Zwischen Barrikade und Bühne
Gedichte 1920 - 1933
Widerstand in Reimform – Gedichte aus der Zeit des Umbruchs
Zwischen Revolution und Repression, zwischen Hoffnung und Unterdrückung – Erich Weinerts Gedichte aus den Jahren 1920 bis 1933 geben einer bewegten Zeit eine Stimme. Mit scharfem Witz, satirischem Biss und kämpferischer Entschlossenheit stellt sich der Dichter den sozialen Verwerfungen der Weimarer Republik entgegen. Seine Verse sind mehr als politische Stellungnahmen – sie sind ein leidenschaftliches Plädoyer für Gerechtigkeit, Solidarität und Menschlichkeit. Dieses E-Book versammelt eine Auswahl von Gedichten, die heute aktueller wirken denn je: als literarische Zeugnisse eines Dichters im Kampf für eine bessere Welt.
Der Akadem
Republikanischer Abend
Von allerhand Tieren
Der Gottesgnadenhecht
Elegie eines Militäranwärters
Sozialdemokratisches Mailiedchen
Das Antisemeeting
Die große Zeit
„Deutsche Tage“
Haarmann*
Der Sittenzensor
Liedchen für den Verfassungstag
Zeitgenossen
Der Kriegerverein feiert Denkmalsweihe
Der Herr Oberlehrer
Rassenchemie
Ein neuer Verein
Fürstenaufwertung
Das Teltower Königsschießen
Zitzewitze
Lustbarkeitsgesetz
An die Soldaten der Freiheit
Achtung! Der Plumpsack geht um!
1914 1925
Herr Stresemann*
Der rote Feuerwehrmann
Kronprinzessinnenbesuch in Banzin
Der Stammtisch
Oberlehrers Sonntagnachmittag
Walter Kornfrank – eine sächsische Revolutionsballade
Studenten
Zum ersten Mai
Hindenburg besucht eine Schützengilde
Es spukt am Brandenburger Tor
Das Evangelium im Urwald
Literarische Porträts I
Die dementierte Republik
„Wenn die Soldaten …“
Nur nicht kleinlich
Der Republik zum achten Geburtstag!
Wohltäter
Die Herren Genossen
Geografie
Journalisten
Der Akademokrat
Abteil dritter Klasse
Autorenabend in Berlin W
Der ewige Wandervogel
Duisburger Bilderstürmer
Prinzenvisite im Haag
Die Internationale der Großschieber
Sehr richtig!
Die Schund- und Schmutznase*
Der Reichsanwalt greift ein
Vom badischen Hofe
Wiener Blut
Wiener Scheibenschießen
In Boston spukt’s“
Die Abrüster
Republikanische Rangordnung
Genfer Kauderwelsch
Der heimliche Aufmarsch
Diktatoren
Fünfzigtausend zu viel
Krieger in Berlin
Das Parlament
Die Herrenpartie
Der Diskussionsapostel
Mein Staatsanwalt
An die Armeen Europas
Lehrfreiheit
Die Herren der Welt
Femesoldatenlied
Literarische Porträts II
Am 15. Juli 1928
Müller* in Genf
Was blasen die Trompeten…
Genfer Frühstück
Das Lied von der roten Fahne
Der Richter von Schweinfurt
An einen Genossen
Proletarier-Neujahr
Der Schnellrichter
Gruß aus München
Gesang der Rotationsmaschinen
Noske träumt
Ein teures Andenken
Auf ein Bild vom Volkstrauertag
Für unser Geld
Wie hetze ich erfolgreich?
Die Reichswehrlakaien
„In würdigem Rahmen!“
Das Wunder vom 1. Mai 1929
Gustav Kulkes seliges Ende
Der Verbindungsmann
Der königliche Besuch
Auf ein Bild: Als der Böß auf unsere Kosten den Walker in Neuyork besuchte …
Das alte Militärpferd
An die Young-Plan-Protestierer
Der Porzellanhändler
Kriegsausbruch
Stört den friedlichen Aufbau nicht!
Herr Chefredakteur spricht zum Stabe
Der preußische Wald
Le bon Bourgeois
Die Krankenkasse
Lied der Pflastersteine
Die Überraschung
Das Lied von der Rationalisierung
Nazipastor Münchmeyer
In Wien herrscht Ordnung
Der humane Strafvollzugsarzt
Der Hungermarsch
Das Lied vom Abbau
Die letzte Rettung
Männerstolz
Arbeitslose
Wachtmeister Schurig zum Rapport
Was sie beim nächsten Kriegsausbruch dichten werden
Die Mördergrube
Ferientag eines Unpolitischen
Gesang der Edellatscher
Korps in Wichs
Potsdamer Amazonenparade
An die Geistesarbeiter
Der Kriegsblinde sitzt am Straßenrand und singt
Was sagt ihr zu § 218?
