Karneval der Untoten

Karneval der Untoten
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Als fünf Leichen aus der Pathologie verschwinden, führt die Spur zu einem geheimnisvollen Karnevalsumzug. Der Clan der Hoshinos plant, Unschuldige in bösartige Dämonen zu verwandeln – wenn John Amber die japanischen Monster nicht aufhalten kann Der Geruch des brennenden Feuers hing schwer über dem Parkplatz des kleinsten Leichenschauhauses von New York, und dichter Rauch verbarg die Gestalt, die sich geduckt über den Asphalt schlich. Die letzten Sonnenstrahlen kündigten den Feierabend der Leichenbestatter an, die nun auch wie Ameisen aus dem Gebäude strömten. „Es brennt! Da brennt ein Wagen!“, ertönte eine... alles anzeigen expand_more

Als fünf Leichen aus der Pathologie verschwinden, führt die Spur zu einem geheimnisvollen Karnevalsumzug. Der Clan der Hoshinos plant, Unschuldige in bösartige Dämonen zu verwandeln – wenn John Amber die japanischen Monster nicht aufhalten kann



Der Geruch des brennenden Feuers hing schwer über dem Parkplatz des kleinsten Leichenschauhauses von New York, und dichter Rauch verbarg die Gestalt, die sich geduckt über den Asphalt schlich. Die letzten Sonnenstrahlen kündigten den Feierabend der Leichenbestatter an, die nun auch wie Ameisen aus dem Gebäude strömten.

„Es brennt! Da brennt ein Wagen!“, ertönte eine laute, alarmierte Stimme. Der Mann im Labormantel, zu dem sie gehörte, wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. „Ruft die Feuerwehr!“

Die Gestalt, die nun zum Eingang der Leichenhalle hastete, beachtete ihn nicht. Genauso wenig kümmerte sich das fremdartige Wesen um die aufheulenden Sirenen in der Ferne oder die Tatsache, dass mehr und mehr Menschen aus dem Haus kamen. Menschen waren eben neugierig, und genau das würde sich Rei zunutze machen.

Geschützt durch den dichten, stinkenden Rauch kroch er auf die schmale Seitentür zu. Sein langer, gegabelter Katzenschwanz zuckte aufgeregt und seine spitzen Ohren nahmen jedes noch so kleine Geräusch wahr.

Rei erstarrte, als sich eine Gestalt aus den schwarzen Schwaden schälte. Lange Beine, die in vernünftigen Schuhen steckten, dazu das Husten einer jungen Frau. Der Kasha, der Katzendämon Rei, drückte sich dicht an den Boden. Er zuckte mit keinem Muskel, nicht einmal Atem hob und senkte den gefleckten Brustkorb. Jedes seiner Schnurrhaare zitterte vor Anspannung.

„Mist auch…“ Die Frau mochte Ende zwanzig sein, mit langen, braunen Haaren und honigdunkler Haut. Sie wedelte mit der Hand vor dem Gesicht herum. „Wer zündet denn Autos vor der Pathologie an?“

Reis goldene Augen mit den geschlitzten Pupillen folgten ihren Bewegungen. Etwas an der Art, wie sich die Frau bewegte, erschien ihm beinahe zu entspannt. Die allermeisten Menschen verfielen bei Feuer in Panik. Die anderen Ärzte schrien jedenfalls durcheinander. Aber diese Person hier blieb ruhig und kontrollierte routiniert den Sitz ihrer Waffe. Dann griff sie nach einem Funkgerät.

„John? Hier ist Lisa Coleman“, sagte die Fremde. „Ich bin am Leichenhaus in der Laconia Ave. Bei uns auf dem Parkplatz steht ein brennender Wagen.“

Während Rei hinter ihr herumschlich, um unauffällig durch die Tür in die Pathologie zu kriechen, hörte er noch:

„Autos brennen nicht einfach so, und schon gar nicht so schnell. Ich glaube, hier könnte die Zwischenwelt involviert sein…“

Dann fiel die Tür hinter dem Katzendämon ins Schloss, und Rei richtete sich auf zwei Beine auf. Im grellen Licht der Neonleuchten enthüllte sich seine ganze, schreckliche Gestalt: Oberflächlich mochte der Kasha einer menschenartigen Katze gleichen. Er hatte eine kurze Schnauze, spitze Ohren, Schnurrhaare und einen kohlschwarzen Pelz. Sein Bauch war mit weichem, weißem Fell bedeckt, und wie viele der japanischen Bakeneko, der Katzendämonen, war sein langer Schwanz am Ende gegabelt. Aber um Reis Schultern und Rücken loderte das Geisterfeuer in tiefem, totenfahlem Türkis.

