Heimat, deine Sterne

Leben und Sterben des Erich Knauf

Wer kennt noch Erich Knauf? Es mögen nicht mehr viele Leute sein. Diese Unkenntnis über einen in den 1920 und 1930er Jahren bekannten Journalisten und Autor, Lied- und Werbetexter hat auch mit dessen tragischem Ende zu tun. Wurde er doch nach einer Denunziation wegen defätistischer Äußerungen verhaftet, zum Tode verurteilt und am 2. Mai 1944 hingerichtet. Knauf war am 21. Februar 1895 im sächsischen Meerane geboren worden. Es ist gut, dass der gleichfalls dort geborene Schriftsteller Wolfang Eckert eine lesenswerte Biografie seines von den Nazis ermordeten Kollegen geschrieben hat: Als ich vor fünfundzwanzig Jahren im Kreuzworträtsel eines... alles anzeigen expand_more

Wer kennt noch Erich Knauf? Es mögen nicht mehr viele Leute sein. Diese Unkenntnis über einen in den 1920 und 1930er Jahren bekannten Journalisten und Autor, Lied- und Werbetexter hat auch mit dessen tragischem Ende zu tun. Wurde er doch nach einer Denunziation wegen defätistischer Äußerungen verhaftet, zum Tode verurteilt und am 2. Mai 1944 hingerichtet.

Knauf war am 21. Februar 1895 im sächsischen Meerane geboren worden. Es ist gut, dass der gleichfalls dort geborene Schriftsteller Wolfang Eckert eine lesenswerte Biografie seines von den Nazis ermordeten Kollegen geschrieben hat:

Als ich vor fünfundzwanzig Jahren im Kreuzworträtsel eines hiesigen Lokalblattes unter 4 waagerecht MEERANER SCHRIFTSTELLER las, setzte ich geschmeichelt meinen Namen ein. Aber er passte nicht. So sehr ich mich auch bemühte, berühmt zu werden, es war ein Buchstabe zu viel. Tage später stand in der Auflösung: KNAUF. Das Rätsel war gelöst, jedoch der Name blieb mir ein Rätsel. Ich ging auf die Suche und entdeckte schließlich einen Artikel Erich Kästners vom Januar 1946, „Eine unbezahlte Rechnung“. Was ich dort über Erich Knauf erfuhr, ließ mich nicht mehr los. Ich wandte mich an Kästner, und er gab mir die Anschrift von Knaufs Witwe, Erna Knauf, die in Berlin Tempelhof lebt. Was ich noch nicht besaß – Unveröffentlichtes, Fotos, Dokumente, Briefe, die gesamte Ausgabe der Zeitschrift „Die Büchergilde“ von 1928 bis 1932 – bekam ich von Erna Knauf geschenkt. Am 4. November 1987 übertrug sie mir alle Urheberrechte über die veröffentlichten und unveröffentlichten Werke sowie alle Nachlassmaterialien ihres Mannes.

Der Titel der Biografie bezieht sich auf ein Lied von Werner Bochmann, für das Knauf den Text geschrieben hatte. Es entstand für den Film „Quax der Bruchpilot“ mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle:

Die Chance für diese Melodie kam in einer bestimmten Szene. Der Flugschüler Quax schlägt mit seiner Maschine in der Luft und zum Schrecken der am Boden Zurückgebliebenen ungewollte Kapriolen. Es war eine, Heinz Rühmann auf den Leib geschriebene Rolle: der kleine Mann in komischen Situationen wider Willen, die ihm aber gar nicht komisch vorkommen.

Unten, in einem Forsthaus sitzend, beraten die zivilen Flugschüler verzweifelt, wie sie Otto Groschenbügel, genannt Quax, heil aus den Lüften herunterbringen. Einer hat die Idee, sie sollten erst einmal ein Lied singen. Das beruhigt und führt eventuell zu einer Lösung. So entstand das Lied „Heimat, deine Sterne“ mit dem Text von Erich Knauf.



In der Morgenkühle sang die Amsel …

Des Meeraner Schneidermeisters Sohn

„Ca ira“

Bürgerschreck in Ledergamaschen

Der Sturz des guten Buches

Blutgeruch der Carmen

Das Feuer des Vesuvs steht in der Ferne

Die Bilderwelt seines Lebens

Heimat, deine Sterne

Ging ein Hauptmann vorbei …

„Oh, ihr schlechtes Gewissen!“

Schwarze Krähe Frühling

Wie viel kostet ein Mord? Oder Notwendiger Nachtrag

Denen, die mir halfen

Erich Knauf – Zeittafel

Erich Knauf – Bibliografie

Textstellen

Personenregister



Am 22. Mai 1934 stand eine Theaterkritik von ihm über eine „Carmen“-Aufführung der Deutschen Staatsoper im „8-Uhr-Abendblatt“. Sie hieß „Carmen, etwas blutarm“. Man spürt darin seinen scharfen Biss aus der Plauener Zeit:

„In dieser Oper ist Blutgeruch, Eros stelzt nicht im Frack über die Bühne, und der Sexappeal hat an sich etwas von Gosse, verschwitzter Wäsche und dunklem Wein, der in alten Schenken „draußen am Wall von Sevilla“ stundenweise abgegeben wird. Und Carmen – das ist ein „Mensch“, ein Luder, ein Stück Vorstadt. Schon in ihrer Stimme ist das Triebhafte, Dunkle, Starke. Alle diese drei Dinge ließ Dusolina Giannini vermissen. Sie sang sozusagen mit halber Lunge, nicht ein einziges Mal brach ihr Organ zu größerer Anstrengung auf. (…) Alte Schablone provinzieller Art, kein großer Zug, kein Blut in den Adern! (…) Staatsoper? Volksoper! Leben, Leben, Leben, Smoking runter, Manschetten umgekrempelt, hau-ruck!“

