Kapstadt und so weiter

Happy Rolliday II

Diesmal also Südafrika. Nachdem der nach einem Armee-Unfall hochgradig querschnittsgelähmte Autor 1993 gemeinsam mit seiner Frau Kalifornien besucht hatte, war diesmal der Süden Afrikas das Ziel. Gründe für diese Wahl gab es mehrere: Mein ältester Bruder Günther war 1958 nach Südafrika übergesiedelt. Drei Töchter und ein Sohn leben noch dort. Meine Unternehmungen in der Kap-Region waren nicht von Reiseführern bestimmt; mich inspirierte eher Nelson Mandelas Langer Weg zur Freiheit. Der Besuch auf Robben Island war Ehrensache. Dennoch ist es acht Jahre nach Ende der Apartheid die kritische Sicht eines Außenstehenden, was... alles anzeigen expand_more

Diesmal also Südafrika. Nachdem der nach einem Armee-Unfall hochgradig querschnittsgelähmte Autor 1993 gemeinsam mit seiner Frau Kalifornien besucht hatte, war diesmal der Süden Afrikas das Ziel. Gründe für diese Wahl gab es mehrere: Mein ältester Bruder Günther war 1958 nach Südafrika übergesiedelt. Drei Töchter und ein Sohn leben noch dort. Meine Unternehmungen in der Kap-Region waren nicht von Reiseführern bestimmt; mich inspirierte eher Nelson Mandelas Langer Weg zur Freiheit. Der Besuch auf Robben Island war Ehrensache. Dennoch ist es acht Jahre nach Ende der Apartheid die kritische Sicht eines Außenstehenden, was sowohl Schwarzen als auch Weißen nicht immer gefallen mag. Außerdem gab es ein weiteres Motiv zum Schreiben - ich möchte anderen in ähnlicher Situation Mut machen, sich trotz starker Behinderung die Welt anzusehen.

Tatsächlich haben Lüdemann, zu dessen Leben seit einem Armeeunfall 1977 der Rollstuhl wie Atmen, Essen und Schlafen gehört, und seine unersetzbare tapfere Frau Dörte auch bei ihrem zweiten Happy-Rolliday-Projekt wieder viel gesehen und erlebt – darunter berühmte Sehenswürdigkeiten wie das Kap der Guten Hoffnung und der nicht minder berühmte Tafelberg. Und der bereits erwähnte Besuch auf der einstigen Gefängnisinsel Robben Island:

Wir mussten schon etwas suchen, um am Ende von Pier Jetty One das Informationsbüro für eine Tour nach Robben Island zu finden. Gegenüber warben die Fähren um Passagiere: Ab 9 Uhr a. m. bis 2 Uhr p. m. fahren sie im Stundentakt hinüber zur Murray Bay. Wer es historisch mag, fährt mit dem alten Kutter, der bereits Wärter und Häftlinge befördert haben mochte und entsprechend länger unterwegs sein wird; mit dem Katamaran Makana, benannt nach einem Häuptling der Xhosa, den die englischen Besatzer wegen Widerstandes auf der Insel interniert hatten, dauert die Überfahrt etwa eine halbe Stunde. Landratten sprechen von 11,4 Kilometern Entfernung; das sind etwa 5,75 Seemeilen. Und auch auf Robben Island selbst hat Lüdemann einige kritische Anmerkungen.

Gleiches gilt für die Politik der Nachfolger Nelson Mandelas: Die berühmte Schriftstellerin Nadine Gordimer hatte in ihren Büchern nie ein Hehl gemacht aus ihrer Verachtung gegenüber der Apartheid. Dafür ist sie in aller Welt gelobt worden. In jüngster Zeit kritisierte die Nobelpreisträgerin verschiedene Missstände unter der Regierung Mbeki – plötzlich fand sich die einst engagierte Kämpferin für die Rechte der Schwarzen im Abseits der offiziellen Politik wieder ...



Vorspann

MEHR ALS WEISHEIT ALLER WEISEN GALT MIR REISEN, REISEN, REISEN.

