Happy Rolliday
Es ist nach wie vor ein gewagtes Unternehmen, als Rollstuhlfahrer mit dem Flugzeug unterwegs zu sein. Und das nicht nur von Berlin nach München, sondern gleich über den Großen Teich. Aber es ist wirklich eine Frage der Organisation, sich auf so einen Trip einlassen zu können. In diesem konkreten Falle traf manch Positives zusammen: Das Wichtigste war wohl, dass unser Gastgeber in San Fran (sage niemals Frisco, dann gibt es Zanke mit Einheimischen!) ein alter Schulfreund war. Dieser war Anfang der Neunziger von seiner Reederei als Repräsentant mit Familie, Haus und Auto in die wohl schönste Stadt Kaliforniens geschickt worden. Durch diese private Anbindung haben wir in vierzehn Tagen ein Maximum sehen und erleben können, was seinen Niederschlag im vorliegenden Reise-Essay fand. Der Zusatz and so on bedeutet, dass es nicht nur um diese Reise geht – und so weiter meint, dass auch mein Leben als DDR-Schriftsteller vor und nach dem Unfall 1977 eine Rolle spielen wird. Verknüpft mit eigenen Beobachtungen und Erlebnissen im US-amerikanischen Alltag, wie er sich nicht nur bei meinem Schulkameraden und seiner Familie zeigte. Sehenswürdigkeiten zu beschreiben halte ich für weniger sinnvoll; das können Reisehandbücher wie beispielsweise der Baedeker viel besser und umfangreicher. Ein besonderes Erlebnis war allerdings der Besuch auf Jack Londons Farm bei Glen Ellen. Nicht zu vergessen der J.-L.-Bookstore – ein Buchladen mit einem Sammelsurium, was nur mit dem weltbekannten Autor irgendwie zu tun haben könnte. Ich hatte Jahre zuvor kraft Fantasie den Abenteuerroman Tödliche Jagd (Co-Autor Hans Bräunlich) geschrieben, dessen Hintergrund unter anderen Jack London und S. F. waren. Im Nachhinein bin ich zufrieden mit meiner professionellen Vorstellungskraft. Oder unser Besuch in Bodega Bay. Hier drehte Alfred Hitchcock seinen Horror-Film Die Vögel. Die Schule, in der sich die Katastrophe mit Möwen, Krähen etc. abspielte, stand noch als heruntergekommene Pension. Das wichtigste Anliegen meines Reise-Essays war jedoch am praktischen Beispiel vorzuführen, dass es auch einem hochgradig Querschnittgelähmten nicht versagt bleibt, im Rollstuhl fremde Länder auf entfernten Kontinenten zu besuchen. Aktionen wie Happy Rolliday I-IV, selbstredend mit helfenden Händen, erweitern nicht nur den Gesichtskreis, sie stärken das Selbstbewusstsein und somit auch die Gesundheit eines Behinderten.
San Francisco and so on
Jedermann sollte in zwei Städte verliebt sein - in seine Heimatstadt und in San Francisco
Die Ankunft in San Francisco ist ein Augenblick fürs ganze Leben
San Francisco ist so etwas wie eine Märchenfee
Und vor allem habe ich immer die Restaurants gemocht
San Francisco ignoriert alle meteorologischen Gesetzmäßigkeiten wie sie für den Rest der Welt gelten
San Francisco ist eine der größten Kulturstätten der Welt
San Francisco - nirgendwo gibt es eine aufstrebende und schwungvolle Stadt wie diese
In dieser Stadt des Goldes versammelten sich einst Abenteurer aus allen Himmelsrichtungen
San Francisco sieht aus, als wäre es von den Göttern selbst erbaut worden
Ich mag San Francisco nicht - ich liebe es
Was San Francisco bedeutet? Goldene Handschellen, deren Schlüssel weggeworfen wurden
Ein Fußbreit Boden in San Francisco hat mehr Liebreiz als jeder andere Platz auf Erden
Kapstadt und so weiter
Vorspann
MEHR ALS WEISHEIT ALLER WEISEN GALT MIR REISEN, REISEN, REISEN.
Das Stadt- und Landschaftsbild in sich aufnehmen,
Das Beste ist fahren
Man sieht nur, was man weiß.
