Elchritter

Fast ein Märchen aus vergangenen Tagen

Die zwölfjährige Anne ist ziemlich einsam in dem Ostseebad, in dem die Eltern jeden Sommer ein Ferienhaus mieten. Als die Jungen des Fischerdorfes sie ärgern, findet sie einen edlen Ritter, der sie beschützt und geduldig zuhört. Worüber sie mit den Eltern nicht sprechen kann, weil sie ja doch keine Zeit und kein Gespür für sie haben, das ist mit dem nur wenige Jahre älteren Markus möglich. Nur drei Tage Genesungsurlaub hat der junge Soldat im Samland, dann muss er zurück an die Ostfront. LESEPROBE: „Hören Sie“, sagte das Mädchen streng, „ich bin eins neunundfünfzig und - “ hier... alles anzeigen expand_more

Die zwölfjährige Anne ist ziemlich einsam in dem Ostseebad, in dem die Eltern jeden Sommer ein Ferienhaus mieten. Als die Jungen des Fischerdorfes sie ärgern, findet sie einen edlen Ritter, der sie beschützt und geduldig zuhört. Worüber sie mit den Eltern nicht sprechen kann, weil sie ja doch keine Zeit und kein Gespür für sie haben, das ist mit dem nur wenige Jahre älteren Markus möglich. Nur drei Tage Genesungsurlaub hat der junge Soldat im Samland, dann muss er zurück an die Ostfront.

LESEPROBE:

„Hören Sie“, sagte das Mädchen streng, „ich bin eins neunundfünfzig und - “ hier zögerte sie kurz, „zwölf!“ Das musste er ja nun wirklich sehen! Und dann der Badeanzug - zweiteilig nach endlosem Trotzkampf gegen die Mutter.

Der junge Mann strich sich überrascht den Lockenschubs aus der Stirn und begann, was da vor ihm stand, zu sehen. Zöpfe bis zum Badehosenende, Farbe: Hafer, und wahrscheinlich von der voranqeqangenen Flucht so zoddrig. Braune schlenkrige Glieder, Lippen aufgeworfen, und die Augen, grau oder grün, hakten sich in den seinen fest. Also eine kleine kratzende Strandkatze. Es mochte Spaß machen, sie zu ärgern. Plötzlich jedoch waren die Zöpfe braun und die Augen braun, und die füllten sich mit Tränen, und zwei Fäuste trommelten ihm auf die Brust, als er fragte: „Und hat das Fräulein schon einen Bräutigam?“ Der Betrommelte war er beim letzten Urlaub - und das wütende Mädchen seine Lieblingsschwester Gesine.

Da zog sich um seinen Mund ein Lächeln, und er verneigte sich. „Pardon“, sagte er, „habe das Fräulein unterschätzt, muss wohl nun Sie sagen?“

Dem Mädchen kroch eine Röte übers Gesicht, es wurde hilflos. „Ach, das bloß nicht“, sagte sie, „ich heiße , dabei begann sie aus dem Boot zu klettern, stand nun richtig neben dem Mann, reichte ihm bis nahe an die Schütten, „ich heiße Anne.“ Sie machte einen Knicks und hätte ihn am liebsten rückgängig gemacht, so, wie man schnell über Sand oder Schnee streicht, um Spuren zu verwischen. Wieder verbeugte sich der Mann. „Ich bin Markus!“ Er setzte sogar seinen Nachnamen dazu. Es wunderte ihn sofort.

Ach Gott, dachte das Mädchen, Markus, das war doch so ein Biblischer mit Klapperlatschen - Almasor müsste er heißen oder Said oder Achmed.

Wie selbstverständlich stapfte sie neben dem Mann die Düne hoch, merkte erst, was sie tat, als sie vor einem Bündel Kleidungsstücke stand, die, den Schuhen nach, ihrem Begleiter zu gehören schienen.

Sie wollte umkehren, aber der Ritter bat sie, ihm Gesellschaft zu leisten.



„Hören Sie“, sagte das Mädchen streng, „ich bin eins neunundfünfzig und - “ hier zögerte sie kurz, „zwölf!“ Das musste er ja nun wirklich sehen! Und dann der Badeanzug - zweiteilig nach endlosem Trotzkampf gegen die Mutter.

