Blitzschnell in den Hades

Ein Fall für Hilary Tamar - 2

Fünf Anwälte – Cantrip, Selena, Timothy, Ragwort und Julia – arbeiten auf der zweiten Etage der renommierten Londoner Kanzlei in Lincoln’s Inn. Die fünf Freunde sind mit der Änderung des Treuhandabkommens der Familie Remington-Fiske beschäftigt. Das Millionenvermögen soll auf die Tochter Camilla, die einzige noch lebende, direkte Erbin, überschrieben werden, denn so würden etwa drei Millionen Pfund Erbschaftssteuer gespart. Alle Familienmitglieder scheinen zu der benötigten Unterschrift bereit. Doch dann will Camillas Cousine Deirdre plötzlich 100.000 Pfund für ihr Einverständnis. Als Deirdre kurz darauf... alles anzeigen expand_more

Fünf Anwälte – Cantrip, Selena, Timothy, Ragwort und Julia – arbeiten auf der zweiten Etage der renommierten Londoner Kanzlei in Lincoln’s Inn. Die fünf Freunde sind mit der Änderung des Treuhandabkommens der Familie Remington-Fiske beschäftigt. Das Millionenvermögen soll auf die Tochter Camilla, die einzige noch lebende, direkte Erbin, überschrieben werden, denn so würden etwa drei Millionen Pfund Erbschaftssteuer gespart. Alle Familienmitglieder scheinen zu der benötigten Unterschrift bereit. Doch dann will Camillas Cousine Deirdre plötzlich 100.000 Pfund für ihr Einverständnis. Als Deirdre kurz darauf bei einem Familienfest tödlich verunglückt, verliert nicht nur die Familie Remington-Fiske die Fassung. Auch Deirdres Anwältin Julia glaubt, dass der Sturz von der Dachterrasse kein Unfall war. Die fünf Anwälte sind ratlos. Sie rufen Professor Hilary Tamar aus Oxford herbei, eine Koryphäe, die das unnachahmliche Talent besitzt, harte Fakten und zarte emotionale Bande miteinander zu kombinieren. Hilary Tamar soll herausfinden, warum jemand Deirdre aus dem Weg haben wollte, wenn doch Camilla das beträchtliche Vermögen erbt …



Prolog

Mag meine Offenheit mich auch noch so teuer zu stehen kommen – ich werde meine Leser nicht täuschen. Aufgrund einer Laune des Verlegers und meinen Protesten zum Trotz soll die Öffentlichkeit glauben, der folgende Bericht sei reine Fiktion. Nun, einen so haarsträubenden Schwindel werde ich auf keinen Fall unterstützen. Was folgt, ist kein Hirngespinst, sondern die schlichte, ungeschönte Wiedergabe realer Ereignisse, die, so fürchte ich, nur für Leser mit akademischen Neigungen von Interesse sind. Einige, vielleicht sogar viele, die sich von diesem Buch eher Unterhaltung als Belehrung erhofft haben, werden vielleicht zu ihrem Buchhändler eilen und mit allem Nachdruck, womöglich gar unter Androhung rechtlicher Schritte, die Rückerstattung des Kaufpreises verlangen, den aufzuwenden man sie verleitet hat. Diese Leser werden mir hoffentlich zugutehalten, dass ich ihnen durch mein freimütiges Geständnis an dieser Stelle ermögliche, das Buch ungelesen und in nahezu ungebrauchtem Zustand zurückzugeben. Ich für meinen Teil (für Verleger und Buchhändler kann ich nicht sprechen) würde lieber auf die bescheidene Summe verzichten, die mir aus dem Verkauf zufließt – sehr bescheiden, mager ist vielleicht das bessere Wort, fast möchte man sagen armselig – würde, wie gesagt, weitaus lieber auf diesen Betrag verzichten, als mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu bereichern.

