Ich und die Frauen

Vom prickelnden Liebesglück und der empfindlichen Bestrafung eines sächsischen Casanovas

Seine fiktiven Heiratsschwindeleien verfasste der bekannte Leipziger Kinder- und Krimiautor sowie Mo(h)ritatensänger Steffen Mohr zu seiner eigenen Erholung von der Bürokratie des deutschen Literaturlebens, in dem er einem sächsischen Autorenverein vorstand. Er galt sonst eher als schüchtern und in der Liebe treu. Vorspruch im Freiheitsentzug … Conny, treu wie Gold Schwester Rosa, die edle Jungfer Cinthia, das Handy aus Borna Kerstin, die bezahlte Lügnerin Julie, das Gorillaweibchen Nachspruch im Freiheitsentzug Ich bin ein Schuft und gestehe es offen, einer zu sein. Denn anstatt nun Ruhe zu geben und mir mit dem von Cinthia ergaunerten... alles anzeigen expand_more

Seine fiktiven Heiratsschwindeleien verfasste der bekannte Leipziger Kinder- und Krimiautor sowie Mo(h)ritatensänger Steffen Mohr zu seiner eigenen Erholung von der Bürokratie des deutschen Literaturlebens, in dem er einem sächsischen Autorenverein vorstand.

Er galt sonst eher als schüchtern und in der Liebe treu.



Vorspruch im Freiheitsentzug …

Conny, treu wie Gold

Schwester Rosa, die edle Jungfer

Cinthia, das Handy aus Borna

Kerstin, die bezahlte Lügnerin

Julie, das Gorillaweibchen

Nachspruch im Freiheitsentzug



Ich bin ein Schuft und gestehe es offen, einer zu sein. Denn anstatt nun Ruhe zu geben und mir mit dem von Cinthia ergaunerten kleinen Vermögen ein anständiges Unternehmen zu kaufen, kitzelte mich gerade jetzt der Reiz, es erneut auf die bewährte Tour zu versuchen. Inzwischen hatte ich erkannt, wo meine eigentlichen Fähigkeiten steckten und war stolz darauf. Nichts lag mir ferner, als mein erwiesenes Talent brach liegen zu lassen.

Dieses Mal stellte ich meine Köderversuche schlauer an. Ich begann sie zu einem Zeitpunkt, da ich noch genügend Geld auf der Kante hatte und somit zwangloser arbeiten konnte, ohne finanziellen Druck.

Eine gewisse psychische Schwäche hatte mich zu dieser Zeit befallen, ein Überdruss am Leben und besonders am Liebesleben. Trotz der greifbaren Verfügbarkeit einiger aparter Gespielinnen sehnte ich mich danach, irgendetwas anderes mit Frauen zu erleben. Etwas Außergewöhnliches, das total aus der Reihe fiel.

Ängstlich spürte ich: In jedem Beruf, den man gewissermaßen mit geschlossenen Augen beherrscht, droht auch in dem des Liebesschwindlers die Monotonie, die alles erreichte Glück des Erfolges in den Missstand der Routine kippt. Damit aber – hält man nicht mit einer ausgefallenen und bisher nie praktizierten Methode dagegen! – wäre der Ruin der Arbeitsunfähigkeit für mich vorprogrammiert gewesen.

So kam ich darauf, es mir schwerer zu machen als sonst. Ich wollte eine unerreichbare Frau in meine Netze locken – eine die mir bei klarem Verstand niemals auf den Leim ging. Ein Mordsweib kennenzulernen nahm ich mir vor. Sie sollte das Kaliber einer Hetäre besitzen, die täglich (oder meinetwegen jede Nacht) Dutzende Kerle um den Finger wickelt. Also wählte ich mich in das unheilschwangere System der 0190er-Telefonkontakte ein. Nicht nach Wahrsagerei und schon gar nicht nach verbaler Erotik stand mir der Sinn. Mit wachem Kalkül begann ich die heißen Linien der fernmündlichen Partnerschaftsbörsen zu testen.

Jeder Mann, der je genügend Kleingeld übrig hatte, um sich ein wenig mit dieser besonderen Spielart des Telefonnetzes zu beschäftigen, weiß, dass er auf diesen Linien jede Menge Zeit und damit Geld verliert. Das fängt an mit dem Anhören völlig unnötiger Tipps und niveauloser Musikschleifen. Die Brieftasche entleert sich genau so sinnlos, indem man seine Aufmerksamkeit auf die zahllosen weiblichen Bekenntnisse von Einsamkeit und Verlassensein richtet. Auch wer die Unzahl hilfloser bis ordinärer Spielarten von Telefonsex aus dem Munde von Hausfrauen und Abiturientinnen erfahren möchte, sollte sich besser einmalig ein Band von zwei Minuten Länge zusammenschneiden, anstatt für 2 Mark 40 oder mehr pro Minute über längere Zeit ein Opfer des erschreckend geringen Wortschatzes verdorbener Weiber zu werden.

