Patrick

Belfast, Nordirland, Anfang der 1970er Jahren. Dort lebt der zwölfjährige Patrick. Er ist ein kleiner Junge, der vielleicht manchmal etwas sanft wirkt, sich aber trotzdem durchzusetzen versteht – wenn es hart auf hart kommt. Überall in Belfast gib es auch in der Gegend, wohin die Familie von Patrick vor zwei Jahren gezogen war, Lücken, viele Lücken, wo verfallene Häuser abgerissen und keine neuen gebaut worden sind. Auch eine ganze Menge Mauern sind in letzter Zeit zerschossen oder weggebombt worden. Sie sind das Ergebnis von Auseinandersetzungen, regelrechten Straßenschlachten zwischen Katholiken und Protestanten. Selbst Kinder sind nicht... alles anzeigen expand_more

Belfast, Nordirland, Anfang der 1970er Jahren. Dort lebt der zwölfjährige Patrick. Er ist ein kleiner Junge, der vielleicht manchmal etwas sanft wirkt, sich aber trotzdem durchzusetzen versteht – wenn es hart auf hart kommt.

Überall in Belfast gib es auch in der Gegend, wohin die Familie von Patrick vor zwei Jahren gezogen war, Lücken, viele Lücken, wo verfallene Häuser abgerissen und keine neuen gebaut worden sind. Auch eine ganze Menge Mauern sind in letzter Zeit zerschossen oder weggebombt worden. Sie sind das Ergebnis von Auseinandersetzungen, regelrechten Straßenschlachten zwischen Katholiken und Protestanten. Selbst Kinder sind nicht sicher.

Gewohnheitsmäßig geht Patrick den Streifen britischer Soldaten aus dem Weg, auch wenn er sich an den Anblick der Streifen mit Maschinenpistolen im Anschlag längst gewöhnt hat. Aber man weiß nie, was die Soldaten von einem wollen.

Und dann muss Patrick miterleben, wie sein bester Freund Cathal Haughey von einem Soldaten in einem Jeep erschossen wurde, weil er nicht auf seinen Befehl reagierte, stehen zu bleiben …



Das Buch für Kinder ab 9 Jahre war erstmals 1977 im Verlag Junge Welt Berlin erschienen und wurde von Angela Brunner illustriert.



LESEPROBE:

„Schwörst du, dichtzuhalten bei allem, was dir heilig ist?“

Dabei deutete sie über die Schulter zum Fenster. „Kein Wort, zu niemand!“

„Verlass dich drauf“, sagte ich leise, aber so eindringlich, dass sie mir glaubte.

„Ich vertrau’ dir“, sagte sie. „Hast ja auch früher immer zu mir gehalten.“

Und dann erfuhr ich den Rest, von dem ich nicht zu verschweigen brauche, was die Polizei ohnehin vermutet - nämlich dass Kierans bester Freund, Brian O’Hara, an der Explosion auf dem großen amerikanischen Fangschiff beteiligt gewesen war.

Das Schiff wurde von einigen mutigen Männern versenkt, als alle Proteste der irischen Fischer gegen die Plünderung ihrer Austernbänke im Sande verlaufen waren. Es hat auch in der Zeitung gestanden, dass nach diesem Vorfall Brian O’Hara aus einem vorbeifahrenden Auto in der Falls Road von einem unbekannten Täter erschossen wurde. Nicht in der Zeitung stand, dass Kieran Zeuge von dem Mord gewesen ist, den Täter erkannt und der Polizei gemeldet hat: Jimmy McKlintocks Vater!



„Schwörst du, dichtzuhalten bei allem, was dir heilig ist?“

Dabei deutete sie über die Schulter zum Fenster. „Kein Wort, zu niemand!“

„Verlass dich drauf“, sagte ich leise, aber so eindringlich, dass sie mir glaubte.

„Ich vertrau’ dir“, sagte sie. „Hast ja auch früher immer zu mir gehalten.“

Und dann erfuhr ich den Rest, von dem ich nicht zu verschweigen brauche, was die Polizei ohnehin vermutet - nämlich dass Kierans bester Freund, Brian O’Hara, an der Explosion auf dem großen amerikanischen Fangschiff beteiligt gewesen war.

Das Schiff wurde von einigen mutigen Männern versenkt, als alle Proteste der irischen Fischer gegen die Plünderung ihrer Austernbänke im Sande verlaufen waren. Es hat auch in der Zeitung gestanden, dass nach diesem Vorfall Brian O’Hara aus einem vorbeifahrenden Auto in der Falls Road von einem unbekannten Täter erschossen wurde. Nicht in der Zeitung stand, dass Kieran Zeuge von dem Mord gewesen ist, den Täter erkannt und der Polizei gemeldet hat: Jimmy McKlintocks Vater!