Auf seinen langen Hinterbeinen stakste Rei durch den langen Gang der Pathologie. Er hob die Nase in die Luft und sog den süßen Duft nach Tod, Einbalsamierungsflüssigkeit und Desinfektionsmittel tief ein. Ein grässliches Grinsen voll viel zu scharfer Zähne teilte sein Gesicht.

„Hmmmm“, schnurrte der Kasha Rei. „Ja, hier werde ich die richtigen ‚Zutaten‘ für meinen Umzugswagen finden.“

Er strich mit langen, spitzen Krallenfingern über eine der Stahltüren. Sein Ablenkungsmanöver hatte hervorragend geklappt: Sobald das Auto draußen mit seinem Geisterfeuer in Berührung gekommen war, hatte es schon lichterloh gebrannt. Woraufhin die Menschen alle wie aufgescheuchte Hühnchen auf den Parkplatz gerannt waren.

Und Rei hatte die Pathologie ganz für sich allein.

Die Tür des ersten Schauraums war versperrt, aber unter seinen grünen Flammen schmolz das Schloss zu grauem Brei. Rei kicherte amüsiert.

Er drückte sich durch die schmale Öffnung und fand sich in einem großen Zimmer wieder, das von einem Metalltisch dominiert wurde. Daneben lag allerlei medizinisches Gerät. Alles glomm und glitzerte sauber, Pinzetten, Skalpelle und verschiedene Schalen, in denen Organe gewogen und vermessen werden konnten.

Rei blickte sich aufmerksam um. Seine feine Nase verriet dem Kasha, dass er hier richtig war. Genau richtig.

„Eins“, flüsterte er und strich mit der Hand über eine der Metalltüren, die in die Wand eingelassen waren. Dahinter lagen in Kühleinheiten die Leichen, die die Pathologen untersuchen würden. Leises, hohes Quietschen folgte der Spur seiner Krallen.

„Zwei“, fuhr Rei fort und berührte eine weitere Metallfläche. Unter seiner Berührung stöhnten die Riegel protestierend.

„Drei, vier“, sang der Katzendämon und hopste ein wenig. Seine goldenen Augen strahlten vor manischer Freude.

„Und fünf…“ Er kicherte. „Fünf neue Freunde. Fünf Begleiter für meinen Umzugswagen, fünf Geister, die nur darauf warten, geweckt zu werden. Mein Beitrag für den Umzug der Tausend Geister…“ Sein Giggeln hallte von den Wänden wieder.

Wie von Geisterhand glitten fünf metallene Kühleinheiten auf. Eiskalter Todeshauch quoll aus ihnen hervor, während die Bahren darin nach vorn glitten. Fünf Leichen kamen zum Vorschein, die Gesichter totenblass, die Wimpern von feinem Frost bedeckt.

Reis Lachen schwoll an und sein Schwanz zuckte wild.

„Fünf Leichen für Rei!“

Mit geschickten Pfoten packte sich der Katzendämon die Leichen auf den Rücken. Sie waren eiskalt, steif und schwer, aber den Kasha störte das nicht. Er war ein Wesen der japanischen Zwischenwelt, ein paar Tote waren da keine Bürde.

Ungesehen und ungehört tappte Rei in Richtung des Haupteingangs. Die Leichenbeschauer waren alle hinten beim Parkplatz, und so stand sein Karnevalswagen, ein großes, mit roten Geisterflammen bemaltes Fahrzeug, einsam und verlassen.

Behände sprang Rei mitsamt den fünf gestohlenen Körpern auf die Ladefläche. Er legte sie nebeneinander und verschränkte die Finger der vier Männer und der einen Frau. Sie hatten verschiedene Alter, verschiedene Herkünfte, verschiedene Leben gehabt. Nun aber würden sie nur noch einem einzigen Zweck dienen.

Der Katzendämon jaulte laut und durchdringend. Der Wagen sprang an, und mit aufheulendem Motor jagte der Leichendieb hinaus auf die Straßen von New York.



*



Die Pathologin Lisa Coleman wedelte kurz vor Feierabend mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. Im Hof des Leichenschauhauses in der Bronx war ganz plötzlich und scheinbar ohne Grund ein Wagen in Flammen aufgegangen. Binnen weniger Sekunden war die Luft geschwängert vom scharfen Gestank des Rauchs. Man konnte beinahe nichts sehen, nur die Rufe ihrer Kollegen verrieten Lisa, wo sie sich befanden.