Gut gebrüllt, Löbe!
§ 253
Die Commune von Paris
Da muss erst ein Prinz kommen!
Sportklub Groener
Ballade vom Young-Plan
Exmittiert
Heilige Heimat
Landbunditen
Schundfunk
Alltägliche Ballade
Tschiang Kai-schek
Eine treue Gefolgschaft
Untersuchungsmethoden
2 4 Zentner Lachen!
Die Schupo macht Platzkonzert
Der gute Richter
Justiz in Amerika
Matuschka
Helles Lied aus dem dunklen Hof
Kriegsverräter
Der Bauer
Eine Zündholzschachtel erzählt
Ein übereilter Schritt
„Mit Ausnahme der Kommunisten“
Der große Flicklappen
Deutsche Sittlichkeit
Restaurationsbetrieb eröffnet
Wer ist der Nächste?
„Im Namen des Teufels“
Die Kaserne winkt
Kinderaugen sehen dich an
Ein schöner Charakterzug
Ansprache im November
Ein Wort ins Ohr
Alles für dein Geld!
Wie soll man das sonst verstehen?
Die Unerbittlichen
Die „Rote Fahne“ spricht
Ballade von der gebrochenen Zinsknechtschaft
Die viel begehrte Republik
Der Kaktusverein
Hellseherei
Ein Ochse meldet sich zum Wort
Fall Hentsch
Ein aufbauwilliger Film
Das Lied vom roten Pfeffer
Schanhaikwan
Von allerhand Tieren
1921
Einst hatt’ ein Löwe sein Getier versammelt
Und hatte lange und ergrimmt
Im Gottesgnadenton gestammelt
Und schließlich feierlich bestimmt:
Man müsse sich zum heilgen Kriege rüsten,
Zur Rettung der Nation und Dynastie!
Da scholl bewegt aus Untertanenbrüsten
Ein Hoch dem Kriege und der Monarchie.
Da stiegen alle Esel von Kathedern
Und zeigten militärische Allüren.
Die Füchse spitzten ihre Gänsefedern
Und schrieben Leitartikel und Broschüren.
Der Löwe schrieb: „An meine braven Schafe!
Der König ruft! Erwacht aus eurem Schlafe!
Verkennt den Ernst der großen Stunde nicht!“
Da taten auch die Schafe ihre Pflicht.
Sie stürmten wild an ihre Landesgrenzen,
Dem Feind die Hörner in das Herz zu bohren.
Im Lande blieben die Intelligenzen
Als unabkömmliche Kulturfaktoren.
Die Esel stiegen wieder aufs Katheder
Und sprachen von heroischer Verklärung.
Die Schweine handelten mit Fett und Leder
Und garantierten so die Volksernährung.
Die Geier stürzten sich auf die Tribute
Und schufen mit den Wölfen Syndikate.
Die Schafe aber zahlten treu dem Staate
Mit ihrer Wolle und mit ihrem Blute.
Man schreit hurra. Es hagelt nur von Siegen.
Rein überschaflich sind der Schafe Kräfte.
Die Wälder füllen sich mit Beutezügen,
Und alle Welt macht glänzende Geschäfte.
Die Wölfe schmücken sich mit hohen Orden,
Die Schweine werden schier zum Platzen mollig.
Doch nur die Schafe scheinen nicht mehr wollig
Und sind erheblich magerer geworden.
Das ganze Hammelvolk kam auf den Hund.
Die Sache hatte einen tiefren Grund:
Das Schweinevolk in höhren Positionen,
Das fraß begeistert doppelte Rationen.
Doch so was war den Schafen selbst zu bunt.
Und eines Nachts ist plötzlich alles stumm,
Die satten Bäuche fahren aus dem Schlafe:
Die Hammelschaft dreht die Gewehre um
Und konstituiert die Republik der Schafe.
Da flohn die Heimathelden in die Wälder.
Der Löwe selbst verschwand im Siegerkranz.
Das Schweinevolk versteckte seine Gelder.
Man zitterte vor jedem Lämmerschwanz.
Nun fühlten sich, von Etsch bis Belt,
Die Schafe über alles in der Welt.
Dann gaben sie, als einig Volk von Brüdern,
Für jedes Raubtier volle Amnestie.
