Abenteuer eines Hirtenjungen

Ein Sommer voller Kühe, Gänse und Gewissensfragen – und ein Hund namens Schweizer. Inmitten ländlicher Idylle und harter Arbeit erzählt Adam Scharrer in eindrucksvoller Sprache die Geschichte eines Hirtenjungen, der früh Verantwortung übernimmt – für die Tiere, für sich selbst und für das, was richtig ist. Ob beim Treiben der Herde, im Kampf mit einem wilden Stier oder im Streit um eine gestohlene Gans: Der Junge erlebt Abenteuer, die Mut, Ehrlichkeit und Widerstandskraft fordern. Diese autobiografisch geprägten Kindheitserinnerungen fesseln mit lebendigen Naturbildern, feinem Humor und einer stillen Rebellion gegen die... alles anzeigen expand_more

Ein Sommer voller Kühe, Gänse und Gewissensfragen – und ein Hund namens Schweizer.

Inmitten ländlicher Idylle und harter Arbeit erzählt Adam Scharrer in eindrucksvoller Sprache die Geschichte eines Hirtenjungen, der früh Verantwortung übernimmt – für die Tiere, für sich selbst und für das, was richtig ist. Ob beim Treiben der Herde, im Kampf mit einem wilden Stier oder im Streit um eine gestohlene Gans: Der Junge erlebt Abenteuer, die Mut, Ehrlichkeit und Widerstandskraft fordern.

Diese autobiografisch geprägten Kindheitserinnerungen fesseln mit lebendigen Naturbildern, feinem Humor und einer stillen Rebellion gegen die Härte des Alltags. Ein literarisches Kleinod über das Erwachsenwerden auf dem Land, über Mensch und Tier – und über das stille Heldentum eines Jungen und seines Hundes.



Weniger ermüdend war das Hüten der Gänse. Doch von morgens elf bis abends acht Uhr, in den Schulferien den ganzen Tag, manchmal in eintönigem Regen oder bei brüllenden Gewittern, die Füße wund, die Kleider nass, ohne wärmendes Feuer: In dieser grauen und grausamen Einsamkeit vergehen die Stunden um ein vielfaches langsamer. Bald ging über mich das Gespräch im Dorf: „Der Hirten-Adam spinnt!“

Auch Vater und Mutter glaubten es. An einem sonnigen Sommertag waren Ausflügler auf den Anger gekommen. Ich hatte für die Gänse meiner Eltern Kornähren gesammelt und ließ sie aus meinem Hut fressen. Der Hund lag daneben, auch Mutter stand dabei; sie war auf dem Weg von der Kirche nach Hause. Die Ausflügler wollten Gänse, Hirtenjungen und Hund fotografieren. Ich war aufgesprungen und davongelaufen.

In Ottohausen war Kirchweih. Dort wohnte ein Onkel. Die Eltern konnten nicht zur Kirchweih gehen und schickten mich. Die Erwachsenen waren so stark mit sich beschäftigt, dass ich kaum beachtet wurde. Ich war grußlos wieder fortgegangen.

In der Stube des Kachlerbauern hing ein großes Bild. Ein Schloss, ein Teich davor, darauf schwammen Schwäne, ringsum Bäume und Blumen, die Besitzer und Gäste promenierten in schönen Kleidern. Über dem Bild stand: „Pfingstmorgen“.

„Dös gfällt dir gwiss?“, fragte mich die Bäuerin. Es war an einem Sonntag, kurz vor dem Austreiben.

„Su a Lebn, dös hält ma scho aus!“, sagte ich, noch ganz in Gedanken, und ließ die Bäuerin dann stehen.

