Reenactment

Lebendige Geschichtsinterpretation am Beispiel des jährlichen Rendezvous in Bent’s Old Fort, Colorado

„Living History“ ist eine „Zeitmaschine“. Während in Europa noch mit dieser Form der Präsentation experimentiert wird, ist diese Methode, ein breites Publikum für Geschichte und deren Bedeutung für den Alltag des durchschnittlichen Menschen zu interessieren, in den USA seit Langem zum unverzichtbaren Konzept historischer Plätze und Museen geworden. Dietmar Kuegler, der mit seinem Buch LIVING HISTORY IM AMERIKANISCHEN WESTEN bereits vor 12 Jahren eine Pionierarbeit vorgelegt hat, hat die Entwicklung der Living History kontinuierlich beobachtet, hat immer wieder selbst an Projekten in den USA teilgenommen und daher die Wirkungen auf... alles anzeigen expand_more

„Living History“ ist eine „Zeitmaschine“. Während in Europa noch mit dieser Form der Präsentation experimentiert wird, ist diese Methode, ein breites Publikum für Geschichte und deren Bedeutung für den Alltag des durchschnittlichen Menschen zu interessieren, in den USA seit Langem zum unverzichtbaren Konzept historischer Plätze und Museen geworden.

Dietmar Kuegler, der mit seinem Buch LIVING HISTORY IM AMERIKANISCHEN WESTEN bereits vor 12 Jahren eine Pionierarbeit vorgelegt hat, hat die Entwicklung der Living History kontinuierlich beobachtet, hat immer wieder selbst an Projekten in den USA teilgenommen und daher die Wirkungen auf Interpreten und Besucher unmittelbar erfahren.

In die hier vorliegende Abhandlung fließen neue, direkte Erfahrungen und Erkenntnisse mit ein, die er bei seinen Feldforschungen gesammelt hat.

Er konzentriert sich auf eines der größten und wichtigsten Reenactments der USA, das Living History Weekend in Bent’s Old Fort National Historic Site im Süden Colorados.

Hier trifft man die größte Kompetenz der lebendigen Geschichtspräsentation des amerikanischen Nationalpark Service. Der Anspruch an die Interpreten ist hoch.

Das Event findet weniger zur Unterhaltung der Besucher statt, sondern ist ein Test für die Interpreten, wie gut und überzeugend es ihnen gelingt, ihre jeweiligen Rollen darzustellen.

Anwesend sind einige der besten Experten dieser Form der Präsentation in den USA.

Mit der Publikation „Reenactment“ bringt Kuegler die Dokumentation über diese Methode der Geschichtsvermittlung auf den neuesten Stand.



„Living History“ ist eine „Zeitmaschine“. Während in Europa noch mit dieser Form der Präsentation experimentiert wird, ist diese Methode, ein breites Publikum für Geschichte und deren Bedeutung für den Alltag des durchschnittlichen Menschen zu interessieren, in den USA seit Langem zum unverzichtbaren Konzept historischer Plätze und Museen ...



Ein Wort zuvor

Bent’s Old Fort

Der Santa Fe Trail

Das Reenactment in Bent’s Old Fort

Living History

Bourgeois, Trapper und Mountain Men

Handwerker

Der Schmied

Tischler, Stellmacher, Sattler und andere

Ziegelmacher (Adobe Maker)

Medizin

Bullwhacker

Indianer

Die Armee

Profilierte Living History Interpreten

Martin Knife Chief

John Carson

Henry B. Crawford

John F. Luzader

William Gwaltney

Greg Holt

Adressen von Living History Organisationen und Bezugsquellen in den USA

Nachwort

... über den Autor



Ein Wort zuvor



Living History stellt den Menschen in den Mittelpunkt, nicht unbedingt ein Datum oder ein Ereignis. Living History fokussiert die alltägliche Lebenswelt alltäglicher Personen und zeigt damit das Umfeld, die Grundlage größerer historischer Ereignisse sowie die Beziehung zum heutigen Leben auf.