Der aber wurde nie verhaftet. Vielleicht hatte er im Auftrag der Polizei gehandelt. Jedenfalls stand er im Schutz der Polizei und läuft noch heute frei herum. Kieran aber wurde tagelang verhört, man wollte alles über Brian O’Hara von ihm wissen und rauskriegen, wer noch bei der Zerstörung des Fangschiffes mitgewirkt hatte. Kieran hätte sich eher in Stücke reißen lassen, als ein Wort davon verlauten zu lassen, und weigerte sich standhaft, Aussagen über seinen toten Freund zu machen. Schließlich hatte die Polizei ihn laufen lassen müssen. Ob sich dann Kieran den Revolver verschaffte, um Brian O’Hara selbst zu rächen, darüber sage ich besser nichts. Es genügt ja schließlich, wenn man weiß, dass die britischen Soldaten nicht auf den Streikbrecher und Mörder McKlintock angesetzt worden sind, sondern auf Kieran Macnamara! Den haben sie gejagt, bis er in das Haus floh.

„Lebend fasst ihr mich nie!“, soll er gerufen haben, sagte mir Molly, „Aber sie haben ihn gefasst, und er lebt noch - im Lager von Long Kesh mit verkrüppelten Füßen!“

Da verstand ich plötzlich, warum Michael noch wortkarger als sonst gewesen war und der Vater so aufbrausend. Ich glaubte auch zu begreifen, was Ray dazu treibt, sogar sonntags brauchbares Baumaterial zusammenzusuchen. Die Macnamaras waren hauptsächlich deswegen in Bedrängnis, weil sie für Kieran zu sorgen hatten, der, im Lager schlecht betreut, kaum genug zu essen bekam und auch sonst vernachlässigt wurde.

„Was glaubst du, was uns allein die Spezialschuhe gekostet haben, die Kieran jetzt trägt?“, fragte Molly.

„Wie soll ich das wissen?“

„Mehr als vierzig Pfund - aber ohne die Schuhe könnte er keinen Schritt tun. Und das in einem Lager!“

„Ich verstehe“, sagte ich nur, dann schwieg ich.



Walter Kaufmann (eigentlich Jizchak Schmeidler) wurde 1924 in Berlin als Sohn einer jüdischen Verkäuferin geboren und 1926 von einem jüdischen Anwaltsehepaar adoptiert. Er wuchs in Duisburg auf und besuchte dort das Gymnasium. Seine Adoptiveltern wurden nach der Reichskristallnacht verhaftet, kamen ins KZ Theresienstadt und wurden im KZ Auschwitz ermordet. Ihm gelang 1939 mit einem Kindertransport die Flucht über die Niederlande nach Großbritannien.

Dort wurde er interniert und 1940 mit dem Schiff nach Australien gebracht. Anfangs arbeitete er als Landarbeiter und Obstpflücker und diente als Freiwilliger vier Jahre in der Australischen Armee.

Nach 1945 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Straßenfotograf, auf einer Werft, im Schlachthof und als Seemann der Handelsmarine. 1949 begann er seinen ersten Roman, der 1953 in Melbourne erschien.

1957 übersiedelte er in die DDR, behielt jedoch die australische Staatsbürgerschaft. Seit Ende der 1950er Jahre ist Walter Kaufmann freischaffender Schriftsteller. Ab 1955 gehörte er dem Deutschen Schriftstellerverband und ab 1975 der PEN-Zentrum der DDR, dessen Generalsekretär er von 1985 bis 1993 war. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

Walter Kaufmann war außerdem in mehreren DEFA-Filmen als Darsteller tätig, teilweise unter dem Pseudonym John Mercator.

Auszeichnungen

1959: Mary Gilmore Award

1961, 1964: Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam

1967: Heinrich-Mann-Preis

1993: Literaturpreis Ruhrgebiet

Bibliografie



Werke in englischer Sprache

Voices in the storm

The curse of Maralinga and other stories

American encounter

Beyond the green world of childhood



Werke in deutscher Sprache

Wohin der Mensch gehört

Der Fluch von Maralinga

Ruf der Inseln

Feuer am Suvastrand

Kreuzwege

Die Erschaffung des Richard Hamilton

Begegnung mit Amerika heute

Unter australischer Sonne

Hoffnung unter Glas

Stefan – Mosaik einer Kindheit

Unter dem wechselnden Mond

Gerücht vom Ende der Welt

Unterwegs zu Angela

Das verschwundene Hotel

Am Kai der Hoffnung

Entführung in Manhattan

Patrick

Stimmen im Sturm

Wir lachen, weil wir weinen

Irische Reise

Drei Reisen ins gelobte Land

Kauf mir doch ein Krokodil

Flucht

Jenseits der Kindheit

Manhattan-Sinfonie

Tod in Fremantle

Die Zeit berühren

Ein jegliches hat seine Zeit

Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo

Über eine Liebe in Deutschland

Gelebtes Leben

Amerika

Die Welt des Markus Epstein

Im Fluss der Zeit

Schade, dass du Jude bist

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