Drei Gemeinden waren mit Gänseherden und -jungen auf dem Anger vertreten. Auch wenn die Sonne heiß vom Himmel brannte, die Bienen und Hummeln honigsuchend dahinsummten, die Frösche haufenweise neben- und aufeinander aus den Karpfenteichen quakten, Grillen und Vögel mit in das Konzert einstimmten, wurde die Langeweile zur Qual. Dann wurden trockene Kuhfladen auf in der Erde steckende Stöcke gespießt und angezündet. Reihenweise standen sie neben- und hintereinander, glimmten und rauchten und stanken mit dem Wind fort. Oder es wurden Grillen mit Grashalmen aus ihren Löchern gekitzelt, in Sandlöcher mit glatten Wänden gesperrt, wo sie „dressiert“ wurden. Sie mussten auf Holzstäbchen herumklettern. Die ihre Sache nicht gut machten, wurden zum Tode verurteilt. Sie wurden in einen Ameisenhaufen geworfen. Scharenweise fielen die Ameisen über sie her. In einigen Sekunden waren sie tot. Am raschesten verlor das Angeln von Fröschen seinen Reiz. Die hüpften dutzendweise zu gleicher Zeit nach der Angel. Doch die Froschschenkel, im Feuer gebraten, schmeckten nicht. Ein anderer Zeitvertreib musste her: Die Frösche wurden „geprellt“! Über einen Stein oder Baumstumpf ein Brett, auf der einen Seite der Frosch, auf die andere Seite wurde mit einem Knüppel geschlagen. Wer so stark zuschlagen konnte, dass der Frosch nicht nur sehr hoch flog, sondern platzte, war ein Held. Als der Hirtenjunge von Bäumelsberg auch daran keinen Gefallen mehr fand und er und ein anderer Junge aus dem Dorf damit begannen, den Gänserichen mit glühend gemachten Eisen ihren Liebeseifer auszubrennen, meldete ich dies den Bauern. Nun war ich – der sich nicht an den grausamen Spielen beteiligte – von einem Spinner zum Verräter geworden. Ich hatte nur einen Freund. Von diesem will ich hier berichten.



Adam Scharrer wurde am 13. Juli 1889 in Kleinschwarzenlohe (heute Gemeinde Wendelstein, Mittelfranken) geboren. Bereits in frühen Jahren prägte ihn das harte Leben der Arbeiterklasse. Nach einer Schlosserlehre führte ihn seine Arbeitssuche durch zahlreiche deutsche Städte sowie nach Österreich, die Schweiz und Italien. Während des Ersten Weltkriegs wurde er als Artillerist an die Ostfront eingezogen. Seine Erfahrungen als Soldat und seine Enttäuschung über die sozialdemokratische Zustimmung zu den Kriegskrediten radikalisierten seine politische Haltung. Er trat dem Spartakusbund bei und engagierte sich später in der linksradikalen KAPD (Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands).

Scharrer begann in den 1920er-Jahren mit dem Schreiben. Seine erste Erzählung „Weintrauben“ (1925) wurde anonym veröffentlicht und brachte ihm eine Anklage wegen „literarischen Hochverrats“ ein. Seine Werke sind stark autobiografisch geprägt und erzählen aus der Perspektive der unteren Gesellschaftsschichten. 1930 erschien sein wohl bekanntestes Werk „Vaterlandslose Gesellen“, eine proletarische Antwort auf Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Der Roman ist eine schonungslose Abrechnung mit dem wilhelminischen Militarismus und dem Ersten Weltkrieg.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 musste Scharrer untertauchen und floh zunächst in die Tschechoslowakei, dann in die Sowjetunion. Dort lebte er in einer Autorenkolonie und schrieb weiter über die Nöte der Arbeiter und Bauern. Während seines Exils entstanden unter anderem „Maulwürfe“ (1934), „Pennbrüder, Rebellen, Marodeure“ (1937) und „Der Krummhofbauer und andere Dorfgeschichten“ (1939).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Scharrer 1945 nach Deutschland zurück und ließ sich in Schwerin nieder. Er arbeitete als Redakteur der „Schweriner Landeszeitung“ und wurde Leiter der Literatursektion im Kulturbund. Trotz seiner politischen Nähe zur Arbeiterbewegung trat er keiner Partei bei.

Adam Scharrer starb am 2. März 1948 in Schwerin an den Folgen eines Herzanfalls, der durch eine hitzige Debatte über den Umgang mit der NS-Vergangenheit ausgelöst wurde. Er hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das in der DDR große Verbreitung fand und als wichtiger Beitrag zur proletarischen Literatur gilt.

Seine Bücher, darunter „Vaterlandslose Gesellen“, „Der große Betrug“ und „In jungen Jahren“, geben bis heute Einblicke in das Leben und die Kämpfe der Arbeiterklasse und bleiben ein wichtiges Zeugnis der deutschen Literaturgeschichte.

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