In einer Welt, die tief in Vorurteilen verstrickt ist, ist die Zeitreise ein ethischer Akt. Verständnis, Anerkennung und Toleranz für unsere Vorfahren könnte uns helfen, auch die Verbindung zu unseren fremden Brüdern und Schwestern im Hier und Jetzt zu verbessern. (Jay Anderson, 1984: 189)



2003 veröffentlichte ich meine Untersuchung „Living History im amerikanischen Westen“. Das Buch hat mehrere Auflagen erlebt und ist noch heute gefragt bei Museumsfachleuten wie bei aktiven Reenactors und Hobbyisten. Allerdings ist die Zeit seither nicht stehen geblieben.



Die Darstellung lebendiger Geschichte hat sich auch in Europa zunehmend verbreitet, und in den USA wird sie Jahr um Jahr ausgefeilter und umfangreicher. Die Schulungen der Interpreten werden ständig verbessert. Erfahrene Living History-Dozenten sind so viel beschäftigt wie nie zuvor und reisen im ganzen Land umher, um an Museen, Universitäten und auf Lehrgängen des Nationalpark-Service Vorträge und Seminare durchzuführen. Ihre Fachkenntnisse sind auch international gefragt. Einige Interpreten – wie John Luzader, einer der brillantesten Reenactors der USA und in leitender Funktion im Nationalpark-Service – werden selbst von Museen in China, Japan und Russland eingeladen, um ihre Kenntnisse weiterzugeben.



Der Besucher eines Living-History-Museums oder eines historischen Schauplatzes mit lebendiger Geschichtsdarstellung sieht das Ergebnis dieser Entwicklung. Der Weg zu dieser Form der Präsentation ist für ihn aber nur selten erkennbar – was für die Perfektion des Interpreten spricht. Der Besucher begegnet Menschen in der Kleidung lange vergangener Zeiten, Menschen, die manchmal auch „altmodisch“ reden und sich bewegen, und die meisten Beobachter empfinden das, was sie sehen und erleben zunächst als „Unterhaltung“; die belehrende Mission erschließt sich meist erst später. Wie die Darstellung als solche zustande kommt, bleibt dem Laien naturgemäß verborgen.



Die Präsentation wirkt scheinbar „leicht“, und genau deshalb beruht sie auf einem enormen Arbeitsaufwand, genau deshalb basiert das alles nicht nur auf sorgfältigster Recherche, tief gehender Analyse und geradezu lexikalischem Wissen. Tatsächlich verbirgt sich hinter all dem auch ein didaktisches Konzept; die lebendige Geschichtsdarstellung soll in der Tat „unterhalten“; sie soll spielerisch an die Ernsthaftigkeit des Themas heranführen, sie soll Interesse wecken und den Besucher damit gewissermaßen in einen Zeittunnel führen, aus dem er später mit einem besseren Verständnis und mit mehr Wissen über die Vergangenheit wieder herauskommt. Aber von „Spiel“ ist diese Präsentation weit entfernt, und wer glaubt, dass allgemeine Geschichtskenntnisse reichen und man mit der historischen Kleidung gewissermaßen die Haut wechselt und einfach in eine Rolle schlüpft, hat nichts vom wissenschaftlichen Ernst dieser Präsentation verstanden.



Man stelle sich einen gut recherchierten historischen Roman vor; die handelnden Charaktere sind einstmals lebende Personen. Ihre tatsächlichen Handlungen werden novellistisch zum Leben erweckt, sie werden mit Dialogen und der Beschreibung menschlicher Stärken und Schwächen der abstrakten wissenschaftlichen Darstellung entzogen und ins Spannungsfeld realen Lebens versetzt.



Living History geht einen Schritt weiter. Die historische Gestalt steigt aus dem Roman heraus, Geschichte wird Fleisch und Blut, lässt sich anfassen, erfasst alle Sinne, wird Alltag.