Der junge Mann strich sich überrascht den Lockenschubs aus der Stirn und begann, was da vor ihm stand, zu sehen. Zöpfe bis zum Badehosenende, Farbe: Hafer, und wahrscheinlich von der voranqeqangenen Flucht so zoddrig. Braune schlenkrige Glieder, Lippen aufgeworfen, und die Augen, grau oder grün, hakten sich in den seinen fest. Also eine kleine kratzende Strandkatze. Es mochte Spaß machen, sie zu ärgern. Plötzlich jedoch waren die Zöpfe braun und die Augen braun, und die füllten sich mit Tränen, und zwei Fäuste trommelten ihm auf die Brust, als er fragte: „Und hat das Fräulein schon einen Bräutigam?“ Der Betrommelte war er beim letzten Urlaub - und das wütende Mädchen seine Lieblingsschwester Gesine.

Da zog sich um seinen Mund ein Lächeln, und er verneigte sich. „Pardon“, sagte er, „habe das Fräulein unterschätzt, muss wohl nun Sie sagen?“

Dem Mädchen kroch eine Röte übers Gesicht, es wurde hilflos. „Ach, das bloß nicht“, sagte sie, „ich heiße , dabei begann sie aus dem Boot zu klettern, stand nun richtig neben dem Mann, reichte ihm bis nahe an die Schütten, „ich heiße Anne.“ Sie machte einen Knicks und hätte ihn am liebsten rückgängig gemacht, so, wie man schnell über Sand oder Schnee streicht, um Spuren zu verwischen. Wieder verbeugte sich der Mann. „Ich bin Markus!“ Er setzte sogar seinen Nachnamen dazu. Es wunderte ihn sofort.

Ach Gott, dachte das Mädchen, Markus, das war doch so ein Biblischer mit Klapperlatschen - Almasor müsste er heißen oder Said oder Achmed.

Wie selbstverständlich stapfte sie neben dem Mann die Düne hoch, merkte erst, was sie tat, als sie vor einem Bündel Kleidungsstücke stand, die, den Schuhen nach, ihrem Begleiter zu gehören schienen.

Sie wollte umkehren, aber der Ritter bat sie, ihm Gesellschaft zu leisten.

Da hockte sie sich, während er sich bäuchlings dünenauf legte, ungefähr zwei Meter von ihm weg und zog die Knie ans Kinn, während die Zopfschwänze den Sand fegten, und blickte grau oder grün zu ihm hinüber.

„Warum haben die dich eigentlich gejagt?“, begann der Mann das Gespräch.

Das Mädchen bekam eine Falte zwischen den Augenbrauen. „Das sage ich nicht!“ Sie merkte selber, dass er diese Kürze nicht verdient hatte. „Ich kenne Sie ja noch gar nicht!“

Aha, fasste er zusammen, das stimme nun freilich, aber es bestünden ja wohl Aussichten, denn sie habe „noch“ gesagt. Und da sei er der Meinung, sie sollten mit dem Kennenlernen beginnen, wenn sie es mochte, natürlich. Das Mädchen sagte nichts, aber es nickte.

Das Erste, was dabei zu beachten sei, erklärte der Mann, wäre wohl, dass man sich gegenübersteht, und darum - er hatte sich hochgerekelt, kroch zu dem Mädchen hinüber und streckte ihr seine Hand hin - biete er ihr sein Du an.

Sie blieb, die Arme um die Knie geschlungen, sah ihn misstrauisch an. „Richtig ‚Du‘?“, fragte sie.

Natürlich richtig! Er überlegte einen Augenblick Es seien immer nur die richtigen Du, die im Leben Wert hätten. Aber das verstünde sie wohl noch nicht.

Grade, sagte Anne, verstehe sie das, nur müsste er Geduld mit ihr haben, sie könne ein Du nicht so schnell... Und sie legte zögernd ihre Hand in die seine.

„Die ist aber kalt“, sagte er, dachte, und so kindlich, und die Nägel haben ähnliche Nagespuren wie bei meiner Schwester. Da war ihm eigenartig, dem Neunzehnjährigen, in dieser Gegend, die ihm unvertraut fern seines Heimatortes war, in seiner Hand diese fremden Mädchenfinger, die jetzt ziemlich vertrauensvoll darin ruhten.

