen Erfolg (Hauptpreis der Intervision auf dem Fernsehfestival in Plowdiw 1981). Die Erstauflage des gleichnamigen Romans wurde 1985 vom Weltkreis-Verlag Dortmund besorgt.

Mit dem großen Entwicklungsroman über den revolutionär-demokratischen Aufbruch des jungen Friedrich Engels SCHAU AUF DIE ERDE (1981), der parallel in der Bundesrepublik unter dem Titel DER FLUG DES FALKEN erschien und zweifellos den bisherigen Höhepunkt seiner literarischen Laufbahn darstellt, schaffte der Autor den internationalen Durchbruch als Romancier (Gesamtauflage aller Auflagen und fremdsprachigen Adaptionen 250 000). Während der Roman in der Sowjetunion als Beitrag zur Perestroika enthusiastisch aufgenommen wurde, zogen die DDR-Presse-Medien es auf höheren Wink hin vor, diesen deutlich antiautoritären Schlüsselroman "aus jugendpolitischen Gründen" mit Stillschweigen zu übergehen.

Literatur- und Kunstpreise

Literaturpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1959

Erich- Weinert-Medaille, Kunstpreis der Freien Deutschen Jugend 1960

Literaturpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1961

Kinder- und Jugendbuchpreis des Ministers für Kultur der DDR

Hauptpreis der INTERVISION, Internationales Festival der Fernsehdramatik Plowdiw 1981. Im Kollektiv

Kunstpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1982. Im Kollektiv

Kunstpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1983.

Kunstpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1987. Im Kollektiv

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