Der Fluch von Maralinga

Erzählungen

Es sind nicht nur Erzählungen aus Australien, wo der Autor, dem als 15-jährigen jüdischen Jungen mit viel Glück die Flucht aus Nazi-Deutschland geglückt war, 17 Jahre seines Lebens verbracht hatte, sondern auch an seine Kindheit und Jugend in Deutschland vor 1939. Erinnerungen an Hass und wenig Hoffnung, an schreckliche Dinge, aber auch an Zeichen der Solidarität. In vielen anderen Erzählungen verarbeitet Walter Kaufmann seine Erfahrungen und Erlebnisse in Australien, seine Begegnungen mit Eingeborenen und mit Seeleuten und – mit der Liebe: „Mir nach!“, rief sie. „Beeil dich!“ Bevor ich sie eingeholt hatte, sah ich... alles anzeigen expand_more

Es sind nicht nur Erzählungen aus Australien, wo der Autor, dem als 15-jährigen jüdischen Jungen mit viel Glück die Flucht aus Nazi-Deutschland geglückt war, 17 Jahre seines Lebens verbracht hatte, sondern auch an seine Kindheit und Jugend in Deutschland vor 1939. Erinnerungen an Hass und wenig Hoffnung, an schreckliche Dinge, aber auch an Zeichen der Solidarität.

In vielen anderen Erzählungen verarbeitet Walter Kaufmann seine Erfahrungen und Erlebnisse in Australien, seine Begegnungen mit Eingeborenen und mit Seeleuten und – mit der Liebe:

„Mir nach!“, rief sie. „Beeil dich!“ Bevor ich sie eingeholt hatte, sah ich sie die Schuhe abwerfen und in den weichen, trügerischen Sumpf waten, wo sie erst bis zu den Knöcheln, dann tiefer einsank. Ich wurde unruhig. „Eva! Komm zurück!“ „Zieh die Stiefel aus, komm her!“ „Nein! Komm zurück!“ Als sie merkte, dass ich nicht daran dachte, ihr zu folgen, kehrte sie schließlich um, die nackten Beine bis zu den Knien hinauf schlammbedeckt, den Rock bis zu den Oberschenkeln geschürzt. „Hättest du versucht, mich zu retten?“, wollte sie wissen.



INHALT:

Unter grausamer Sonne

Begegnung auf der Landstraße

Der Inspektor

Mitternachtsfahrt

Billy McCreas Zukunft

Indonesien ruft

Das Schlachthaus

Die rote Rose

Ruf der Inseln

Nacht in Suva

Mädchen von Neapel

Süßigkeiten

Mai 1933

Die einfachen Dinge

Träumerei

Der Mann im Zug

Eva

Im Kino

Die Patrioten

Der Fluch von Maralinga

Früher Morgen

Der zweite Akt

Miss Arthur

Ein Tag im November



Unter grausamer Sonne

Begegnung auf der Landstraße

Der Inspektor

Mitternachtsfahrt

Billy McCreas Zukunft

Indonesien ruft

Das Schlachthaus

Die rote Rose

Ruf der Inseln

Nacht in Suva

Mädchen von Neapel

Süßigkeiten

Mai 1933

Die einfachen Dinge

Träumerei

Der Mann im Zug

Eva

Im Kino

Die Patrioten

Der Fluch von Maralinga

Früher Morgen

Der zweite Akt

Miss Arthur

Ein Tag im November



Einmal saß mir im Eisenbahnzug nach Wonthaggi ein Fremder gegenüber. Ich musterte ihn in der gleichgültigen Art, wie wir es manchmal tun, wenn nichts anderes unsere Aufmerksamkeit erregt. Aber allmählich erwuchs daraus ein gegenseitiges Erkennen, das nichts mit dem zu tun hatte, wer oder was der andere war, sondern damit, dass es ihn überhaupt gab.

Da lächelten wir uns zu, und das war, als ob wir uns die Hände reichten.

Hier saß mir also ein Australier gegenüber, ein abgehärteter, magerer Arbeiter. Und ich, der Jude aus Deutschland, bedrückt von der Vergangenheit, die immer noch über mir hing, fühlte mich plötzlich zum ersten Mal befreit, es schien, als ob neue Kraft und ruhiges Glücksgefühl über mich kämen.

„Schon von Wonthaggi gehört, nehm ich an?“, fragte der Mann.

„Ja“, antwortete ich. „dort wird Kohle gefördert.“

„Stimmt, ich bin selbst Bergmann.“

„Ich vermutete das“, sagte ich.

„So?“, sagte er und setzte sich in seinem Sitz zurück. Er schien erkannt zu haben, dass Wonthaggi für mich nur ein Name und die Tätigkeit des Bergmanns nur eine verschwommene Vorstellung von harter, schmutziger Arbeit war.

„Neu in diesem Land?“, fragte er, aber es klang wie eine Feststellung von etwas bereits Bekanntem, eine Feststellung, die mit viel Wohlwollen verbunden war. Man hatte mir diese Frage schon oft gestellt, jedoch stets mit unangebrachter Neugier oder mit Misstrauen.

„Ja“, sagte ich, „ich bin noch nicht lange hier.“

Er nickte mir zu. Sein Gesicht drückte offenes Interesse aus. Es war nicht jenes höfliche Interesse, das der Neugier des Augenblicks entspringt, sondern das der Sorge des Arbeiters um den anderen.