Das Stadt- und Landschaftsbild in sich aufnehmen,

Das Beste ist fahren

Man sieht nur, was man weiß.

Man kann alle Reisenden in zwei Charakterklassen teilen,

Das Beste ist fahren;

Wenn ich in eine Bibliothek von 100.000 Bänden geführt werde,

Es gibt nur ein Mittel, sich wohlzufühlen:

Das Fahren ist das Beste von der Geschichte,

Denn es kommt nicht auf die Masse des zu Sehenden

Das Wichtigste hat man,

Ich habe in diesen Tagen so viel gesehen,

LITERATUR ZUM NACHLESEN



Die Zeit war schnell vergangen. Jens wartete am Eingang des Marktes auf uns. Als wir einige Nebenstraßen weiter wieder auf unseren Toyota stießen, stand sein individueller Parkwächter treu wie ein Zinnsoldat auf dem Bürgersteig daneben. Doris suchte in ihrer Geldbörse nach Münzen und gab ihm einige. Nach seinem Mienenspiel zu urteilen, schien er mit dem Salär zufrieden. Wir ließen uns viel Zeit beim Verlassen der Innenstadt. Irgendwann rollten wir auf der Ausfallstraße Richtung Süden. Dörte hatte das Ziel vorgegeben: Simons Town und seine südafrikanischen Penguine. Am Montag schienen nur wenige Ausflügler unterwegs zu sein. Jens fand einen Parkplatz, der es mir ermöglichte, vom Beifahrersitz aus die gesamte False Bay zu überblicken. Linkerhand sah ich den markanten The Boulders, der Pinguinen und Robben als Rückzugsgebiet dient, sollten die Menschen an Land zu aufdringlich werden.

Da auch Jens im Wagen sitzen blieb, zog Doris allein los. Ich hatte den Eindruck, dass dem Jungen irgendetwas durch den Kopf ging. Abends war leise von draußen zu hören gewesen, wie er eine Zeit lang sowohl mit Kerstin als auch mit den Töchtern Beatrice und Kim in Deutschland telefonierte. Und weil bekannt ist, dass er sein Geld gut zusammenhalten kann, musste ihm doch sehr daran gelegen sein, ihre Stimmen vom anderen Ende der Welt zu hören. Trotz der hohen Telefonkosten. Ja, unsere großen Kinder: Coole Typen und Mitte dreißig. Sollte ich fragen, ob es daheim Probleme gab? Mit den beiden Mädchen? Ich fand, dass es gut sei, auch mal eine halbe Stunde miteinander zu schweigen. Bis jetzt war unsere Reise ohne große Pannen verlaufen. Das war vor allem auch Jens Verdienst. Morgen würden wir den Mietwagen abgeben, eine Sorge weniger für ihn.

Als Dörte zurückkam, sprudelte sie über im Bericht über die possierlichen Tierchen. Wo in aller Welt kam ein normaler Bürger so dicht an Pinguine heran? Sie hoffte auf schöne Aufnahmen. Damit waren für meine Frau die wesentlichsten Bildmotive, die sie vor der Reise angemerkt hatte, abgearbeitet.

Als wir, von der Felsküste kommend, wieder auf die Straße Nummer 4 einbogen, begriff ich, dass wir in diesem Augenblick wohl ein letztes Mal in erreichbarer Nähe zum Kap der Guten Hoffnung standen. Nach kurzem Stopp schlug Jens das Lenkrad rechts ein und wir fuhren zurück nach Kapstadt. Er hielt sich südlich, um auf dem kürzesten Weg weiter nach Somerset West zu gelangen. Es war nicht zu vermeiden, dass wir die Townships streiften. Aber es war ein sonniger Spätnachmittag, deswegen glaubte ich es verantworten zu können. Wir fuhren jetzt quasi auf Horst van Biljons Spuren vom Wochenende. Ein Hinweisschild tauchte auf, den Weg nach Norden zu Philippi weisend. Wir erinnerten uns, dass er diesen Ort als Ausgangspunkt seiner Familie für Südafrika bezeichnet hatte.

