GEO Epoche 97/2019 - DER KOLONIALISMUS

Die Welt im Griff Europas

Liebe Leserin, lieber Leser Die Herrschaft, die Europäer ab etwa 1500 allmählich über weite Teile der Welt ausübten, war im Grundsatz ein brutales System der Unterdrückung, gegründet auf Habsucht, Rassismus und missionarischem Eifer. Die Kolonialmächte gingen über Leichen, und ihre Regime hinterließen Traumata, die vielerorts noch immer nicht verheilt sind – wie in Nordamerika, wo es zur fast völligen Auslöschung der Ureinwohner kam, wie in Afrika, wo mehr als zwölf Millionen Einheimische versklavt und über den Atlantik verschleppt wurden, wie in Indien, wo das British Empire millionenfachen Hungertod hinnahm.... alles anzeigen expand_more

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Herrschaft, die Europäer ab etwa 1500 allmählich über weite Teile der Welt ausübten, war im Grundsatz ein brutales System der Unterdrückung, gegründet auf Habsucht, Rassismus und missionarischem Eifer. Die Kolonialmächte gingen über Leichen, und ihre Regime hinterließen Traumata, die vielerorts noch immer nicht verheilt sind – wie in Nordamerika, wo es zur fast völligen Auslöschung der Ureinwohner kam, wie in Afrika, wo mehr als zwölf Millionen Einheimische versklavt und über den Atlantik verschleppt wurden, wie in Indien, wo das British Empire millionenfachen Hungertod hinnahm. So eindeutig also das moralische Urteil über diesen fast 500 Jahre währenden mörderischen Eroberungs- und Raubzug ausfallen muss – so sehr war der Kolonialismus gleichzeitig eine Erscheinung von "kolossaler Uneindeutigkeit",

wie es der Historiker Jürgen Osterhammel formuliert hat. Denn es gab nicht den Kolonialismus; vielmehr zeigte er sich in vielen Formen und Facetten. Zu seiner Geschichte gehörten wagemutige Kapitäne wie Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und James Cook, die mit ihren hochriskanten Aufbrüchen ins Unbekannte das Wissen um die Welt erweiterten (und zugleich die europäische Expansion vorantrieben), aber auch mitleidslose Geschäftemacher wie der Niederländer Jan Pieterszoon Coen, der für die niederländische Ostindien-

Kompanie die Bevölkerung ganzer Inseln im Pazifik niederkartätschen ließ. Die Europäer übten ihre Macht in höchst unterschiedlichen

Graden der Dominanz aus: etwa die englischen Siedler, die 1607 im nordamerikanischen Indianerland ein hölzernes Fort errichteten, das zur Keimzelle eines erdumspannenden Imperiums wurde; oder die dänischen Pflanzer, die auf ihren Zuckerrohrplantagen in der Karibik schwarze Sklaven schuften ließen; oder die in ihre bourgeoisen Rituale verliebten Franzosen, die im Süden Vietnams ein zweites Paris erbauten.

Fremdherrschaft bedeutete auf der Karibikinsel Hispaniola die Stationierung von einigen spanischen Soldaten, die nicht einmal den Widerstand von ein paar Hundert Rebellen niederschlagen konnten; aber auch das Schreckensregiment belgischer Beamter im Kongo, die von ihren Hilfstruppen Hunderttausende Einheimische verstümmeln und ermorden ließen, um ihre Gier nach Kautschuk zu befriedigen.

Kolonien wurden als Stützpunkte angelegt, als Versorgungshäfen für die Handels- und Kriegsmarine, als militärische Vorposten in strategisch wichtigen Ländern – oder als Straflager für Kriminelle. In den Überseebesitzungen lebten zuweilen Hunderttausende Bauern aus dem "Mutterland" (wie in Algerien) oder gerade mal eine Handvoll Abgesandter (wie in dem von Berlin beherrschten Deutsch-Neuguinea).

