Wuhan Diary - wie eine Frau aus Wuhan Corona erlebte

Es fällt schwer, eine Einleitung zu dieser Rezension zu finden, denn die weltweite Coronapandemie-Lage ist immer noch sehr dynamisch. Das nach aktuellem Stand ursprünglich in China aufgetauchte Virus hat inzwischen die ganze Welt im Griff - täglich gibt es neue Infiziertenrekorde. Mit dem Corona-Tagebuch Wuhan Diary geht es zurück in eine Zeit, die aus heutiger Perspektive schon lange zurückzuliegen scheint: Die Zeit, in der das Virus in China ausbrach.

Fang Fang ist in China keine unbekannte Schriftstellerin. Dass ihr Blog allerdings so bekannt werden würde, hätte die 65-jährige nicht erwartet, als sie am 25. Januar mit ihren Aufzeichnungen begann. Eigentlich wollte Fang Fang sich nur ihre Erlebnisse von der Seele schreiben: ungeschönt und unzensiert. Dass ihre Schilderungen aus der vollkommen abgeriegelten Stadt Wuhan aber einen Nerv treffen, wird schnell klar, denn neben vielen Wuhanern, die ihre täglich kurz vor Mitternacht veröffentlichten Einträge verfolgen, erhält sie auch Drohungen und Beschimpfungen.

Fang Fang lässt sich davon allerdings nicht abhalten und führt bis zum 24.03. Tag für Tag ihr Tagebuch weiter. Dass Hoffmann und Campe es geschafft hat, die Tagebucheinträge bereits am 30. Mai als Druckausgabe zu veröffentlichen, ist keine schlechte Leistung. Vor diesem Hintergrund kann man sicher auch darüber hinwegsehen, dass sich ab und an kleine Rechtschreib- oder Grammatikfehler finden lassen, die ein Lektorat mit ein wenig mehr Zeit noch gefunden und korrigiert hätte.

Insgesamt ist Wuhan Diary keine leichte Kost. Trotz nur rund 350 Druckseiten habe ich fast zwei Wochen für Fang Fangs Aufzeichnungen gebraucht. Immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen, da die geschilderten Ereignisse bedrücken. Zwar gab es in Deutschland keine strikte Abriegelung wie in China, doch das Virus ist überall gleich gefährlich.

Wuhan Diary kein reißerischer Katastrophenbericht: „Solange man nicht krank wird, geht alles seinen gewohnten Gang. Wuhan ist keineswegs die Vorhölle, als die sie sich manche vorstellen […].“ (Auszug aus: Fang Fang (2020). Wuhan Diary. E-Book-Ausgabe)

Immer wieder wird auch das alltägliche Leben beschrieben, das geprägt ist von einfachen Sorgen: Wie komme ich an Essen und Masken? Wie erhalte ich meine Medikamente? Auch in Wuhan, das im Ausnahmezustand lebte, gibt es immer noch einen kleinen Rest Normalität. Auch für Fang Fang, denn als Schriftstellerin sitzt sie in ihrem Häuserblock fest. All ihre Blogeinträge basieren auf Informationen, die ihr zugetragen werden. Sie ist Wuhanerin durch und durch und hat viele Bekannte, von denen sie ihre Informationen erhält. Darunter sind nach ihren Angaben auch Ärzte, sodass sie auch von der aktuellen Lage im Krankenhaus berichten kann. Gerade hier setzen allerdings auch ihre Kritiker an: Sie gebe nur wieder, was ihr erzählt wird und habe keinerlei Beweise! Fang Fang macht diese Kritik an ihr und die Bedrohungen schließlich auch zum Thema ihrer Blogeinträge.

Die Schilderung der Lage wird immer stärker durchdrungen durch Kritik an der Regierung und dem Krisenmanagement. Fang Fang kritisiert insbesondere, dass zu Beginn die Gefahr des Virus bekannt war, aber heruntergespielt wurde. Deshalb fordert sie, die Verantwortlichen dafür zu finden - auch, um das Vertrauen in den Staat wieder zu stärken.

Unabhängig von jeglichen Bewertungen zum Krisenmanagement zeigt Wuhan Diary eindrücklich die Gefahr, das Corona-Virus zu unterschätzen. Das Virus arbeitet lange verborgen im Untergrund, und wenn es sich bemerkbar macht, ist es schon zu spät. Dann rutscht eine Gesellschaft in eine Dynamik, in der die Krankenhäuser überlastet sind und auch Ausgangssperren erst nach längerer Zeit helfen, die Infektionskurve wieder abflachen zu lassen.

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