Dieses Konzept führt, gekonnt eingesetzt, bei einem Großteil der Besucher von historischen Stätten zu erfolgreichen Ergebnissen. Natürlich wird bei den meisten grundsätzliches Interesse vorhanden sein – sonst würden sie solche Plätze gar nicht besuchen. Aber auch bei ihnen verschwimmen sterile historische Daten und Fakten, die Geschichte trocken und schwer verdaulich machen, und werden vor ihren Augen zu nachvollziehbarer Realität.



Man sollte im Ergebnis allerdings nicht zu viel erwarten: Kein Besucher, der mit marginalem Wissen ankommt, geht als Wissenschaftler wieder weg, niemand kann sich bei einer solchen, vielleicht eine halbe oder eine Stunde dauernden Präsentation alles merken. Aber einzelne Elemente bleiben hängen, und entscheidend ist die Erkenntnis, dass Geschichte von Menschen gemacht wurde, dass Geschichte menschlich ist. Dass Geschichte nicht nur aus „großen“ Ereignissen besteht, aus politischen Grundsatzentscheidungen, aus militärischen Schlägen. Dass Geschichte nicht nur von Königen, Offizieren und Staatsmännern gemacht wurde. Die Erkenntnis ist wichtig, dass Geschichte etwas mit dem alltäglichen Leben einfacher Bürger zu tun hat. Dass deren Lebensmuster, deren Weltsicht in ihrer Gesamtheit Einfluss auf den Weg von Nationen und Staaten hatten und haben. Geschichte ist etwas, das alle angeht, weil jeder von uns sein historisches Element zu der Zeit, in der er lebt, beiträgt – und sei es noch so klein.



Geschichte wird tagtäglich von allen geformt, daher gehört sie auch allen, nicht nur Wissenschaftlern, Archivaren, Bibliothekaren, Museumskuratoren. Living History ist eine exzellente Methode, zu verdeutlichen, wie bedeutsam es ist, seine Vergangenheit zu kennen, um die Zukunft zu beherrschen. Living History – um es in einem Satz zusammenzufassen – stellt den Menschen in den Mittelpunkt, nicht unbedingt ein bedeutendes Datum oder ein Ereignis. Living History fokussiert die alltägliche Lebenswelt alltäglicher Personen und zeigt damit das Umfeld, die Grundlage größerer historischer Ereignisse auf.



In den USA, einer Nation, die in ihrer Mentalität stark visuell geprägt ist, ist dieses Konzept immer erfolgreicher. In Europa wächst das Interesse ebenfalls. Ob man hierzulande diese Form der Präsentation mit „experimenteller Forschung“ oder mit „Geschichtstheater“ umschreibt, weil der Begriff „lebendige Geschichte“ von einigen Wissenschaftlern unverständlicherweise eher mit spitzen Fingern berührt wird, spielt eigentlich keine Rolle. Sinn, Zweck und Ziel sind dasselbe – und wenn es europäischen Wissenschaftlern auch nicht gefällt: Die Amerikaner sind ihnen in dieser Beziehung meilenweit voraus.



Diese Form der Beschäftigung mit Geschichte als „oberflächlich“ zu bezeichnen, wie man es gelegentlich hört, spricht für totale Unkenntnis der Materie. Niemand dringt tiefer in den historischen Alltag, in das menschliche Leben und Denken anderer Epochen ein, als ein perfekter Living-History-Interpret. Dabei ist zunächst einmal nicht wichtig, ob der Interpret die „First Person“- oder „Third Person“-Darstellung wählt, oder nach der „My time – your time“-Methode vorgeht – erstere Form ist zweifellos besonders anspruchsvoll, aber die Vorbereitung ist bei allen Präsentationen ähnlich.