Man kann alle Reisenden in zwei Charakterklassen teilen,
Das Beste ist fahren;
Wenn ich in eine Bibliothek von 100.000 Bänden geführt werde,
Es gibt nur ein Mittel, sich wohlzufühlen:
Das Fahren ist das Beste von der Geschichte,
Denn es kommt nicht auf die Masse des zu Sehenden
Das Wichtigste hat man,
Ich habe in diesen Tagen so viel gesehen,
LITERATUR ZUM NACHLESEN
Florida and so on
als gouverneur von texas habe ich
… ich möchte hiermit bekanntgeben,
ich glaube, wenn man weiß, was man glaubt,
ich habe mit meinem kleinen bruder Jeb
man hat mich als führer verschätzt.
ich weiß, wie schwer es ist, essen
das vertrauen ist riesig.
selten stellt man sich die frage:
ich weiß, was ich glaube.
… sie sind fast rentner – bald in rente –
für jede schießerei mit tödlichem ausgang
… wir treffen die richtigen entscheidungen,
ich sag es gern so:
Dick Cheney und ich wollen dieses land
ich bin mir des unterschiedes
es wäre ein fehler, wenn der senat
das ist eindeutig ein haushaltsplan.
russland ist nicht mehr unser feind
Dubai – Sydney – Singapur und so weiter
DER TOURI
Zum Reisen gehört Geduld
Das Wichtigste für einen Reisenden ist der Weggenosse
Reisen sind von jeher mit recht als Unternehmungen
Man sagt, dass rollende Steine kein Moos ansetzen
Ein Mann, der seine Heimat verlässt
Der Genuss auf einer Reise ist
So ein Kerl wie ich weiß nichts Besseres zu tun
Ich traute meinen Augen nicht, als unsere Hilfe für das Abflug-Zeremoniell auftauchte. Für solche Kräfte gibt es, wie anfangs beschrieben, internationale Abmachungen. Schließlich hatte ich mit Hilfe vom REISEBÜRO DIETRICH bei TUI meine totale Hilflosigkeit per Fragebogen für behinderte Reiseteilnehmer geltend gemacht. Und bislang gab es – vom Hinflug auf dem Airport Frankfurt am Main einmal abgesehen - keine grundsätzlichen Probleme mit dieser Regelung. Aber nun kam dieser schwarze in Ehren ergraute Großvater! Mit meiner Wortschöpfung Spargel-Tarzan ist wohl auch dieses Mal alles gesagt. Ich versuchte dem schmächtigen Alten freundlich klarzumachen, was von ihm erwartet wurde. Nicht nur, dass er mich bis zum Flugzeug schieben musste, er hatte mich vor dem Cockpit auf das Stullenbrett zu heben, im Mittelgang zu unserer Sitzreihe zu fahren und auf meinen Platz am Fenster zu hieven. Mit einem nachsichtigen Lächeln tat grandfather alle Bedenken ab. Dörte schob kurzerhand den Rollstuhl und überließ dem alten Mann zu seiner Beruhigung ein kleines Gepäckstück. Aber was würde an Bord sein?
Die Ausreisekontrolle hatte es in sich: Mein Weib und Kerstin waren bereits durch – bei mir fiel einem Officer ein, dass ich möglicherweise in den Schuhen beziehungsweise in den Strümpfen eine Bombe oder einen Dolch zum Meucheln des Piloten versteckt haben könnte. Ein junger Schwarzer musste niederknien und begann seine Kontrolle. Für Unbeteiligte sah dies sicherlich belustigend aus. Aber spätestens seit dem FALL CORNELIA RÖSSNER sollte sich jedermann jedweden Kommentar bei derartigen Durchsuchungen verkneifen. Nachdem Frau Rössner auf dem Flughafen Washington zusehen musste, wie die Beamtin aus Nebenfächern der Reisetasche einen Slip nach dem anderen zog und per Sichtkontrolle überprüfte, soll sie ihre Beherrschung verloren und ironisch gefragt haben, ob darin eine Bombe zu finden sei. Alles Weitere ging sehr schnell. Originalton der Sicherheitsbeamtin: Die Frau hat etwas von einer Bombe gesagt. Cornelia Rössner wurde aufgrund des geäußerten B-Wortes (Übliche Umschreibung von Ausdrücken, die als Klarwort tunlichst vermieden werden, aber so im Umgang miteinander erlaubt sind: B-word gleich bomb; F-word gleich fuck you o. ä.) festgenommen und unter Anklage gestellt. Ohne Möglichkeit einer Rechtfertigung – stereotype Antwort des Personals Sprechen Sie nicht mit mir! - und nach einer Nacht in einer dreckigen Gefängniszelle stellte der Bezirksrichter bei ihrer Anhörung fünf Jahre Haft wegen Falschinformation über eine Bombe in Aussicht. Dank guter Freunde wurde sie gegen Kaution freigelassen. Als Frau Rössner danach ihre beschlagnahmte Reisetasche vom Flughafen abholen wollte, wurde sie erneut verhaftet. Jetzt hatte das FBI den Fall an sich gezogen und eine junge ehrgeizige Staatsanwältin setzte einen Termin fürs Geschworenengericht fest. Kurzum: Irgendwann ging diese bitterböse filmreife Posse in Gottes eigenem Land mit 1000 Dollar Geldbuße und einem unterschriebenen Schuldanerkenntnis wegen Widerstand gegen einen Flughafenbeamten zu Ende. Originalton Cornelia Rössler: Ich hätte alles unterschrieben, damit ich das Land verlassen kann.