Inzwischen war die Feuerwehr gerufen worden. Soweit die Pathologin es beurteilen konnte, war niemand in der Nähe des Fahrzeugs gewesen, sodass es wenigstens keine Verletzten gab.

Trotzdem kam ihr etwas an der ganzen Sache merkwürdig vor. Sicher war es möglich, dass sich ein Auto selbst entzündete. Immerhin war Benzin leicht entflammbar und brannte auch gut. Brandstiftung kam durchaus infrage. Das Problem war nur, dass ein einziges brennendes Fahrzeug definitiv nicht so viel Rauch erzeugen sollte. Und schon gar nicht dermaßen schnell.

Sie arbeitete sich langsam zu einer Gruppe weiterer Rechtsmediziner vor, die am Rand des Parkplatzes und außerhalb der Rauchwolke warteten. Darunter war einer der ältesten Pathologen der Bronx, Dr. Felix Bender.

„Vielleicht hat jemand Brandbeschleuniger verwendet?“, fragte dieser und trat näher zu Lisa.

„Vielleicht“, sagte sie zweifelnd. Dr. Bender war ein älterer Herr mit grauem Bart und buschigen Augenbrauen. Er arbeitete schon seit einer Ewigkeit für die Rechtsmedizin und hatte einiges an merkwürdigen Dingen gesehen. Lisa fragte sich manchmal, ob er nicht auch Ahnungen von der Zwischenwelt hatte.

„Ich möchte bloß wissen, wieso jemand so kurz vor dem Karneval hier Ärger bereiten sollte.“ Dr. Bender schnaufte verärgert. „Gerade um die Narrenzeit herum ist es hier doch eigentlich ruhig. Wir liegen abseits aller Umzugsrouten und so viele Betrunkene haben wir nun auch wieder nicht.“

„Sie glauben, dass es Karnevalsbesucher waren?“

„Wer sonst sollte denn bitte hier im Hof irgendwelche Autos anzünden, wenn nicht ein Betrunkener in Verkleidung?“ Dr. Bender schüttelte den Kopf. „Dabei hatte ich mich schon darauf gefreut, mit meiner kleinen Nichte an diesem japanischen Umzug teilzunehmen.“

Lisa Coleman interessierte sich normalerweise nicht für Fasching oder Karneval. Sie hatte in ihrem Berufsleben genug mit Untoten, Vampiren, Geistern und anderen Schreckgestalten zu tun, als dass sie sich über Teufelsmasken und Clownskostüme amüsieren könnte.

Dazu kam, dass in der Narrenzeit die Menschen häufiger über die Stränge schlugen. Die Krankenhäuser waren dann gefüllt mit Opfern von Prügeleien, und die Polizei überlaufen mit Leuten, denen Geldbeutel, Smartphone und andere Wertgegenstände gestohlen worden waren. Darauf konnte sie gut verzichten.

„Was denn für ein japanischer Umzug?“, fragte sie, während sie am Straßenrand darauf warteten, dass die Feuerwehrleute sich um das qualmende Wrack kümmern würden.

„Ist dieses Jahr ganz neu dazugekommen!“, erklärte Dr. Bender. „Meine Nichte steht auf diese… diese japanischen Comics und Zeichentrickserien, diese… wie heißt das noch… Mangas und Animes. Kann mit Stäbchen essen wie ein Profi. Und weil wir doch einen größeren japanischen Bevölkerungsteil haben, organisiert die Stadt dieses Jahr eine`Yokai-Parade´.“ Er schenkte Lisa ein schiefes Lächeln. „Da gibt es wohl eine Legende mit einem Umzug von tausend Dämonen.“

„Und dieser Umzug ist heute Abend?“ Die Pathologin schaute gen Himmel. Im Licht der untergehenden Sonne färbten sich die Wolken inzwischen tief orange. Selbst, wenn die Feuerwehr schnell fertig war mit dem Sichern des Fahrzeugs, würde es doch noch eine ganze Weile dauern, bis sie hier gehen konnten. Es würden mindestens Kollegen vom One Police Plaza, dem Hauptgebäude des New York Police Department, vorbeischauen und sie alle befragen.