Ach, geneigter Leser, könnte ich mich nur mit dem Rüstzeug der Literatur an mein Werk begeben, statt allein mit dem der Wissenschaft. Wäre es dem Historiker bloß gestattet, sich der Kunst verpflichtet zu fühlen, statt der Wahrheit, und folglich Schilderungen mit Szenen zu würzen, die nur auf Gerüchten und Spekulationen basieren. Mehr als alles andere wünschte ich, ich könnte meine Geschichte dort beginnen lassen, wo Schriftsteller dies gewöhnlich tun, nämlich am tatsächlichen Ausgangspunkt der tragischen Ereignisse, von denen zu berichten ich die Absicht habe: dem Verfassen des Testaments von Sir James Remington-Fiske an einem Märztag im Jahre 1934 in den Räumen der Rechtsanwaltssozietät der Solicitors Tancred & Co. in Lincoln’s Inn Fields.

Wie virtuos, mit welch liebevoller Detailfülle würde der Romancier diese Szene schildern: das dunkle, altmodische Büro, die Wände bedeckt mit Urteilssammlungen und Enzyklopädien der Rechtsgeschichte, das Fenster, das den Blick auf die rechteckige Grünfläche von Lincoln’s Inn Fields freigibt, und der übermüdete, seriös gekleidete Anwaltsgehilfe, der, auf seinem hohen Hocker sitzend, die Reinschrift des Testamentes anfertigt, den Entwurf mühsam und in gestochener Handschrift auf Pergament überträgt. (So kurz bevor der Mandant eintraf, um es zu unterzeichnen? Ja, ich denke schon. Da Sir James bereits einen Monat später starb, darf man wohl davon ausgehen, dass er um seinen Zustand wusste und die Verfassung seines letzten Willens eine Angelegenheit von größter Dringlichkeit und Eile war.) Die fahlen Sonnenstrahlen spielen Haschen mit den Frühlingswolken, purpurfarbene Krokusse leuchten am Fuße der kahlen Bäume, ein Mädchen in einem hübschen Kleid geht vorbei und der Wind zerzaust ihr Haar. Als der Schreiber aufschaut und sie sieht, lächelt er und kehrt leichteren Herzens an seine Arbeit zurück.

Ein Wagen – ein Rolls-Royce vermutlich – hält vor dem Gebäude, der Motor surrt vornehm leise. Der Mann, der aus dem Fond steigt, hat auf den ersten Blick die robuste Statur, die ihn für die Jagd im rauen Gelände schottischer Moore zu prädestinieren scheint, und jene kräftige Gesichtsfarbe, die dieser Sport mit sich bringt, doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass das Gesicht von Krankheit gezeichnet ist, die Haut ungesunde Flecken aufweist. Die Frau an seiner Seite hat die mittleren Jahre noch nicht erreicht und ist trotz ihrer sechs Kinder immer noch eine elegante Erscheinung, doch sie wirkt beinah, als sei sie schon in Trauer. Ihr runder grauer Hut mit dem Schleier lässt sie wie eine Witwe wirken. Der Seniorpartner tritt aus seinem Büro, um das Paar mit der ernsten Ehrerbietigkeit zu begrüßen, die dem Mandanten und dem Anlass des Besuchs entspricht, und fragt besorgt …

Nein. Nein, ich kann das nicht. Ich weiß nicht, ob Sir James groß oder klein war oder welch einen Hut seine Frau trug, die Krokusse könnten ebenso gut gelb gewesen sein und vielleicht ist an jenem Tag kein hübsches Mädchen in Lincoln’s Inn Fields spazieren gegangen. Ich weiß es nicht und kann es nicht erfinden, denn die Gelehrsamkeit ist ein Diener der Wahrheit, nicht der Kunst. Vergeben Sie mir, geneigter Leser: Mein Bericht muss fast ein halbes Jahrhundert später einsetzen, an dem Tag nämlich, da dieser Fall mich zu interessieren begann.



Sarah Caudwell wurde in London geboren. Nach Abschluss eines Jurastudiums in Oxford wurde sie an die Chancery Bar berufen. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Juristin am Lincoln’s Inn in London und begann die Krimireihe um die fünf smarten Londoner Anwälte und Hilary Tamar mit Professur in Oxford.

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