Manche nennen es Seele

Roman

Der Brigadier Klaus und die Betriebsschwester Monika lieben sich und freuen sich auf das gemeinsame Kind. Anfang der 1960er Jahre ist es selbstverständlich, dass die beiden ganz schnell heiraten wollen. Doch damit beginnen die Probleme. Monika, die Tochter des Kirchenältesten von Streckenroda, träumt von einer kirchlichen Trauung im Heimatdorf. Klaus' Brigade kämpft als erste im Automobilwerk um den Titel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit". Dazu gehört nach der Bitterfelder Konferenz aber auch das sozialistische Leben. Alle Brigademitglieder erwarten von Klaus, der nicht konfirmiert und schon lange aus der Kirche ausgetreten ist, eine sozialistische... alles anzeigen expand_more

Der Brigadier Klaus und die Betriebsschwester Monika lieben sich und freuen sich auf das gemeinsame Kind. Anfang der 1960er Jahre ist es selbstverständlich, dass die beiden ganz schnell heiraten wollen. Doch damit beginnen die Probleme.

Monika, die Tochter des Kirchenältesten von Streckenroda, träumt von einer kirchlichen Trauung im Heimatdorf. Klaus' Brigade kämpft als erste im Automobilwerk um den Titel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit". Dazu gehört nach der Bitterfelder Konferenz aber auch das sozialistische Leben. Alle Brigademitglieder erwarten von Klaus, der nicht konfirmiert und schon lange aus der Kirche ausgetreten ist, eine sozialistische Eheschließung, ohne Pfarrer und Kirche.

Die harte Bewährungsprobe der beiden Liebenden eskaliert fast, als ein Redakteur der Regionalzeitung den Konflikt aufgreift und damit öffentlich macht.

Das 1962 erstmals veröffentlichte Buch schildert spannend und mit satirischer Überspitzung Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat in der DDR zu Beginn der 1960er Jahre.

Mit seinem für den heutigen Leser unerwarteten Schluss ist der Roman nach den politischen Veränderungen scheinbar noch interessanter als bei seinem erstmaligen Erscheinen.



„Na bitte!", schmunzelte der Hüne zufrieden zu Klaus Sänger hin, der neben dem Schreibtisch stand und den Telefonhörer ans Ohr hielt. "Genau zweiundzwanzig Minuten und nicht länger hat es mit der Anmeldung gedauert!"

Klaus ließ sich mit der Sanitätsstelle seines Betriebes verbinden. Der Werkleiter kam heran und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Er blätterte uninteressiert in der braunen Unterschriftenmappe und warf Klaus Sänger hin und wieder einen ungenierten neugierigen Blick zu.

„Hallo, Monika! Ja natürlich, alles in Ordnung ... Und bei dir? ... Nanu, das klingt ja nicht gerade fröhlich ... Nein, heute nicht. Es würde weit nach Mitternacht werden. Deshalb rufe ich an. Verstehst du mich gut? Ja, ich dich auch ... Hör mal, ich will gleich von hier aus nach Dresden fahren ... Richtig, direkt. Wir werden uns dann morgen alle dort in Dresden ... Aber Moni, wegen der paar Stunden!" Klaus schielte zu dem Werkleiter hin, der schmunzelnd zuhörte und sich nicht daran zu stören schien, dass seine Anwesenheit von Klaus offensichtlich nicht sehr begrüßt wurde. „Was sagst du? ... Über uns beide? Und die Brigade? ... Zum Donnerwetter, die müssen doch gemerkt haben, dass die Sache längst entschieden ist! Aber Monika, was soll denn das, natürlich bleibt es dabei. Nein, sag der Brigade nichts ... Ich komme so schnell wie irgend möglich ... Ja! ... Einverstanden! ... Bis dahin, Moni! Tschüss!"

Langsam legte Klaus den Hörer auf die Gabel zurück. Die Neuigkeit hatte ihn für Augenblicke ganz benommen gemacht. Was fällt diesen Zeitungsleuten eigentlich ein? ärgerte er sich. Gesprächsthema bei allen Leuten ... Die Brigade hat sich verpflichtet? Da steckt doch kein anderer als Schrumm dahinter. Der Kerl muss wahnsinnig geworden sein!

„War das Ihre Braut?"

„Ich muss auf schnellstem Wege nach Hause!" Klaus versuchte, dem Werkleiter mit vier, fünf Sätzen die Komplikationen um seine Hochzeit zu erklären. Der Riese begriff sofort.

„Wenn es Ihnen zu bunt wird: Mein Angebot bleibt bestehen, und Brandenfeld ist ein gemütliches Städtchen! ... Nana, abwarten!", sagte er jovial und hatte schon wieder den Telefonhörer in der Hand. Er fragte nach dem Kombiwagen. „Schon vor einer halben Stunde aus dem Werk? Mist!" Er erhob sich in seiner ganzen Größe und rieb nachdenklich seinen breiten Nacken. „Tcha, was nun?" Ein paar Sekunden blickte er Klaus unschlüssig an. Der Brigadier war mit seinen Gedanken noch bei dem Artikel, der zu Hause alles durcheinandergebracht zu haben schien. Das Gesicht des Werkleiters veränderte sich plötzlich. Man konnte den guten Einfall förmlich aus seinen Zügen ablesen. Er kam um den Schreibtisch herum und strahlte Klaus gönnerhaft an.

