True Love

NYC Novel #6 – Experience Blues

Kiki Aster und Charles Krzysztof sterben im Kugelhagel. Der Täter scheint schnell gefunden. Das Model und der Galeriebesitzer wurden zum Opfer eines klassischen Tatmotivs: Eifersucht. Der Ex-Ehemann und Basketballstar Robert Powell soll die tödlichen Schüsse abgegeben haben. Dessen Alibi ist dünn, und sein Wagen mit dem auffälligen Kennzeichen 3PTLAND wurde zur Tatzeit am Tatort gesehen. Für das Cop-Duo Janet Truelove und Mabel Segura scheint der Fall eindeutig zu sein. Doch Powells offenkundige Vorliebe für rothaarige Luxus-Callgirls und harte Sex-Spiele bringen die Cops auf eine ganz andere Spur, und die führt direkt zum organisierten... alles anzeigen expand_more

Kiki Aster und Charles Krzysztof sterben im Kugelhagel. Der Täter scheint schnell gefunden. Das Model und der Galeriebesitzer wurden zum Opfer eines klassischen Tatmotivs: Eifersucht. Der Ex-Ehemann und Basketballstar Robert Powell soll die tödlichen Schüsse abgegeben haben. Dessen Alibi ist dünn, und sein Wagen mit dem auffälligen Kennzeichen 3PTLAND wurde zur Tatzeit am Tatort gesehen. Für das Cop-Duo Janet Truelove und Mabel Segura scheint der Fall eindeutig zu sein. Doch Powells offenkundige Vorliebe für rothaarige Luxus-Callgirls und harte Sex-Spiele bringen die Cops auf eine ganz andere Spur, und die führt direkt zum organisierten Verbrechen im Spielerparadies Atlantic City.



Zweifelsohne ließ sich Jerry Oster von dem spektakulären Mordfall O. J. Simpson inspirieren. So finden in »True Love« sowohl die Anhänger reiner Krimi-Action als auch die auf Tiefe bedachten Intellektuellen, die im Genre des Kriminalromans einen Reflex der realen Welt suchen, faszinierenden Lesestoff. Vielfältige Handlungsstränge laufen wie Fäden einer Spinnmaschine zusammen und kulminieren in einem furiosen Höhepunkt. Die Komplexität und stilistische Raffinesse machen den Reiz dieses Romans aus, und so collagiert er die zersplitterten Elemente des Großstadtlebens zu einem raffiniert komponierten Sittengemälde.



»In Jerry Osters grotesken Kriminalromanen ist New York ein Alptraum mit Klimaanlage.«

Männer Vogue (GQ)



Direkt vor Tony Dantes Haus war eine Parklücke frei, aber ein Subaru-Kombi bog vor Tonys Dodge Daytona in die Garden ein und schnappte ihm die Lücke vor der Nase weg.

»Kratz ab, Yuppie-Abschaum«, knurrte Tony und sah beifallheischend Angela Palermo an, die in schwarzem Mikromini, roter Seidencorsage und schwarzen Plateauschuhen neben ihm auf dem Beifahrersitz saß.

Angela lachte und schob eine Hand zwischen Tonys Schenkel. »Kratz ab, Yuppie-Abschaum«, wiederholte sie.

»Kratz! Ab! Yuppie! Abschaum!« Tony legte sich im Takt seiner Worte auf die Hupe.

Angela klatschte mit. »Kratz! Ab! Yuppie! Abschaum!«

Die Parklücke zu verlieren bedeutete, den ganzen Weg bis zur Jefferson zurückfahren und die Suche durchs ganze Viertel von vorne anfangen zu müssen. »Sonntagabends ist es immer die Hölle«, knurrte Tony. »Alle sind zu Hause, keiner ist unterwegs.«

Angela drückte Tonys Bein. »Wo du recht hast, hast du recht. Sonntags ist’s immer die Hölle.«

Tony bog links auf die Jefferson ein, und einfach so war er da, direkt hinter der Stoßstange von Robert Powells silbernem Benz, gar keine Frage, das war das von Küste zu Küste bekannte und berühmte Nummernschild: 3PTLAND

»Heilige Mutter Gottes! Siehst du den geilen Benz da, Ange?«

Angela legte auf diese Art ihren Zeigefinger an die Lippen, die Tony echt wahnsinnig machte, es war, als würde sie den Rauch aus dem Lauf einer Kanone blasen, mit der sie eine Supermutter weggeputzt hatte, die Tony anbaggern wollte. »Du hast ja so recht, Tony. Geile Karre.«