Das Volk wird entweder gar nicht oder, sofern es sich für Theater interessierte, schmunzelnd auf diese Kritik reagiert haben. Ob es überhaupt eine Eintrittskarte erschwingen konnte, ist noch eine andere Frage. Aber sicher saß in der Ehrenloge einer mit Freikarte: Hermann Göring, der Schirmherr der Staatsoper. Das hatte Knauf nicht bedacht, wie schon damals, als er zum Beethovenjahr 1927 in der Plauener Volkszeitung Kästners „Nachtgesang des Kammervirtuosen“ veröffentlicht hatte. Er trug die volle Verantwortung für diesen „Carmen“-Artikel, weil er inzwischen verantwortlicher Redakteur des „8-Uhr-Abendblattes“ geworden war. Walther Victor entging nur knapp der Verhaftung als im Widerstand gekämpft habender und entdeckter Staatsfeind durch seine schnelle Flucht in die Schweiz. Knauf trat in seiner zunehmenden Existenznot an den hauptberuflichen, nun freien Platz seines Freundes.

Ob Göring sich schon seine breite Brust bis hinab zum massiger werdenden Bauch farbig schillernd wie ein Pfau mit Orden und Bändern behangen hatte? Vielleicht saß er nach der „Carmen“-Premiere mit Dusolina Giannini beim festlichen Essen und schlug dabei balzend Rad? Tage später musste er dann in der Zeitung lesen, dass ihr Organ nicht ein einziges Mal zu größerer Anstrengung aufgebrochen war. Und nicht genug! Der Kerl schrieb auch noch, aus der Staatsoper müsse eine Volksoper werden. Göring war kein Redakteur der „Leipziger Neuen Nachrichten“ oder der „Neuen Leipziger Zeitung“, der seine Mitarbeiter nur fristlos entlassen konnte. Er war seit 1922 Führer der SA sowie Begründer der Gestapo und der neuen Verwahrungsstätten, der Konzentrationslager. Ihm muss Knauf mit seinem am Ende der Theaterrezension stehenden „Smoking runter, Manschetten umgekrempelt, hau-ruck!“ wie Karl Moor vorgekommen sein, und die Eitelkeit des getroffenen Tyrannen ließ ihm die Zornesadern anschwellen, als er seine Verfügungen gegen Knauf brüllte. Die zuständigen Staatspolizeiämter rotierten. Geheim natürlich, damit sie ihrer Abkürzung – Gestapo – alle Ehre machten. Die für solche Fälle Verantwortlichen diktierten Weisungen und ließen sie von anderen wieder, immer mit der amtlichen Beibemerkung i.A., unterschreiben.

Der 2. Juni 1934 war ein Sonnabend. Was Knauf gerade zu dieser Zeit unternahm, ist nicht bekannt. Vielleicht wollte er am Lietzensee spazierengehen, den er mit einem heiter-besinnlichen Gedicht bedachte, oder er wollte sich zu Erna Donath aufmachen, um mit ihr in eines jener außerhalb von Berlin liegenden Gartenlokale zu fahren, richtig gut essen, eine kühle Weiße trinken. Glaubhafter bei ihm ist, er hatte einen Termin für die nächste Nachtausgabe und saß über ein Blatt Papier gebeugt. Was er vorhatte, er konnte es nicht zu Ende führen, denn an diesem Sonnabend organisierten andere für ihn eine Fahrt zur Stadtgrenze, nicht in ein Gartenlokal, sondern ins Konzentrationslager Oranienburg.



Wolfgang Eckert

Geboren am 28. April 1935 in Meerane.

Nach der Grundschule Besuch der Meeraner Webschule mit dem Abschluss als Wollstoffmacher und arbeitete anschließend in Webereien.

Von 1960 bis 1963 studierte er am Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“. Danach leitete er die Gewerkschaftsbibliothek im VEB „Palla“. Neben der Halbtagstätigkeit widmete er sich seinem schriftstellerischen Schaffen.

Er gründete einen Literaturklub, war künstlerischer Betreuer des Zirkels Schreibender des Kulturbundes des Kreises Glauchau.

Von 1989 bis 1992 war er Redakteur beim „Meeraner Blatt“ und von 1992 bis 1993Referent des sächsischen Landtagsabgeordneten Joachim Schindler (SPD).

Seit 1970 schrieb Eckert als freiberuflicher Schriftsteller zwei Fernsehspiele, ein Theaterstück, zwei Romane, Erzählungen, Feuilletons, Geschichten, Aphorismen, Autobiografien, eine Biografie und Gedichte. Außerdem verfasste er Beiträge für 24 Anthologien sowie Artikel für zahlreiche Zeitungen. Eckerts Erzählweise reicht von humoristischen, ironisch-satirischen, politisch bissigen bis hin zu ernsten Tönen.

Auszeichnungen:

Förderpreis des Institutes für Literatur „J. R. Becher“ Leipzig und des Mitteldeutschen Verlages Halle 1972

Hans-Marchwitza-Preis der Akademie der Künste der DDR 1974

Kurt-Barthel-Preis des Bezirkes Karl-Marx-Stadt 1983

Johannes-R.-Becher-Medaille in Silber und Bronze des Kulturbundes der DDR

Bürgermedaille der Stadt Meerane 2016

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