„Ja“, seufzte Dr. Bender. „Ich fürchte, da wird wohl meine Schwester mit der Kleinen gehen müssen. Ich sollte sie besser anrufen, dass ich mich verspäte. Schöner Mist auch.“

Die Pathologin lächelte ihren Kollegen müde an. Sie selbst wartete nicht nur auf die ankommende Streife, sondern auch auf ihren Teamkollegen John Amber.

In diesem Moment bog mit heulenden Sirenen der große rote Feuerwehrwagen ein.

„Wurde auch Zeit“, murmelte Dr. Bender mit einem Kopfschütteln.

Sofort wimmelte es auf dem kleinen Parkplatz geschäftig. Schläuche wurden ausgerollt, Hydranten angeschlossen und Befehle gebrüllt. Kurz darauf erklang das laute Zischen eines Hochdruckwasserstrahls, der auf das brennende Fahrzeug gerichtet war.

„Hey, Lisa“, ertönte da die Stimme von John Amber. Er war ihr ältester Kollege und wie Lisa selbst ein Gründungsmitglied des Sonderdezernats „Zwischenwelt“, das sich mit übernatürlichen Fällen beschäftigte. Zusammen mit der Hundeführerin Donna Fallows und ihrer Begleiterin Mystique, dem Leiter der schnellen Eingreiftruppe Sergeant Antonio de Silva, der Voodoopriesterin Grandma Mambo und der digitalen Ermittlerin Chrissy Parker waren sie ein eingespieltes Team.

Die Pathologin wandte sich ihrem Kollegen aus der Sonderabteilung „Zwischenwelt“ erleichtert zu. Amber trug ein hellblaues Hemd und Jeans, er war wohl schon dabei gewesen, für heute Feierabend zu machen. Aber da die Schergen der Welt des Übernatürlichen, der „Zwischenwelt“, niemals schliefen, arbeiteten auch die Mitglieder der Geheimabteilung der New Yorker Polizei „Zwischenwelt“ rund um die Uhr.

„Was ist denn passiert? Du klangst über Funk ziemlich besorgt.“ John blickte zu dem ausgebrannten Wagen.

„Tja“, meinte die Pathologin. „Komm, lass uns ein paar Schritte gehen.“ Vor ihren Kollegen konnte sie unmöglich preisgeben, dass sie übernatürliche Kräfte hinter dem scheinbar zufälligen Akt des Vandalismus vermutete.

John Amber folgte ihr ein Stück weit den Bürgersteig hinab in Richtung des Haupteingangs der Pathologie.

Sie waren kaum um die Ecke getreten, da raste plötzlich und mit quietschenden Reifen ein riesiger Umzugswagen heran.

„Lisa!“, schrie John, packte sie am Arm und riss die Pathologin gerade noch rechtzeitig aus dem Weg. Das mit roten Flammen bemalte, flach umgebaute Fahrzeug nahm keine Rücksicht auf die beiden Polizisten, als es in ungeahnter Geschwindigkeit auf die Hauptstraße abbog.

„Himmel und Hölle!“, entfuhr es Lisa Coleman. „Wo kam der denn her?“

„Dem entnehme ich, dass keiner der Pathologen am Faschingsumzug teilnehmen wollte?“, fragte John Amber trocken.

Lisa schüttelte stumm den Kopf.

„Er kam direkt aus der Einfahrt zur Pathologie“, sagte sie nach einem Moment. „Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht, John. Komm, wir müssen uns das ansehen.“

Der New Yorker Cop nickte zustimmend.

„Du hast ja vorher schon per Funk durchgegeben, dass das Fahrzeug auf dem Parkplatz nicht so lange hätte brennen sollen“, sagte er.

„Genau“, bestätigte Lisa Coleman. „Ich meine… es ist nur ein Auto. Sicher, ein paar Minuten stehen die schon in Flammen, aber nach spätestens 10 Minuten sind sie normalerweise ausgebrannt. Aber dieser Wagen hat bestimmt eine halbe Stunde lang alles vollgequalmt. Und das war, bevor die Feuerwehr hier ankam.“

„Feuermonster gibt es viele“, seufzte John. „Ich denke, du hast recht. Besonders, wo der Umzugswagen hier gerade vorbeigerauscht ist. Vermutlich war das Auto auf dem Parkplatz nur ein Ablenkungsmanöver.“

„Aber was soll denn bitte irgendwer in der Pathologie wollen?“, fragte Lisa. „Ich meine, wir sind ja kein Krankenhaus. Es gibt hier keine wertvollen Medikamente oder so.“

„Lass es uns herausfinden“, sagte John grimmig und stieß die Tür des Leichenschauhauses auf.

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