Das kroch sogleich heran, sich anzubiedern,
Und predigte von Gleichheitsharmonie.
Es wandelte wie Schafe unter Schafen
Und huldigte Verfassungsparagrafen.
Gefallen waren die sozialen Hürden;
Und Wölfe, Esel, Geier, Schweine
Bekamen wieder Amt und Würden
Und gaben wieder jedem Schaf das Seine.
Der Oberhammel sprach zu seinen Heeren:
„Wir brauchen nichts als unsers Leibes Nahrung.
Die uns regieren, haben die Erfahrung.
Drum lasst euch nur verfassungsmäßig scheren!“
Da wurden gleich die Esel wieder keck,
Die Schweine wurden wieder fett und fetter,
Die Füchse schufen nationale Blätter,
Und selbst der Löwe kroch aus dem Versteck.
Die Wölfe trugen Orden auf den Lenden,
Die Geier schluckten hohe Dividenden.
Und eh man sich versehn, war weit und breit
Auf einmal wieder gute, alte Zeit.
Und auch die Wölfe hatten unterdessen,
Wo sie als Staatsanwälte figuriert,
So manchen armen Hammel aufgefressen,
Der einst für Hammelfreiheit agitiert.
Die Schafe lagen bei den Wiederkäuern
Und kauten Gras und zahlten ihre Steuern.
Und riss zuweilen eine Lammsgeduld,
Dann rief das Oberschaf: „Nur kein Tumult!
Ertragen wir mit Würde Gottes Strafe,
Denn wir sind auch nicht ohne Schuld.“
Das sahen denn die treuen Lämmer ein,
Die nichts verstehn und alles gern verzeihn,
Und kehrten heim zum großen Dauerschlafe.
Es waren eben veritable Schafe!
Der rote Feuerwehrmann
1925
Für eine politische Revue
Hallo, hier geht es drauf und dran!
Wo brennt’s im Land? Wo wackelt die Wand?
Ich bin der rote Feuerwehrmann!
Wir halten stand, den Hydrant in der Hand!
Wo ist Alarm? Immer umgeschnallt!
Wem ist zu warm? Dem geb’ ich kalt!
Wo die vaterländische Flamme blakt,
Wo die Schupo auf die Proleten drescht,
Da wird ‘rangehakt,
Da wird gelöscht!
Wo’s quiemt in der deutschen Kaffeemütze
Vor lauter Kriegsbegeisterungshitze,
Immer ‘ran mit der Spritze!
Wo sich die Stahlhelmkadetten besaufen
Für Kirche und Kapital,
Da nehmen wir sie untern kalten Strahl!
Da lernen sie laufen!
Achtung, wer hier mit dem Feuer spielt,
Der wird abgekühlt!
Die Fratzen mit den Etappenmonokeln,
Die sollen uns nicht die Bude verkokeln!
Straße frei! Wir rücken an!
Platz für den roten Feuerwehrmann!
Bei Tag und Nacht geht’s feste ‘ran!
Mit Herz und Hand! Da wackelt die Wand!
So lebt der rote Feuerwehrmann,
Mal durchgebrannt und mal abgebrannt!
Wer unsre Fahne in Brand gesteckt,
Dem schlagen wir die Fassade ein!
Wir sind Soldaten ohne Respekt
Und wollen es sein!
Wir pfeifen auf jede Ordnungsstütze!
Und qualmt der Spießer aus jeder Ritze,
Immer ‘ran mit der Spritze!
Wo es mufft nach altem Weihrauchduft,
Da machen wir frische Luft!
Der Ministerbonze mit Ordensschmuck,
Der kriegt eins auf den Zünder!
Ein Strahl mit drei Atmosphären Druck!
Immer ‘runter mit dem Zylinder!
Mit Gott für König und Vaterland?
Jawohl, mit dem Beil in der Hand!
Nur keinen blinden Alarm gezogen!
Sonst werden die Fensterscheiben verboten!
Straße frei! Wer hat, der kann!
Platz für den roten Feuerwehrmann!
Mal geht es los, mal fängt es an!
Dann kommt der Krach! Da wackelt das Dach!
Hallo, der rote Feuerwehrmann!
Den ersten Schlag! Immer feste nach!
Paläste stürzen, die Straße brennt!
Es qualmt und stinkt im Parlament!
Wie stehn die Kurse? Die Börse brennt!
Letzte Notierung! Die Welt ist kaputt!
Bis zum letzten Prozent
Alles Dreck und Schutt!
