Kirschenkosten

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer

Christine Hollmann steht ihrem dickschädeligen Großvater gewiß in nichts nach, wenn ihre Kriegslisten naturgemäß auch verschiedenen Objekten gelten. Weil ihre Eltern ihr nicht erlauben wollen, mit ihren fünf Freunden zum Zelten zu fahren, fährt sie schließlich ohne diese Erlaubnis fort. Nach ihrer Rückkehr ist sie jedoch nicht etwa länger über ihre Großfamilie, dafür aber zutiefst über ihren Klassenkameraden Matthias enttäuscht, der sich weit mehr für Mathe als für Mädchen begeistern kann. Als die Schule wieder beginnt, nimmt er ihr gegenüber immer häufiger einen belehrenden... alles anzeigen expand_more

Christine Hollmann steht ihrem dickschädeligen Großvater gewiß in nichts nach, wenn ihre Kriegslisten naturgemäß auch verschiedenen Objekten gelten. Weil ihre Eltern ihr nicht erlauben wollen, mit ihren fünf Freunden zum Zelten zu fahren, fährt sie schließlich ohne diese Erlaubnis fort. Nach ihrer Rückkehr ist sie jedoch nicht etwa länger über ihre Großfamilie, dafür aber zutiefst über ihren Klassenkameraden Matthias enttäuscht, der sich weit mehr für Mathe als für Mädchen begeistern kann. Als die Schule wieder beginnt, nimmt er ihr gegenüber immer häufiger einen belehrenden Tonfall an, der sie verletzt. Stück für Stück demontiert er selbst das Bild vom Strahlenden Ritter, das sie sich von ihm gemacht hatte.

Während Christine sich bisher in ihrem Kaff am Rande der Welt gefühlt hat, häufen sich in diesem denkwürdigen Jahr die unangenehmen Ereignisse, von denen der Kummer mit Matthias nur der Anfang war. Um sich über ihre Gefühle klar zu werden, beginnt sie, ein Buch zu schreiben. Aber muss Matthias, dieser fantasielose Knochen, sie ausgerechnet bei Mathe-Bolle damit verpfeifen? Wie ein Lauffeuer breitet sich die Kunde aus: Christine schreibt. Und da sie verstockt von ihrem Hobby nicht lassen will, setzt sie sich bei fast allen Lehrern voll in die Nesseln.

Trost findet sie nur nachmittags bei ihrem Plüschlöwen, den ihr Wolfgang geschenkt hat. Er selbst weilt fern, doch bald beginnen die Telegrafenleitungen zwischen Berlin und Hollershoh immer heftiger zu rauschen!



Mit Vati hatte ich das erste Mal einen Sonnenaufgang beobachtet. Lange lag das zurück, und es war, als Mutti Felix bekam. Vati hatte sie am Abend ins Krankenhaus begleitet, und ich wartete zu Hause auf das Brüderchen, denn für mich stand es felsenfest, dass es ein Bruder werden würde. Oma brachte mich zu Bett. Ich schlief aber nicht, denn ich wollte nichts verpassen. Als ich Vati kommen hörte, stand ich auf, um zu sehen, ob er das Brüderchen schon rnitgebracht hätte. Oma schimpfte und steckte mich wieder ins Bett. Doch später schlich ich zu Vati hinüber. Er schickte mich nicht fort, vielleicht wollte er nicht allein sein.

Ich durfte in Muttis Bett schlafen. Zum Schlafen war ich viel zu aufgeregt, und ich fragte, warum ich erst jetzt einen Bruder bekäme. Vati speiste mich nicht mit dem Storch ab wie Oma. Mein kleines Mädchen, sagte Vati, das ist nämlich so, wenn zwei Menschen sich sehr lieb haben ...

Habt ihr euch nur zweimal lieb gehabt?

Vati lachte mich nicht aus. Lieb haben wir uns immer, sagte er. Ein Kind, Tine, das ist, als wenn zwei Menschen einen Stern geschenkt bekommen, und den bekommt man nicht jeden Tag. Verstehst du das?

Ja, das verstand ich, und ich sah aus dem Fenster zu den Sternen und wartete, dass einer zur Erde herniederfuhr. Dann musste das Brüderchen bei Mutti angekommen sein. Ich suchte nach Vatis Hand. Sie war groß und warm und ein wenig rau, und so schlief ich ein.

Als der Tag graute, wachte ich auf. Vati zog sich gerade seine Windjacke über. Ich fragte, wo er hinwollte, und er sagte, er wollte die Sonne aufgehen sehen, weil es ein besonderer Tag sei. Und er nahm mich mit. Wir gingen den Weg nach Stresenau bis zum Findling unterm Holunderbusch. Dort setzten wir uns und sahen hinunter ins Bruch. Es schwamm in einem milchigen Hauch, bis der Himmel immer goldner wurde und der Sonnenball über den Horizont schaute. Vati hatte einen Arm um mich gelegt. Ich sagte kein Wort, denn ich wagte es nicht, die Sonne zu stören an diesem besonderen Tag. Am Ende würde sie denn zurückrollen unter den Himmelsrand, und der besondere Tag fiel aus, vielleicht sogar das Brüderchen. Ja, ich erinnerte mich, dass ich so ungefähr gedacht hatte, und vielleicht verstehe ich mich mit Felix so gut, weil ich damals mit Vati auf ihn gewartet habe.

Noch oft waren wir beide zum Findling gegangen. Vati hatte mir dort Weidenflöten und Borkenschiffe geschnitzt, und wir hatten über alles geredet, was uns in den Sinn gekommen war. Ich wünschte mir auf einmal sehr, dass Vati bei mir wäre und wir miteinander reden könnten.



Siegfried Schumacher wurde am 9. August 1926 in Oderberg/M. geboren, wo er auch die ersten vier Grundschulklassen besuchte. 1937 zogen seine Eltern nach Bad Freienwalde, wo er das Gymnasium mit dem Notabitur abschloss. 1943 wurde er zur Marine einberufen. Nach Krieg und Kriegsgefangenschaft wurde er Neulehrer.

Hildegard Schumacher wurde am 10. September 1925 in Eberswalde geboren. Sie besuchte die Lehrerbildungsanstalt und arbeitete seit 1964 als Lehrerin.

Hildegard und Siegfried Schumacher heirateten 1947.

Beide studierten am Institut für Literatur "Johannes R. Becher" in Leipzig und lebten seit 1962 als freischaffende Künstler in Bad Freienwalde. Gemeinsam schrieben sie Kinder- und Jugendbücher und gründeten 1964 in Bad Freienwalde und im Bezirk Frankfurt/Oder Zirkel schreibender Schüler, die immer noch bestehen. Ihre Bücher erreichten insgesamt eine Auflage von 1,6 Millionen, in über 3 Millionen Anthologien sind Beiträge von ihnen enthalten.

Am 27. April 2003 verstarb Hildegard Schumacher.

Siegfried Schumacher lebt gemeinsam mit der Familie seiner Tochter in Bad Freienwalde und ist Ehrenbürger seiner Heimatstadt. Die Allgemeine Förderschule Angermünde trägt seit 2003 seinen Namen.

Hidegard und Siegfried Schumacher erhielten den Alex-Wedding-Preis, den Kleist-Preis der Stadt Frankfurt/Oder und den Kunstpreis der FDJ.

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