»Nicht nur das, Babe. Schmeiß mal nen Blick aufs Nummernschild.«

Angela hob auf diese umwerfende Art ganz langsam ihre Nase, dass Tony sie am liebsten von oben bis unten abgeleckt hätte. Es war, als würde sie voller Verachtung die Supermutter taxieren, die nicht wusste, dass Angela auch noch da war, als würde sie der Supermutter auf die Schulter tippen und sagen: »Jaaa?« Angela demontierte das Nummernschild: »… Drei … Pttt … Drei Pott Land?«

»Drei–Punkte–Land«, sagte Tony. »Drei–Punkte–Land. Das ist Robert Powells Karre, Babe. Robert Powell, der König der Dreier, der Duke der Wegputzer, der Prinz der Feldlinien. Absolut obergeil ist das.«

»Du hast ja so recht«, sagte Angela. »Wenn das da Robert Powells Karre ist, dann ist das so was von absolut obergeil.«

»Nicht, wenn, Babe«, korrigierte Tony. »Nicht, wenn. Vertrau mir. Das ist abso-geilo-lut Robert Powells Karre.«

Tony bog nicht zu einer weiteren Runde durchs Viertel links auf die Ninth Street ab. Er blieb auf der Jefferson, blieb direkt hinter dem Benz, versuchte durch die getönte Heckscheibe was zu erkennen.

»Die Frage ist nur: Was zum Geier hat der King im ’Boken zu suchen?«, sinnierte Tony laut. »Hat er sich vielleicht verfahren, oder was?«

»Wo du recht hast, hast du recht, Tony«, meinte Angela. »Wenn der King im ’Boken ist, dann muss er sich wohl verfahren haben.«

»Kannst du einen drauf lassen.« Tony klopfte mit der Faust auf den Schaltknüppel. »Kannst du voll einen drauf lassen. Jede Wette, der ist aus dem Tunnel gekommen, sucht die Turnpike, weiß nicht, dass er die Route 9 nehmen muss, lange Rede, kurzer Sinn, und schwupps ist er im ’Boken gelandet. Jede Wette war’s so. Ich wette, so war’s.«

»Er hat die Turnpike gesucht«, sagte Angela einfach.

»Aber er fährt die Küste runter«, sagte Tony. »Er hat eine Bude unten an der Küste. In Spring Lake. Auf der anderen Seite von Asbury. Auf der anderen Seite von Bradley Beach und alles. Eine Villa. Da hängt er immer ab mit, du weißt schon, Denzel Washington und den ganzen Typen. Mit Ice T, Toni Braxton und so Leuten. Lange Rede, kurzer Sinn, ich mach jede Wette, genau dahin will er jetzt.«

»Überhaupt keine Frage, dass er jetzt die Küste runterfährt, um mit Toni Braxton zu chillen«, bestätigte Angela.

Als sie sich einer roten Ampel am Observer Highway näherten, debattierte Tony ernsthaft mit sich, ob er aussteigen, zu dem Benz rüberflitzen, an die Scheibe klopfen und Robert Powell um ein Autogramm bitten sollte. Aber a) hatte Tony weder Papier noch Kuli oder Bleistift oder sonst irgendwas zur Hand, und b) hielt Robert Powell nicht vor der roten Ampel, er tippte nur einmal kurz auf die Bremse, dann ließ er den Benz weiter über die Kreuzung gleiten.

»Scheiße, häh? Ich meine, wenn der nicht hält, dann halte ich auch nicht«, sagte Tony. »Ich meine, hab ich recht oder hab ich recht?«

»Absolut, Tony«, sagte Angela. »Wo du recht hast, hast du recht. Scheiß doch drauf. Halt nicht an.«

Obwohl Angela Palermo, also, die echte Angela Palermo, nicht mal in der Nähe des Beifahrersitzes von Tony Dantes Dodge Daytona war, sie war nämlich bei ihrem Mann, Paul Dante, Tonys verschissenem Bruder, eine Meile weit weg und sechs Stockwerke über der Erde in einer Wohnung an der Hudson Street, machte Tony trotzdem genau das, wozu sie ihn anfeuerte, und er glitt ebenfalls über diese Kreuzung und folgte Robert Powells Benz ins finsterste Jersey City.