Living History ist nicht nur Pragmatismus, sondern auch Leidenschaft. Es ist die Mischung aus wissenschaftlichem Denken und Emotion. Der Interpret spricht die Emotionen des Besuchers an und öffnet damit dessen Bereitschaft, sachliche Information aufzunehmen. Auch die Emotionen des Interpreten werden einbezogen. Es geht an der Oberfläche dieser Darstellung auch um Romantik – ein Begriff, vor dem europäische Wissenschaftler häufig geradezu panische Angst haben, weil sie glauben, dass damit die Ernsthaftigkeit des Themas verloren geht.



Tatsächlich ist die Romantik ebenfalls ein Einstiegsvehikel. Menschen beschäftigen sich mit einem wissenschaftlichen Stoff weitaus eher, wenn sie zunächst einmal Sympathie dafür entwickeln, wenn eine gefühlsmäßige Anziehung besteht.



Der Anblick von gesattelten Pferden, der Geruch von Ställen, das Flackern eines Lagerfeuers lösen bei vielen urbanen Menschen nostalgische Gefühle, Gefühle von Behaglichkeit und Geborgenheit aus. Wenn sie später erfahren, wie schwierig es war, irgendwo in der Wildnis ein Feuer zu machen, wie gefährlich ein solches Feuer sein konnte, wie sehr die Menschen an einem Lagerfeuer bei Regen, Schnee und Sturm dennoch gefroren haben, wie mühsam es war, ein Pferd zu versorgen, sind sie bereits in das Thema eingetaucht und haben sich von der äußeren Hülle anlocken lassen. Dann erfahren sie, wie die Realität war, und ihr Blickwinkel verändert sich. Damit setzt schon die Belehrung ein, die das Geschichtsbild vertieft, und Spuren in den Besuchern hinterlässt. Sie beginnen zu verstehen, dass die Sicht der Welt damals zwangsläufig eine ganz andere als zu unserer Zeit war, als Menschen nicht die Bequemlichkeit heutiger Zivilisation zur Verfügung hatten. Ihr Anspruchsdenken hatte ganz andere Dimensionen, ihre Alltagsroutine war von ganz anderen Bedürfnissen und Abläufen bestimmt, und damit war auch ihr Bild vom Mitmenschen anders als unseres, und das alltägliche Leben beeinflusste die Sicht auf die Ordnung der Welt und den Status des eigenen Landes.



Dietmar Kuegler, geb. 1951, ist Publizist und Verleger und beschäftigt sich seit 45 Jahren mit amerikanischer Pioniergeschichte. Er verfasste um die 2.000 Artikel und Aufsätze in Fachzeitschriften (u. a. „Deutsches Waffen-Journal, PALLASCH), auch in den USA (u. a. in „Western Pennsylvania History“) und mehr als 50 Bücher, schwerpunktmäßig über die Besiedelungsgeschichte, die Pelzhandelsgeschichte und die Militärgeschichte der USA. Sein letztes Buch erschien unter dem Titel „SOLDIERS“ im „Österreichischen Milizverlag“ in Salzburg. Zu den Bestsellern der letzten Jahre gehörten „SUCHT MEIN HERZ IN DER PRÄRIE: JIM BRIDGER, MOUNTAIN MAN“, „PULVERDAMPF UND STERNENBANNER - AMERIKA EROBERT DEN WESTEN“, „WAGENSPUR NACH WESTEN - DAS ABENTEUER DER BESIEDELUNG NORDAMERIKAS“, „SOLDIERS - AMERIKANISCHE MILITÄRGESCHICHTE 1754-1916“.

Kuegler ist durch seine jahrzehntelange Arbeit auch in den USA als Experte anerkannt. Er durfte als einziger Ausländer aktiv an mehreren Living History-Projekten im amerikanischen Westen teilnehmen, u. a. bei der Darstellung des historischen Bankraubs der Jesse-James-Gang in Northfield (Minnesota) von 1876. Die Stadt Northfield verlieh ihm den „Lost Spur“. Er ist Ehren-Deputy-Sheriff des Rice County, Minnesota.

An dem Living History Event in Bent’s Old Fort hat er mehr als zehnmal teilgenommen.

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