Und ein Jahr später war in einer ähnlichen Situation der französische Co-Pilot Philippe Rivere nach einem Scherz, als er sich der Sicherheitsschleuse verweigerte. Er habe eine Bombe im Schuh. Der 51-Jährige wurde wegen Falschaussage festgenommen und angeklagt: Strafandrohung bis zu elf Jahre. Nur durch eine Kaution der AIR FRANCE kam er wieder frei – 150 Passagiere mussten eine Nacht lang auf ihren Rückflug New York-Paris warten. Solche Überreaktionen nach dem 11. September 2001 entlarvte auf höchst anschauliche Weise ein Student, der ein Teppichmesser und eine Bomben-Attrappe bei einem Inlandsflug in der Bordtoilette versteckte, um diese Waffen einige Wochen später wieder an sich zu nehmen.
Hans-Ulrich Lüdemann (Pseudonym John U. Brownman mit Co-Autor Hans Bräunlich) wurde am 4. Oktober 1943 in Greifswald geboren. Nach dem Abitur folgte ein Studium der Sportwissenschaften, Psychologie, Pädagogik und Germanistik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität im vorpommerschen Greifswald.
Von 1966 bis 1969 arbeitete er beim Verlag Junge Welt Berlin. Danach war er freischaffend tätig als Journalist, TV-Kameramann und Schriftsteller.
1977 erlitt Hans-Ulrich Lüdemann einen Unfall als Reservist während seiner NVA-Wehrpflicht, der ihn zeitlebens in den Rollstuhl zwingt.
Er ist Autor von 20 Hörspielen für Kinder und Erwachsene, desgleichen sind 26 Buchtitel von ihm erschienen. Als wichtigstes Werk gilt sein autobiographisch geprägter Roman Der weiße Stuhl. Hans-Ulrich Lüdemann hat sich auch als Szenarist von TV-Filmen ausgewiesen. Schreiben ist für ihn Therapie. Seiner physischen und psychischen Stärkung dienten seit 1992 über zwei Dutzend Aufenthalte in Dänemark, Reisen nach San Francisco, Zypern, Toronto, Guernsey, Kapstadt, Florida, Dubai, Sydney und Singapur ...
Glückliche Rollstuhl-Tage in Kalifornien fanden ihren Niederschlag in San Francisco and so on Happy Rolliday I. Ein Reise-Essay zu Südafrika trägt den Titel Kapstadt und so weiter Happy Rolliday II. Das dritte Buch über eine Reise im Oktober 2002 mit dem Titel Florida and so on Happy Rolliday III erschien Januar 2005. Ein viertes Reise-Essay Dubai-Sydney-Singapur und so weiter Happy Rolliday IV schloss 2005 die Reihe Happy Rolliday ab. 
Die Gesamtauflage seiner Bücher beträgt nahezu eine Million Exemplare. 
Mitgliedschaften: SV der DDR 1974, VS 1990; IG Medien 1990. 
1973 Hörspielpreis des DDR-Rundfunks, 1977 Kunstpreis des DTSB, 1982 Preis für Kinder- und Jugendliteratur des Kulturministeriums der DDR.
Er ist am 23.9.2019 in Berlin verstorben.
Versandkostenfreie Lieferung! (eBook-Download)
Als Sofort-Download verfügbar
- Artikel-Nr.: SW9783965210837458270.1
- Artikelnummer SW9783965210837458270.1
- 
Autor
Hans-Ullrich Lüdemann
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 1040
- Veröffentlichung 20.08.2020
- Barrierefreiheit
- ISBN 9783965210837
- Wasserzeichen ja
 
 
