Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Anfechtbarkeit nach der Reform des Aktienrechts durch das ARUG

Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen ist ein wichtiger Bestandteil des Aktionärsschutzes vor fehlerhaft gefassten Beschlüssen im Aktienrecht. Die Fehlerhaftigkeit ergibt sich dabei aus Verfahrens- oder Inhaltsfehlern; wenn ein Beschluss gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt, ein anderer Aktionär durch Ausübung seines Stimmrechts Sondervorteile für sich oder einen Dritten zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionären zu erlangen suchte oder Aktionäre nicht ausreichend oder falsch Informiert wurden und sie diese Informationen als wesentliche Voraussetzung für ihre sachgerechte Wahrnehmung ihrer... alles anzeigen expand_more

Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen ist ein wichtiger Bestandteil des Aktionärsschutzes vor fehlerhaft gefassten Beschlüssen im Aktienrecht. Die Fehlerhaftigkeit ergibt sich dabei aus Verfahrens- oder Inhaltsfehlern; wenn ein Beschluss gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt, ein anderer Aktionär durch Ausübung seines Stimmrechts Sondervorteile für sich oder einen Dritten zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionären zu erlangen suchte oder Aktionäre nicht ausreichend oder falsch Informiert wurden und sie diese Informationen als wesentliche Voraussetzung für ihre sachgerechte Wahrnehmung ihrer Teilnahme- oder Mitgliedschaftsrechte angesehen hätten. Zum Schutz der benachteiligten Aktionäre normiert der Gesetzgeber, dass solche fehlerhaft gefassten Beschlüsse eine Anfechtbarkeit begründen und durch eine Klage für nichtig erklärt werden können. Der Schutzzweck des Anfechtungsrechts wurde in der Vergangenheit aber leider auch immer wieder von Aktionären ausgenutzt, die sich selbst, durch Anstrebung eines Vergleichs, einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen suchten. Die bloße Erhebung einer Anfechtungsklage kann schwerwiegende Folgen für eine Aktiengesellschaft haben. Beschlüsse, die auf der Hauptversammlung gefasst wurden, können durch eine Anfechtungsklage verhindert oder zumindest für einen bestimmten Zeitraum blockiert werden. Das führt zu horrenden Kosten für die beklagte Gesellschaft und kann außerdem zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen. In den letzten Jahren haben dort zwei bedeutende Reformen stattgefunden. Zum einen im Jahre 2005 durch das „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG) und zum anderen erst kürzlich im Jahre 2009 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie“ (ARUG). Aktionäre sollen dadurch besser vor fehlerhaften Beschlüssen geschützt und gleichzeitig der Missbrauch durch Anfechtungsklagen eingedämmt werden. Zunächst stellt der Autor dieses Buches den allgemeinen Ablauf einer Hauptversammlung und die Funktion der Organe einer Aktiengesellschaft dar. Darauf folgt die aktienrechtliche Untersuchung der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, bei der der Autor u. a. detailliert auf die Anfechtungsbefugnis, die Anfechtungsgründe und das Spruch- und Freigabeverfahren eingeht. Im Anschluss widmet sich der Autor dem Missbrauch von Anfechtungsklagen. Weitere Reformen des Aktiengesetzes sind für den Autor unabdinglich, da gerade im Zeitalter der […]



Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen ist ein wichtiger Bestandteil des Aktionärsschutzes vor fehlerhaft gefassten Beschlüssen im Aktienrecht. Die Fehlerhaftigkeit ergibt sich dabei aus Verfahrens- oder Inhaltsfehlern; wenn ein Beschluss gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt, ein anderer Aktionär durch Ausübung seines Stimmrechts ...



Textprobe:

Kapitel 4, Anfechtungsgründe gem. § 243 AktG:

Grundsätzlich kann ein Beschluss der HV nach § 243 AktG angefochten werden. Anfechtbar sind nur Beschlüsse der Hauptversammlung. Für die entsprechende Anfechtungsklage ist gem. § 246 Abs. 3 AktG das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat zuständig. Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese an Stelle der Zivilkammer. Anfechtungsgründe liegen gem. § 243 AktG in folgenden Fällen vor:

- Wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung.

- Wenn ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluss geeignet ist, diesem Zweck zu dienen.

- Wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen.

Bei der Anfechtungsklage schreibt das Gesetz, im Gegensatz zu der Nichtigkeitsklage, demnach keinen festen Katalog an Gründen vor, auf die die Klage ausschließlich gestützt werden könnte. Dabei verfolgt diese Norm zwei bestimmte Ziele. Zum einen will sie Rechtssicherheit gewährleisten und zum anderen bezweckt sie die Anerkennung der Anfechtungsbefugnis nach § 245 AktG.