Er stocherte nicht in meiner Vergangenheit herum, und ich war ihm dankbar dafür, fühlte ich doch, dass ihn nur meine Zukunft interessierte. Danach unterhielten wir uns ungezwungen, und am Ende forderte der Bergmann mich auf, ihn doch einmal zu besuchen. Er drückte sich so aus: „Kannst an irgendeinem Abend zum Tee kommen. Meine Frau und ich, wir würden uns freuen, dich zu sehen.“ Darauf kramte er einen Bleistiftstummel hervor und schrieb seine Adresse sehr langsam auf, wobei der rumpelnde Zug seine Hand schüttelte.

Einen Augenblick lang glaubte ich, die Einladung sei eine Art Wohltätigkeit von ihm; aber dann wurde mir klar, dass dies nicht so war. Ich dankte ihm und sagte, dass ich mich auf diesen Besuch freue.

Ich versuchte mir nun vorzustellen, wie es in seinem Haus aussehen würde. Dabei erinnerte ich mich an Wilhelms Haus in Deutschland - ein kleines, rußiges Ziegelhaus in der Nähe der Stahlwerke, ein Haus in einer schmalen, von Rauch erfüllten Straße, das einer Steinmauer gegenüberstand, auf der stets in großen, ungleichmäßigen Buchstaben Losungen standen: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch“ - „Hitler bedeutet Krieg“ - „Freiheit für Ernst Thälmann.“ Die Nazis übermalten die Losungen immer und setzten riesige Hakenkreuze an ihre Stelle, von denen kalkweiße Streifen die Mauer herunterliefen. In Wilhelms Haus aber hatte es kein Übermalen gegeben, kein Schwanken und kein Ducken. Dort hatte man die Losungen nicht aufgegeben.

Ich blickte auf und dachte nicht mehr an Deutschland. Der Wonthaggi-Bergmann, mein neuer Freund, rollte sich eine Zigarette. Ich sah zu, wie er den Tabak zwischen den Handballen rieb. Dann dachte ich: Bist wie Wilhelm, siehst zwar nicht so aus, aber handelst und sprichst wie er.

„Du bist uns stets willkommen, jederzeit“, hatte Wilhelm gesagt, sogar nachdem ihn ein Naziboss davor gewarnt hatte, einen Juden einzuladen. „Meine Frau und ich, wir werden uns immer freuen, dich zu sehen ...“

Auch hier gab es also Männer, die keine Angst hatten, ohne weitere Umstände mit einem anderen bekannt zu werden und ihm zu trauen, und die, nachdem sie ihm einmal ihr Vertrauen geschenkt haben, auch zu ihm stehen und ihm dadurch Mut machen. Ich freute mich.

Am Bahnhof trennten wir uns.



Walter Kaufmann (eigentlich Jizchak Schmeidler) wurde 1924 in Berlin als Sohn einer jüdischen Verkäuferin geboren und 1926 von einem jüdischen Anwaltsehepaar adoptiert. Er wuchs in Duisburg auf und besuchte dort das Gymnasium. Seine Adoptiveltern wurden nach der Reichskristallnacht verhaftet, kamen ins KZ Theresienstadt und wurden im KZ Auschwitz ermordet. Ihm gelang 1939 mit einem Kindertransport die Flucht über die Niederlande nach Großbritannien.

Dort wurde er interniert und 1940 mit dem Schiff nach Australien gebracht. Anfangs arbeitete er als Landarbeiter und Obstpflücker und diente als Freiwilliger vier Jahre in der Australischen Armee.

Nach 1945 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Straßenfotograf, auf einer Werft, im Schlachthof und als Seemann der Handelsmarine. 1949 begann er seinen ersten Roman, der 1953 in Melbourne erschien.

1957 übersiedelte er in die DDR, behielt jedoch die australische Staatsbürgerschaft. Seit Ende der 1950er Jahre ist Walter Kaufmann freischaffender Schriftsteller. Ab 1955 gehörte er dem Deutschen Schriftstellerverband und ab 1975 der PEN-Zentrum der DDR, dessen Generalsekretär er von 1985 bis 1993 war. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

Walter Kaufmann war außerdem in mehreren DEFA-Filmen als Darsteller tätig, teilweise unter dem Pseudonym John Mercator.

Auszeichnungen

1959: Mary Gilmore Award

1961, 1964: Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam

1967: Heinrich-Mann-Preis

1993: Literaturpreis Ruhrgebiet

Bibliografie



Werke in englischer Sprache

Voices in the storm

The curse of Maralinga and other stories

American encounter

Beyond the green world of childhood



Werke in deutscher Sprache

Wohin der Mensch gehört

Der Fluch von Maralinga

Ruf der Inseln

Feuer am Suvastrand

Kreuzwege

Die Erschaffung des Richard Hamilton

Begegnung mit Amerika heute

Unter australischer Sonne

Hoffnung unter Glas

Stefan – Mosaik einer Kindheit

Unter dem wechselnden Mond

Gerücht vom Ende der Welt

Unterwegs zu Angela

Das verschwundene Hotel

Am Kai der Hoffnung

Entführung in Manhattan

Patrick

Stimmen im Sturm

Wir lachen, weil wir weinen

Irische Reise

Drei Reisen ins gelobte Land

Kauf mir doch ein Krokodil

Flucht

Jenseits der Kindheit

Manhattan-Sinfonie

Tod in Fremantle

Die Zeit berühren

Ein jegliches hat seine Zeit

Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo

Über eine Liebe in Deutschland

Gelebtes Leben

Amerika

Die Welt des Markus Epstein

Im Fluss der Zeit

Schade, dass du Jude bist

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