Die Road 310 folgte unmittelbar dem Küstenverlauf der False Bay. Kilometerlange Strände, aber weit und breit kein Mensch zu sehen. Bei Monwabisi mit seinem relativ neuen Beach & Holiday Resort war es belebter. Wie Veras Mann schon gesagt hatte – dorthin fuhr kein Weißer zum Baden. Hier blieben die Schwarzen aus der nahe gelegenen Township Macassar unter sich. Und überall das gleiche Bild wie es unser Albtraum Khayelitsha mit seinen etwa 700 000 Schwarzen bietet: Nissenhütte an Nissenhütte. Was für ein Jahrhundertwerk, solche Townships durch normierte Häuser mit Wasser, Strom und Kanalisation zu ersetzen! Jährlich eine Million neue Wohnungen will die ANC-Administration bereitstellen. Eine funktionierende Verwaltung ist dafür unabdingbar. Und spätestens jetzt kommt der Knackpunkt für die Bewohner und die neue Macht gleichermaßen: Jedermann wird sich, wie in der zivilisierten Welt üblich, mit Name und Adresse registrieren lassen müssen. Gebühren für Dienstleistungen, Steuern und Mieten fallen an, bislang unbekannte Kosten und Regulationen für Township-Bewohner. Wer beispielsweise die 110 Rand (etwa 25 Mark) Sozialhilfe für Kinder bis zu sieben Jahren abholen möchte, muss dessen Geburtsurkunde vorzeigen. Angesichts einer herrschenden Armut und der 500 vornehmlich schwarzen Südafrikaner, die täglich an AIDS sterben - da verkündet Präsident Mbeki seine utopisch anmutende Prognose: Bis 2015 erwerben alle Kinder im Lande zumindest einen Grundschulabschluss; ihre Sterberate soll um zwei Drittel, die der Mütter im Kindbett um drei Viertel reduziert werden.



Hans-Ulrich Lüdemann (Pseudonym John U. Brownman mit Co-Autor Hans Bräunlich) wurde am 4. Oktober 1943 in Greifswald geboren. Nach dem Abitur folgte ein Studium der Sportwissenschaften, Psychologie, Pädagogik und Germanistik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität im vorpommerschen Greifswald.

Von 1966 bis 1969 arbeitete er beim Verlag Junge Welt Berlin. Danach war er freischaffend tätig als Journalist, TV-Kameramann und Schriftsteller.

1977 erlitt Hans-Ulrich Lüdemann einen Unfall als Reservist während seiner NVA-Wehrpflicht, der ihn zeitlebens in den Rollstuhl zwingt.

Er ist Autor von 20 Hörspielen für Kinder und Erwachsene, desgleichen sind 26 Buchtitel von ihm erschienen. Als wichtigstes Werk gilt sein autobiographisch geprägter Roman Der weiße Stuhl. Hans-Ulrich Lüdemann hat sich auch als Szenarist von TV-Filmen ausgewiesen. Schreiben ist für ihn Therapie. Seiner physischen und psychischen Stärkung dienten seit 1992 über zwei Dutzend Aufenthalte in Dänemark, Reisen nach San Francisco, Zypern, Toronto, Guernsey, Kapstadt, Florida, Dubai, Sydney und Singapur ...

Glückliche Rollstuhl-Tage in Kalifornien fanden ihren Niederschlag in San Francisco and so on Happy Rolliday I. Ein Reise-Essay zu Südafrika trägt den Titel Kapstadt und so weiter Happy Rolliday II. Das dritte Buch über eine Reise im Oktober 2002 mit dem Titel Florida and so on Happy Rolliday III erschien Januar 2005. Ein viertes Reise-Essay Dubai-Sydney-Singapur und so weiter Happy Rolliday IV schloss 2005 die Reihe Happy Rolliday ab.

Die Gesamtauflage seiner Bücher beträgt nahezu eine Million Exemplare.

Mitgliedschaften: SV der DDR 1974, VS 1990; IG Medien 1990.

1973 Hörspielpreis des DDR-Rundfunks, 1977 Kunstpreis des DTSB, 1982 Preis für Kinder- und Jugendliteratur des Kulturministeriums der DDR.

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