Selten wird auf dieser Art Linien – oder Lines – die Partnerin zu finden sein, von der Mann träumt. Kommt es ausnahmsweise wirklich zu einer Begegnung mit dem aufgrund seiner betörenden Stimme gewählten Weib, erlebt der Anrufer meistens sein blaues Wunder. Hinter den süßesten Timbres, den verlockendsten Personenbeschreibungen und den glaubhaftesten Versprechen, eine Zweitausgabe von Claudia Schiffer oder der wieder erstandenen Kaiserin Kleopatra zu sein, verbergen sich fast durchweg dicke oder ältliche Mädchen, nach allen Richtungen schielende Pseudovamps, gestresste Emanzen oder Frauen mit einem gut gefüllten privaten Kindergarten. Kurzum: der ganze bedauernswerte Abschaum verlogener Bedürftigkeit.

All das interessierte mich wenig. Was ich suchte, war eine Frau, die der Lüge auf der Hot-Line professionell nachging, also Nacht für Nacht für Judaslohn in einem geheimen Studio saß. Eine, die sich den ständig wechselnden Anrufern anpasste, indem sie manchmal die Einsame, manchmal die Nymphomane heuchelte, bald darauf ein unschuldiges Landei spielte, um gleich danach wieder die Mütterlich-Erfahrene zu markieren.

Musste nicht, sagte ich mir, dieses gleich dem vielgestaltigen Flussgott Proteus wandelbare Wesen für mich, den geborenen Lügner, eine wunderbare Herausforderung darstellen?

Und wenn sie ausnahmsweise hübsch war – konnte so ein Weib dann nicht das beste Mittel gegen meine Arbeitsunlust werden? Sozusagen eine Trainerin meiner erschlafften Psyche?

Nachdem ich mehrere Nächte ziellos durch die Lines geirrt war, schaffte ich mir einen Oszillografen an. Das Gerät war in der Lage, die Frequenzkurven der unterschiedlichen Frauenstimmen für das Auge sichtbar zu machen. Bald stellte ich mit Hilfe dieses Apparates fest, dass in einem der sentimentalsten Systeme ständig eine Mandy auftauchte, die andererseits Petra hieß, andererseits Ilka, andererseits Carry-Ann.

In jeder ihrer Rollen trug das Hörwesen nicht nur andere Kleider, sondern es hatte auch verschiedene Körpermaße, Augen- und Haarfarben. Und natürlich ständig wechselnde Berufe. Eines Nachts war sie Mutter eines zweijährigen Kindes. Am nächsten Abend spielte sie ein kinderfeindliches Arbeitstier. In der dritten Nacht gebar sie plötzlich zwei halbwüchsige Buben, um sie schon im Verlauf der nächsten Stunde gegen zwei frisch geborene eineiige Zwillinge weiblichen Geschlechts zu tauschen.



Steffen Mohr wurde am 24. Juli 1942 in Leipzig geboren, wo er auch aufgewachsen und bis zu seinem Tod am 17.01.2018 geblieben ist. Nach dem Abitur studierte er sowohl (katholische) Theologie als auch Theaterwissenschaften, welche er 1966 mit einem Diplom abschloss. Nach seiner Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut kam 1975 ein zweites Diplom hinzu. Davor hatte Mohr unter anderem als Hilfsarbeiter und Hilfsschauspieler, als elektrischer Prüfer und als Redakteur beim „Sächsischen Tageblatt“ sowie als Regieassistent beim Jugendtheater und als Dramaturg beim DDR-Fernsehen (Krimi-Genre), aber auch als Briefträger und Leiter wilder Theatergruppen gearbeitet. Seine erste Kriminalstory hatte Mohr 1966 unter dem Pseudonym „Harald Eger“ in der bekannten „Blaulicht“-Reihe veröffentlicht – „weil mir sonst als Student das Honorar vom Stipendium abgezogen worden wäre“. Weitere Bücher folgten und schließlich 1989 gemeinsam mit dem West-Berliner Autor -ky (Hinter diesem Kürzel verbirgt sich der erfolgreiche Kriminalschriftsteller und Soziologieprofessor Dr. Horst Bosetzky, Jahrgang 1938) der erste und zugleich letzte deutsch-deutsche Krimi „Schau nicht hin, schau nicht her“ – erschienen zwei Monate vor dem Mauerfall. Eine literarische Spezialität des Leipziger Künstlers, der auch als Dozent für kreatives Schreiben tätig war und der Freien Literaturgesellschaft Leipzig e.V. vorstand, waren seine Rätselkrimis, die bundesweit in Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 1 Million Exemplaren veröffentlicht werden. Darin lässt Mohr nicht nur den Leipziger Kommissar Gustav Merks ermitteln, sondern vor allem seine kriminalistisch veranlagten Leserinnen und Leser.

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