Und zu den zahllosen Ausprägungen dieses Phänomens gehört auch, dass der Kolonialismus in seiner fast ein halbes Jahrtausend umfassenden Geschichte mancherorts durchaus einen Modernisierungsschub bewirkte. Um ihre Besitzungen effizienter ausbeuten zu können,

bauten die Fremdherrscher Eisenbahnen, schufen die Ansätze für eine leistungsfähige Verwaltung und ein öffentliches Gesundheitswesen, errichteten Schulen – in denen nicht zuletzt eine einheimische Elite ausgebildet wurde, die wie Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru

in Indien oder Kwame Nkrumah in Ghana ihre Länder in die Unabhängigkeit führten. Wolfgang Reinhard, Spezialist für die Geschichte der europäischen Expansion, nennt das die "Dialektik des Kolonialismus". Mancher Aspekte dieses höchst komplexen Themas haben wir uns schon angenommen (siehe den Hinweis auf einige bereits erschienene Hefte links). Doch noch nie haben wir die Geschichte des Kolonialismus in ihrer

ganzen Vielfältigkeit präsentiert. Das holen wir hiermit nach.



GEO EPOCHE ist das GeschichtsMagazin von GEO und erscheint sechsmal pro Jahr. Jede Ausgabe ist einem historischen Thema gewidmet - Epochen wie dem Mittelalter, Staaten wie Preußen, Weltreligionen wie dem Judentum. Geschichte schillernd und packend ohne Staub, Fußnoten und Zahlenkolonnen. Erzählt werden Geschichten über bedeutende Personen und dramatische Ereignisse, über Alltag und Kultur, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. In genauen historischen Rekonstruktionen sowie opulenten Bildessays und Experteninterviews, mit Karten und Infokästen wird die jeweilige Epoche zum Leben erweckt und vor allem deren Alltag sinnlich nacherzählt. "Wir nehmen die Leser mit auf eine Zeitreise", so lautet das Credo der Chefredaktion.



PROLOG Die Macht der fremden Herren

Frühe Fotos zeigen den Alltag europäischer Fremdherrschaft 6

KARTEN Europas Ausgreifen auf andere Kontinente 1415–1914

Die Unterwerfung der Welt 22

HISPANIOLA Kampf den Konquistadoren 1533

Ein Karibe wagt den Widerstand – und siegt 26

JAMESTOWN Vorposten im Indianerland 1607

Der Aufstieg des British Empire beginnt in Virginia 38

NEUFRANKREICH Ringen um Nordamerika 1629

Im Wettstreit um den Kontinent hat Paris das Nachsehen 48

NIEDERLANDE Das Imperium der Gier 1670

Eine Kaufmannsgesellschaft erobert Handelswege Asiens 50

DÄNISCH-WESTINDIEN Aufstand der Entrechteten 1733

In der Karibik rebellieren Sklaven gegen ihre brutalen Herren 64

ALASKA Die Kolonie des Zaren 1784

Ein Pelzhändler bahnt Russland den Weg nach Amerika 74

FRANZÖSISCH-INDOCHINA Das Paris des Ostens um 1900

Das vietnamesische Saigon wird zur europäischen Metropole 76

LEOPOLD II. VON BELGIEN Terror im Kongo 1885

Der König errichtet die brutalste Kolonialherrschaft Afrikas 88

SUDAN Londons Krieg gegen den Mahdi 1898

Ein Kampf gegen radikale Muslime – und indirekt gegen Paris 90

DEUTSCH-NEUGUINEA Im Land der Geister und Ahnen 1903

Berlin greift nach einem riesigen Inselreich im Pazifik 102

KOLONIALMACHT DEUTSCHLAND Des Kaisers Traum

Wilhelm II. will ein deutsches Imperium in Übersee schaffen 113

ZEITLEISTE Daten und Fakten 119

ZWANGSPROSTITUTION Scham und Schande 1937–1945

Japan zwingt Zehntausende Frauen in Soldatenbordelle 132

FRANTZ FANON Schwarze Haut, weiße Masken 1942

Ein Psychiater rät Unterdrückten zum bewaffneten Aufstand 144

INDIEN Die Vision der Großen Seele 1947

Gewaltlos streitet Mahatma Gandhi für die Unabhängigkeit 148

BILANZ Wunden, die nicht verheilen

Viele Länder leiden noch unter Folgen der Fremdherrschaft 162

Die Welt von GEO 118

Mitarbeiter 131

Impressum, Bildnachweise 165

Vorschau »Deutschland um 1700« 166

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