Anfechtung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung:

Gem. § 243 Abs. 1 AktG ist ein Beschluss anfechtbar, wenn eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung vorliegt. Gesetz i. S. d. § 243 Abs. 1 AktG ist jede Rechtsnorm, also nicht nur aktienrechtliche Vorschriften, sondern auch die Bestimmungen aller Rechtsgebiete, soweit deren Geltungsanspruch die Aktiengesellschaft umfasst. Ebenso ist ein Verstoß gegen die Satzung ein Anfechtungsgrund. Dies allerdings nur dann, wenn der Verstoß von besonderer Schwere ist, z. B. bei Fällen, in denen die von der Satzung zur Beschlussfassung geforderte drei Viertel Kapitalmehrheit gem. § 179 Abs. 2 AktG nicht erreicht wurde, die Antragsannahme vom HV-Leiter dennoch festgestellt worden ist. Bedeutungslose Satzungsverstöße begründen eine Anfechtung jedoch nicht. Fraglich und gesetzlich bislang noch nicht eindeutig geklärt ist auch, ob ein Anfechtungsgrund bei Erfüllung bzw. Nichterfüllung von gesetzlichen Soll- oder Kann-Vorschriften vorliegt. Nach Urteilen der Rechtssprechung wäre dies, zumindest in der Regel, zu bejahen. Hier müssen der Einzelfall und die damit verbundenen schutzwürdigen Interessen untersucht werden.

Vertragsverletzungen bei Stimmbindungsverträgen:

Aus Vertragsverletzungen ergeben sich keine Anfechtungsgründe, auch nicht bei Stimmbindungsverträgen, da dies rein schuldrechtliche Verträge sind und diese keinerlei Einfluss auf die Gesellschaft haben solange das Gesetz oder die Satzung nicht verletzt worden ist. Denn sollte die Stimmbindung in die Satzung mit aufgenommen und der Vertrag verletzt worden sein, so liegt gleichzeitig auch ein Verstoß gegen die Satzung vor. Mit dem Abschluss eines Stimmbindungsvertrags verpflichten sich die Aktionäre untereinander oder gegenüber Dritten die ihnen zustehenden Stimmrechte in einer vertraglich festgelegten Art und Weise auszuüben. Gem. § 136 Abs. 2 AktG sind solche Verträge nichtig, wenn sich ein Aktionär dadurch verpflichtet u. a. nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft sein Stimmrecht auszuüben. Dies wiederum setzt aber auch voraus, dass Stimmbindungsverträge grundsätzlich abgeschlossen werden dürfen. Auch dieRechtssprechung erkennt sie an. Eine Auswirkung auf ihre Gültigkeit hat die unter Verletzung des Stimmbindungsvertrags abgegebene Stimme jedoch nicht. Werden für die Verpflichtung, die Stimme in besonderer Art und Weise abzugeben, Vorteile versprochen oder gewährt, so liegt ein Stimmrechts-Kauf/Verkauf gem. § 405 Abs. 3 Nr. 6, 7 AktG vor, der als Ordnungswidrigkeit geahndet wird.

Verfahrensfehler als Anfechtungsgründe:

Wird gegen das Gesetz oder die Satzung beim Zustandekommen von HV-Beschlüssen verstoßen, so liegt ein Verfahrensfehler vor. Nicht ganz eindeutig scheint hier der Begriff „Zustandekommen“ zu sein und dieser soll somit für das weitere Verständnis näher erläutert werden. Ein HV-Beschluss ist zustande gekommen, wenn über diesen abgestimmt und das Ergebnis der Abstimmung festgestellt worden ist. Es darf dabei aber nicht nur der Zeitraum der Abstimmung und der Feststellung betrachtet werden, sondern vor allem auch die Vorbereitung der Beschlussfassung, da schon im Vorfeld gesetzliche Vorschriften beachtet werden müssen und sich bereits Fehler bei der Einberufung der HV als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund erweisen könnten. Verfahrensfehler liegen z. B. vor, wenn ungültige Stimmen mitgezählt, stimmberechtigte Aktionäre zu unrecht von der Teilnahme an der HV ausgeschlossen oder die Einberufungsfrist für die HV nicht eingehalten wurde. Somit erstreckt sich der zeitliche Rahmen für das Zustandekommen eines HV-Beschlusses von der Vorbereitung, der Einberufung, über die Durchführung der Hauptversammlung und der Beschlussfassung. Allerdings führt nicht jeder Verfahrensfehler auch gleich zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses. Unbedeutende Verfahrensfehler, die auf das Ergebnis der Beschlussfassung keinen Einfluss gehabt haben, begründen diese bspw. nicht, insbesondere, wenn i. S. d. § 136 AktG die erforderliche Stimmenmehrheit nach Abzug der fälschlicher Weise mitgezählten Stimmen weiter besteht. Während es nach früherer h. M. auf die potentielle Kausalität des Verfahrensfehlers für das Beschlussergebnis ankam, wenn also auch nur die Möglichkeit bestand, dass ohne den Fehler der Beschluss anders gefasst worden wäre, so verlangen jüngere Entscheidungen eine gewisse Relevanz des Gesetzes- oder Satzungsverstoßes. Es kommt also gerade nicht auf das hypothetische Abstimmungsverhalten, sondern auf die Bedeutung des Verstoßes für die Mitgliedsrechte der Aktionäre an.



Pascal Roquette, B.E.S. (hon.), wurde 1979 in Haan geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal schloss der Autor im Jahre 2010 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Economic Science (honours) erfolgreich ab. Zu seinen Vertiefungsfächern gehörten dabei u. a. die Finanzwirtschaft, die Steuerlehre und das Wirtschaftsprivatrecht. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen bei einer Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft in Düsseldorf. Sein Interesse an wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen - besonders zu der Zeit der Wirtschaftskrise - bewog ihn, sich mit der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen

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