„Nehmen Sie Ihren Mantel und Ihre Tasche ... Los, mitkommen!" Klaus verstand zwar nicht, was das alles bedeuten sollte, doch er folgte dem Hünen, der es plötzlich recht eilig hatte. Sie verließen das Verwaltungsgebäude und standen kurz darauf vor dem wassertriefenden „Wolga" des Werkleiters. Der Fahrer legte erstaunt den Spritzschlauch aus der Hand. „Ich dachte, ich sollte heute Morgen ..." Weiter kam er nicht. „Neue Lage!", schnitt ihm der Werkleiter lachend das Wort ab. „Dieser Kollege hier muss noch in dem Kombi mit. Eine halbe Stunde Vorsprung haben sie ... Streng dich an, Kurt ... Liebe in Gefahr sozusagen."

Der Kraftfahrer schien von seinem Werkleiter einiges an Überraschungen gewöhnt zu sein. Er hörte den Auftrag und tat nicht sonderlich erstaunt. „Na, dann los!", brummte der Fahrer nur und machte sich nicht einmal die Mühe, den Schlauch aufzurollen. Auch den grauen fleckigen Arbeitskittel zog er nicht aus. Lautlos rollte der große Wagen an ...



Geboren 1930 in Weimar, aufgewachsen und erzogen in einem konsequent sozialdemokratischen Elternhaus, stark geprägt vom Erlebnis KZ Buchenwald im April 1945 auf der Suche nach einem von der Gestapo verhafteten Onkel.

Volksschule und Handelsaufbauschule in Weimar, 1948/49 als Volkspolizist freiwilliger Aufbauhelfer (Enttrümmerung, Wasserleitung Maxhütte, u.a.).

Erkrankung an Tuberkulose. Im Sanatorium für den weiteren Lebensweg entscheidende Begegnung und monatelanges, gemeinsames Zusammenleben in einem Zimmer mit gleichaltrigem Vikar.

Journalistische Ausbildung. Tätigkeit als Redaktionsassistent. Erste Buchveröffentlichung 1959.

Ab 1964 freischaffender Schriftsteller. Im literarischen Schaffen beeinflusst von Louis Fürnberg, Hans-Joachim Malberg, Bruno Apitz und Walter Janka. Zahlreiche Romane, Kinder- und Jugendbücher (u.a. Autor des Weimarer Knabe-Verlages), Drehbücher für Film und Fernsehen.

Literarische Auszeichnungen: Literatur-und Kunstpreis der Stadt Weimar, Nationalpreis der DDR, Preis der Filmkritiker, u.a. als erster deutscher Drehbuchautor für den Europäischen Filmpreis Felix nominiert, Goldene Ehrennadel der Stadt Weimar 2005.

2014 in Weimar verstorben.



Bibliografie:

Romane und Erzählungen

Die Nachtschicht

Manche nennen es Seele

Der Tod zahlt mit Dukaten

Der letzte Gast

Das Licht der schwarzen Kerze

Schild überm Regenbogen

Visa für Ocantros

Härtetest

Al-taghalub - Gesetz der Bärtigen

Eilfracht via Chittagong

Lasst mich doch eine Taube sein

Wie eine Schwalbe im Schnee

Die gläserne Fackel

Einer trage des anderen Last

Uns hat Gott vergessen

Last und liebes Kummerfeld

Mord in der Distelbar

Flugfunken

Ich erinnere mich. Eine Autobiografie



Kinder- und Jugendbücher:

Mücke und sein großes Rennen

Du sollst leben, Mustapha

Quirl hält durch

Hilfe, ein Wildschwein kommt

Der Teufel heißt Jim Turner

Das Steingesicht von Oedeleck

Petrus und die drei PS

Feuervögel über Gui

Blaulicht und schwarzer Adler

Zwirni träumt vom Weltrekord

Im Netz der weißen Spinne

Aras und die Kaktusbande

...auch ohne Gold und Lorbeerkranz

Wiesenpieper



Spiel- und Fernsehfilme:

Schüsse unterm Galgen

12 Uhr mittags kommt der Boss

Zeit zu leben

Anflug Alpha eins

Gefährliche Reise (Mehrteiler)

Das Licht der schwarzen Kerze

Visa für Ocantros

Zweite Liebe – ehrenamtlich

Härtetest

Wiesenpieper

Die Spur des 13. Apostel

Einer trage des anderen Last

Die gläserne Fackel (7-Teiler)

Silberdistel

Laßt mich doch eine Taube sein



Sachbücher:

Das Thüringer Rostbratwurstbüchlein

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