Zwei Stunden später knirschte Robert Powells Benz mit gelöschten Scheinwerfern über den angewehten Sand auf einem Parkplatz in Ocean Grove und fuhr bis direkt an die hölzerne Uferpromenade. Der Motor wurde ausgeschaltet, und dann stand der Wagen einfach da, die teure Karosserie knackte beim Abkühlen, auf den teuren Lack peitschte Sand und vom Wind mitgerissene Gischt, als wäre er den ganzen weiten Weg allein deswegen gekommen und wollte jetzt nicht mehr weiterfahren, nein, danke, nicht an so einem miesen Abend wie diesem, noch keine Woche nach dem Labor Day, aber trotzdem war’s schon wie im Herbst, also, praktisch schon so wie im Winter.

Zwanzig Minuten stand der Wagen einfach nur da.

Dann ging schließlich die Fahrertür auf, und Robert Powell stieg aus, seine vollen zwei Meter. Er warf die Tür hinter sich zu, verriegelte sie mit einer lässigen Bewegung der Fernsteuerung und erklomm die Stufen hinauf zur Uferpromenade. Der Wind fuhr unter seinen langen Trenchcoat und blähte ihn auf. Powell überquerte die Promenade und blieb am Kopfende der hinunter auf den Strand führenden Treppe stehen. Er schaute nach links, er blickte nach rechts, sah wieder nach links und ging schließlich die Treppe hinunter.

Es war Nippflut mit geringem Wasserstand, und Robert Powell trat aus dem Lichtkegel der Straßenlaterne oben auf der Uferpromenade, ging hinunter bis zur Hochflutlinie, hinunter bis zum nassen Sand, hinunter zum Atlantik, hinunter in die Nacht, weiter hinaus auf die Mole aus dicken Steinplatten und Felsblöcken, weiter hinaus Richtung Europa oder Afrika oder was immer da draußen liegt.

Die Steinplatten und Felsblöcke waren wasserschlüpfrig, schleimschlüpfrig, und auch wenn er vorsichtig auf Zehenspitzen bis ans Ende der Mole ging, rutschte Robert Powell doch einmal aus und stürzte zunächst um ein Haar, stürzte dann tatsächlich, fiel hart auf die linke Hüfte, den linken Ellbogen. Langsam richtete er sich wieder auf, erinnerte für einen Augenblick an eine zwei Meter große Spinne, die Finger ausgestreckt und auf den Steinplatten und Felsblöcken nach Halt suchend, nach Balance, während sich die Beine langsam durchdrückten, der Rücken sich krümmte, sein Nacken sich beugte.

Dann stand Robert Powell wieder in voller Größe da und tastete seine linke Seite ab. Er holte tief Luft und setzte den Weg bis ans Ende der Mole fort. Dort hatte er es urplötzlich ungeheuer eilig, nahm etwas aus der Tasche seines Trenchcoats und warf es weit hinaus ins Meer.

Während er von seinem Beobachtungsposten unter der Uferpromenade zuschaute, wohin er von seinem Daytona aus gekrochen war, den er nicht auf dem Parkplatz abgestellt hatte, sondern auf der Straße, auf der anderen Straßenseite, vor dem Nachbau eines Hauses im viktorianischen Stil, wurde Tony Dante durch Robert Powells Wurf an so ungefähr den berühmtesten 3–Punkte–Wurf erinnert, den der König der Dreier je hingelegt hatte, vielleicht war’s ja sogar der berühmteste 3–Punkte–Wurf aller Zeiten. Gegen keinen geringeren Gegner als die verschissenen Knicks, die Mannschaft von Tonys verkacktem Bruder, und noch dazu immerhin im Square Garden, nur noch sieben Zehntelsekunden zu spielen, die verschissenen Knicks mit zwei Punkten vorne, die mussten nichts anderes mehr tun, als die wenige Zeit bis zum Abpfiff mit Laufen abreißen, und da streckt Robert Powell eine Hand aus, nimmt keinem geringeren als Derek Harper die Pille ab, wirbelt herum, bringt den Ball völlig cool auf den Weg, hat überhaupt keine Eile, macht’s lässig mit einer Hand, ein gerader Wurf mit gestrecktem Arm über Kopf, wie ein Quarterback beim Football oder ein Baseball-Rightfielder, der den langen Wurf zum dritten Base macht, lässt das Ding über drei Viertel des Spielfelds fliegen, schlägt ihn hoch bis irgendwo unter die Dachsparren, vorbei an den Transparenten und Trikots der ehemaligen verschissenen Knicks, dann kommt der Ball wieder runter runter runter, von ganz weit oben, und segelt genau in den Korb, wuschschsch, jaaaa, nada als Netz. Pashas eins-zehn, Knicks eins-null-neun. Lies es und heul doch!

