Die gläserne Fackel

Roman

1866, als der erste der Steinhüters bei Carl Zeiss in Jena zu arbeiten beginnt, gibt es in den Optischen Werkstätten 25 Gehilfen und Lehrlinge, den Obermeister Löber und den Prinzipal, mehr nicht. Sechs Tage in der Woche, 11 3/4 Stunden am Tag, werden unter primitivsten Bedingungen die ersten Mikroskope mehr gebastelt als gebaut. Das ändert sich, als Carl Zeiss den von der Forschung besessenen Ernst Abbe zum Teilhaber macht, später kommt Glasmacher Schott aus Witten dazu, und die Verbindung von solidem Handwerk und schöpferischer Wissenschaft begründet eine Tradition, die die Entwicklung der Optischen Werkstätten zum weltbekannten Kombinat... alles anzeigen expand_more

1866, als der erste der Steinhüters bei Carl Zeiss in Jena zu arbeiten beginnt, gibt es in den Optischen Werkstätten 25 Gehilfen und Lehrlinge, den Obermeister Löber und den Prinzipal, mehr nicht. Sechs Tage in der Woche, 11 3/4 Stunden am Tag, werden unter primitivsten Bedingungen die ersten Mikroskope mehr gebastelt als gebaut. Das ändert sich, als Carl Zeiss den von der Forschung besessenen Ernst Abbe zum Teilhaber macht, später kommt Glasmacher Schott aus Witten dazu, und die Verbindung von solidem Handwerk und schöpferischer Wissenschaft begründet eine Tradition, die die Entwicklung der Optischen Werkstätten zum weltbekannten Kombinat »VEB Carl Zeiss JENA« möglich machte. Wolfgang Held gestaltet in dem Roman, der dem gleichnamigen Fernsehfilm folgt, am Beispiel des Schicksals einer Thüringer Arbeiterfamilie die wechselvolle Geschichte des Zeiss-Werkes. Er erzählt von den Anfängen und der »Gründung«, von der besonderen sozialen Rolle durch die »Stiftung« und davon, wie das Werk, immer stärker in die Rüstungsproduktion für den Ersten Weltkrieg einbezogen, zur »Waffenschmiede« wird.

Die Steinhüters sind durch ihre Arbeit existentiell mit diesen Ereignissen verflochten. Während die einen auf der Seite der Arbeiter kämpfen, lassen sich die anderen »von denen da oben Stückchen für Stückchen ihr Herz abkaufen«.

Der spannende Roman ist Familienchronik, Werkschronik und Chronik deutscher Geschichte zugleich. Er erschien erstmals 1989 im Mitteldeutschen Verlag Halle – Leipzig. Der gleichnamige siebenteilige Fernsehfilm mit Alfred Müller, Ulrike Mai, Jürgen Reuter, Jürgen Zartmann, Walfriede Schmitt, Hanns-Jörn Weber, Renate Blume-Reed, Horst Drinda u. a. wurde 1989 erstmals im DDR-Fernsehen gesendet.



INHALT:

1. Buch: Die Gründung

2. Buch: Die Stiftung

3. Buch: Die Waffenschmiede



1. Buch: Die Gründung

2. Buch: Die Stiftung

3. Buch: Die Waffenschmiede



An diesem Sonnabendvormittag schallte die zornige Stimme des Altgehilfen wieder einmal bis hinaus auf den Johannisplatz.

»Fast eine volle Stunde brauchst du Faulpelz für die hundert Schritte bis zum Bäcker«, wetterte er. Sein Zorn richtete sich gegen den Lehrling Franz Steinhüter. »Semmeln sollst du holen und nicht Maulaffen feilhalten! Dir werd' ich Beine machen! Hände herunter!«

Zwei kräftige Ohrfeigen klatschten.

Die Wangen des Jungen glühten.

»Ich hab' an der Zeitung gestanden«, stammelte er zu seiner Entschuldigung. »Sie hängen gerade die neuen Blätter aus. Königgrätz! Die Preußen haben achtzehntausend Gefangene gemacht. Hundertvierundsiebzig Geschütze ...«

»Papperlapapp!«, fuhr Löber den Jungen an, der sich unter der grimmigen Stimme duckte, als wären es erneut Schläge. »Preußen, Preußen! Hier bin ich Bismarck, merk dir das, du Lümmel!«

Franz machte seinen Rücken gerade, wollte gehorsam nicken und wurde von einer dritten Ohrfeige getroffen, bevor ihm Löber den Semmelbeutel abnahm und den Platz an einem Schraubstock zuwies.

Von einem der Arbeitsplätze im Hintergrund der Werkstatt hatte ein junger Mann im grauen Werkkittel die Züchtigung beobachtet, während die anderen Gehilfen und Lehrlinge dem Vorgang kaum Beachtung schenkten. Einen Augenblick lang schien es, als wolle er den Jungen in Schutz nehmen, doch er beherrschte sich eingedenk des Umstandes, dass er in diesem Raum nur Gast war. Verstimmt richtete er sein Interesse wieder auf die Tätigkeit, mit der er gerade beschäftigt war.

Carl Zeiss hatte in dem von der Werkstatt abgeteilten Raum anderen Ärger. Unzufriedenheit bei seinen Gehilfen empfand er wie frechen Trotz gegen väterliche Strenge. Nach seinem Verständnis von Sitte und Ordnung gebührte einem gerechten Prinzipal seiner Art von Leuten, die in seinem Dienst Lohn und Brot erwarben, neben dem selbstverständlichen Gehorsam auch ein Maß an respektvoller Dankbarkeit, das jeden Anflug von Widerspenstigkeit ausschloss. Um so mehr Mühe verlangte ihm in dieser Vormittagsstunde das Anhören einer Beschwerde ab.



Wolfgang Held

Geboren 1930 in Weimar, aufgewachsen und erzogen in einem konsequent sozialdemokratischen Elternhaus, stark geprägt vom Erlebnis KZ Buchenwald im April 1945 auf der Suche nach einem von der Gestapo verhafteten Onkel.

Volksschule und Handelsaufbauschule in Weimar, 1948/49 als Volkspolizist freiwilliger Aufbauhelfer (Enttrümmerung, Wasserleitung Maxhütte, u.a.).

Erkrankung an Tuiberkulose. Im Sanatorium für den weiteren Lebensweg entscheidende Begegnung und monatelanges, gemeinsames Zusammenleben in einem Zimmer mit gleichaltrigem Vikar.

Journalistische Ausbildung. Tätigkeit als Redaktionsassistent. Erste Buchveröffentlichung 1959.

Ab 1964 freischaffender Schriftsteller. Im literarischen Schaffen beeinflusst von Louis Fürnberg, Hans-Joachim Malberg, Bruno Apitz und Walter Janka. Zahlreiche Romane, Kinder- und Jugendbücher (u.a. Autor des Weimarer Knabe-Verlages), Drehbücher für Film und Fernsehen.

Literarische Auszeichnungen: Literatur-und Kunstpreis der Stadt Weimar, Nationalpreis der DDR, Preis der Filmkritiker, u.a. als erster deutscher Drehbuchautor für den Europäischen Filmpreis Felix nominiert, Goldene Ehrennadel der Stadt Weimar 2005.

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