Jetzt hat er beinahe solche Augen wie meine Mutti, wenn ich sie am meisten mag, dachte das Mädchen, ach, meine Mutti... Dabei fiel ihr ihre Hand ein, sie zog sie rasch aus dem warmen Nest und stand auf. „Ich geh’ baden“, sagte sie, „kommst du - Sie mit?“

Sie ging schon, warf die Zöpfe mit Schwung hinter sich, den Kopf nach oben.

Ach, sah der Mann ihr nach, du Kind - Mädchen, erhob sich und ging etwas schwerfällig, Körper und Kopf zur Seite geneigt, hinterher.

An der Schwelle des Meeres wartete sie.

„Mögen Sie - du“, betonte sie nun, „es?“

„Ich weiß nicht“, Markus wiederholte ihre Worte von vorhin, „ich kenne es ja noch gar nicht...“

„Ja, aber woher bist du denn“, sie fuhr in das Du hinein, wie in ungewohnte, neue Schuhe.

„Aus Thüringen“, erwiderte er.



Am 14.7.1931 als Tochter eines Beamten im ehemaligen Königsberg/Preußen (heute Kaliningrad) geboren. Mädchenname: Elisabeth Appe.

Vier Jahre konfessionelle Grundschule, drei Jahre Lyzeum. 1945 Flucht in die Altmark, Tangermünde. Oberschule ohne Abschluss.

1948 bis 1949 Lehrerbildungsinstitut, ab November 1949 Lehrerin.

Fernstudium für 1. und 2. Lehrerprüfung, Fernstudium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam.

Bis Ende August 1967 Lehrerin in Rangsdorf bei Berlin. Während dieser Zeit Gedichte geschrieben.

Von 1967-1970 Studium am Institut für Literatur Johannes R. Becher in Leipzig. Zwei Jahre freischaffend, danach 14 Jahre Lehrtätigkeit im Fach Prosa (bei Fernstudenten) an diesem Institut, zuletzt als Dozentin.

Von 1986-1990 für vier Jahre vom Hochschuldienst beurlaubt, in dieser Zeit freischaffend.

Verwitwet, zwei Söhne.

Wohnhaft in Leipzig, Berlin, Rangsdorf, jetzt wieder Berlin.

Auszeichnungen:

Förderpreis des Mitteldeutschen Verlages

Kunstpreis der Stadt Leipzig.

Liste der künstlerischen Arbeiten

Bibliografie (Romane):

Jedes Leben hat auch seine Zeit, Mitteldeutscher Verlag Halle 1974

Ausstellung einer Prinzessin, Mitteldeutscher Verlag Halle 1977

Axel und der Maler Sim, Kinderbuchverlag Berlin 1979

Die Beurteilung, Mitteldeutscher Verlag Halle 1981

Suche nach Karalautschi/Report einer Kindheit, Mitteldeutscher Verlag Halle 1984

Liane und ihr Baby, Kinderbuchverlag Berlin 1988

Küchengespräche mit Frau L. (Portraits und Geschichten), Mitteldeutscher Verlag Halle 1989

Drei Kastanien aus Königsberg, Mitteldeutscher Verlag Halle 1990

Wer gibt uns unsere Träume zurück, Langen Müller Verlag, München 1995

Im Mantel von Allerleirauh, BS Verlag Rostock 1995

Gerda, das Nuschtchen. Drei Erzählungen zwischen Königsberg und Tangermünde, OsirisDruck, Leipzig 2007

Elchritter. Fast ein Märchen aus vergangenen Tagen, OsirisDruck, Leipzig 2008

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  • Artikelnummer SW9783863943622.1
  • Autor find_in_page Elisabeth Schulz-Semrau
  • Autoreninformationen Elisabeth Schulz-Semrau Am 14.7.1931 als Tochter eines Beamten im… open_in_new Mehr erfahren
  • Wasserzeichen ja
  • Verlag find_in_page EDITION digital
  • Seitenzahl 57
  • Veröffentlichung 14.07.2014
  • ISBN 9783863943622

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