Das Zuchthaus brennt, es brennt die Kaserne!
Sprengkapseln ‘ran! Hier krachen Konzerne!
Die Menschenschinder an die Laterne!
Wir schlagen die alte Welt in Stücke!
Und wenn die letzte Zwingburg fällt,
Dann rauf auf die Trümmer, und ‘ran mit der Picke!
Dann bauen wir uns eine neue Welt!
Straße frei! Wer fängt hier an?
Platz für den roten Feuerwehrmann!
Es spukt am Brandenburger Tor
1926
1914
Tatütata! Was rasselt daher?
Die Wache raus! Die Wache spritzt!
Achtung! Präsentiert das Gewehr!
Tatütata! Vorbeigeflitzt!
Es gespenstert Unter den Linden.
Gerüchte aus allen Winden!
Kasernenalarm! Depeschen aus Wien!
Tatütata! Majestät in Berlin!
Man spitzt das Ohr.
Was geht hier vor?
Es spukt am Brandenburger Tor!
1918
Straße frei! Was knattert daher?
Matrosen stellen sie an die Wand.
Von oben spritzt das Maschinengewehr.
Der Kaiser, der Kaiser ist durchgebrannt!
Und hinter zerlumpten Muschkoten
Gespenstert das Heer der Toten.
Hurra, die rote Fahne weht!
Schützenfeuer! Zu spät! Zu spät!
Schon rückt es vor,
Das Gardekorps!
Es spukt am Brandenburger Tor!
1920
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Was rattert heran im Morgenrot?
Generalattacke! Die Nacht verrinnt!
Laden und Sichern! Der Lüttwitz* droht!
Es geht ein heimliches Wehen
Durch alle Siegesalleen.
Die kaiserlichen Banditen ziehn.
Haubitzen donnern über Berlin.
Zu Befehl, Herr Major!
Was geht hier vor?
Es spukt am Brandenburger Tor!
1925
Die Fahnen raus! Was tutet daher?
Achtung! Der neue Herr Reichspräsident!
Da spaliert das deutsche Altweiberheer
Und die Knüppelgarde der fünfzig Prozent.
Der Marschall schwenkt den Zylinder.
Da blöken Greise und Kinder.
Ganz ferne klingt es wie Trommelschall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall.
Man brüllt im Chor.
Was geht hier vor?
Es spukt am Brandenburger Tor!
19-?
Tatütata! Was rasselt daher?
Die Wache raus! Die Wache spritzt!
Achtung! Präsentiert das Gewehr!
Tatütata! Vorbeigeflitzt!
Es gespenstert Unter den Linden.
Die Staatssymbole verschwinden.
Tatütata! Was rasselt daher? –
Wer war denn das? – War das nicht ER?
Was geht hier vor?
Es geht was vor!
Es spukt am Brandenburger Tor!
* Lüttwitz – am Kapp-Putsch beteiligter General der republikanischen Reichswehr.
Erich Weinert (1890–1953) war ein deutscher Schriftsteller, Satiriker und politischer Lyriker. Geboren in Magdeburg, wurde er früh durch seinen sozialdemokratisch gesinnten Vater geprägt. Nach einer Ausbildung als Zeichenlehrer diente er im Ersten Weltkrieg und wandte sich danach künstlerischen und politischen Themen zu.
In den 1920er-Jahren machte er sich mit beißend satirischen Gedichten und Kabaretttexten einen Namen. Er war eng mit der kommunistischen Bewegung verbunden, trat 1929 der KPD bei und schrieb für die Rote Fahne. Seine Zusammenarbeit mit Hanns Eisler und Ernst Busch brachte Lieder hervor, die bis heute bekannt sind, etwa Der heimliche Aufmarsch.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging Weinert ins Exil, zunächst nach Paris, dann in die Sowjetunion. Er schloss sich den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg an und war später in Moskau als antifaschistischer Propagandist tätig. 1943 wurde er Präsident des Nationalkomitees Freies Deutschland.
Nach dem Krieg kehrte er schwer erkrankt nach Ost-Berlin zurück und engagierte sich für den kulturellen Wiederaufbau. Neben seinen eigenen Werken veröffentlichte er Übertragungen ukrainischer Dichter wie Schewtschenko und Franko. Er starb 1953 und wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin beigesetzt.
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- Artikel-Nr.: SW9783689125295458270
- Artikelnummer SW9783689125295458270
-
Autor
Erich Weinert
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 624
- Veröffentlichung 27.06.2025
- ISBN 9783689125295
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