Aber es gab einen Unterschied. Diesen Ball pfefferte Robert Powell mit absoluter Gewissheit, was das Ziel betraf. (Tony war natürlich nicht dabei gewesen. Er wäre nicht mal dann in den Square Garden gegangen, wenn er eine Karte hätte kriegen können, für den Fall nämlich, dass er zufällig seinem verkackten Bruder in die Arme lief, der manchmal Karten von einem Typen kriegte, mit dem er kegeln ging, ihm dort mit Angela Palermo in die Arme lief, wo er sich dann Typen ansehen musste, die sie anglotzten und dachten, Maaann, ich hätt’ überhaupt nichts dagegen, wenn die sich mal auf mein Gesicht setzt, die Tony anglotzten und dachten, Was zum Geier hat der Typ, dass die sich auf sein Gesicht setzt, was hat er gemacht, hat er im Lotto gewonnen oder was, muss wohl, dieser Scheißkerl von einem Glückspilz. Aber für ihn war’s genauso, als wäre er dabei gewesen. Er hatte das Video mit den Höhepunkten des Spiels oft genug gesehen, er hätte genauso gut dabei gewesen sein können. Den Leuten erzählte er immer, dass er dagewesen war – scheiß doch der Hund drauf, wer will was anderes behaupten?) Robert pfefferte diesen Ball mit absoluter Gewissheit, was das Ziel betraf, er dröhnte das Ding ab und wusste einfach, dass er glatt durch den Korb segeln und zu ihm zurückkommen würde, zurück genau in seine Hände, hat überhaupt nichts mit Zauberei zu tun oder so, es ist einfach, du verstehst schon, irgendwer schnappt sich die Pille und gibt sie dem Prinz der Feldlinien, damit er sie sich auf den Kamin stellen kann oder weiß ich, er könnte sie sich bronzieren lassen oder irgendwas, Der–Ball–von–einem–der–längsten–3–Punkte–Würfe–aller–Zeiten–wenn–nicht–sogar–der–längste–jemals–geworfene oder so was.

Das Ding jedoch, das Robert Powell in den Atlantik pfefferte, was immer es nun war, unmöglich zu sagen für Tony Dante, wie er sich da unter die Uferpromenade quetschte und mit zusammengekniffenen Augen in die Schwärze stierte, dieses Ding pfefferte Robert Powell, als wollte er es in seinem ganzen Leben nicht mehr wiedersehen.



Jerry Oster ist am 22.01.1943 in Carlsbad, New Mexico geboren, kommt als Zehnjähriger nach New York, besucht die Highschool, geht später auf die Columbia University, wo er Englische Literatur im Hauptfach studiert. Danach hat er einen Job bei United Press International News Service, dann bei Reuters und schließlich bei den New York Daily News. Ein Journalist, ein Mann wie manche seiner Protagonisten. Jerry Oster war Polizeireporter, hat unzählige Tatorte aufgesucht und über alle möglichen Verbrechen geschrieben.
1980 erscheint mit »Port Wine Stain« sein erster Krimi. Der Durchbruch gelingt 1985 mit dem Roman »Sweet Justice«, der von der Kritik sehr positiv aufgenommen wird. Trotz durchweg guter Besprechungen löst Osters amerikanischer Verlag 1992 seinen Vertrag mit dem Autor. Danach sind weitere Romane dank des großen Engagements seines damaligen deutschen Verlags Rowohlt zumindest auf Deutsch erschienen.
Sein Lektor Peter Hetzel verglich Osters kunstvoll komponierte Gesellschaftspanoramen mit einer Bemerkung, die George Grosz über New York machte: »Alles dörrt, siedet, zischt, grölt, lärmt, trompetet, hupt, pfeift, rötet, schwitzt, kotzt und arbeitet.«
Oster ist ein wahrer Meister darin, seine Plots mit scheinbar sinnlosen Ab- und Ausschweifungen auszuschmücken, die dann in ihrer Summe ein atmosphärisch dichtes und plausibles Gemälde dieses »Kolosses unter den Städten« und der dort lebenden Menschen ergeben.

Jerome Oster starb am 26.01.2020.

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