Ansprüche und Problematik kompetenzorientierter Abschlussprüfungen im dualen System der Berufsausbil

Für die (meist) jungen Erwachsenen stellt das Bestehen der Berufsabschlussprüfung einen Meilenstein in ihrer Biographie dar. Die Allokationsfunktion sowie die identitätsbildende Funktion der neuerlangten Berufszugehörigkeit haben eine hohe individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung. Aus dieser Bedeutung der beruflichen Abschlussprüfung ergeben sich qualitative Anforderungen an die Gestaltung und Durchführung der Prüfung, die sich mit der Erhebung der Handlungskompetenz zum Leitbild der beruflichen Bildung gewandelt und erhöht haben. Den Konstrukteuren beruflicher Abschlussprüfungen stellt sich die allgemeine Problematik... alles anzeigen expand_more

Für die (meist) jungen Erwachsenen stellt das Bestehen der Berufsabschlussprüfung einen Meilenstein in ihrer Biographie dar. Die Allokationsfunktion sowie die identitätsbildende Funktion der neuerlangten Berufszugehörigkeit haben eine hohe individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung. Aus dieser Bedeutung der beruflichen Abschlussprüfung ergeben sich qualitative Anforderungen an die Gestaltung und Durchführung der Prüfung, die sich mit der Erhebung der Handlungskompetenz zum Leitbild der beruflichen Bildung gewandelt und erhöht haben. Den Konstrukteuren beruflicher Abschlussprüfungen stellt sich die allgemeine Problematik der Kompetenzerfassung, sowie die Frage, anhand welcher Indikatoren eine kompetenzorientierte Prüfungsgestaltung umzusetzen ist, um berufliche Handlungskompetenz valide erfassen zu können.



Für die (meist) jungen Erwachsenen stellt das Bestehen der Berufsabschlussprüfung einen Meilenstein in ihrer Biographie dar. Die Allokationsfunktion sowie die identitätsbildende Funktion der neuerlangten Berufszugehörigkeit haben eine hohe individuelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung. Aus dieser Bedeutung der beruflichen ...



Textprobe:

Kapitel 3, Zentrale Gütekriterien in kompetenzorientierten Abschlussprüfungen - eine Analyse am Beispiel der ´Arbeitsprobe` im Ausbildungsberuf Augenoptiker/in:

Zur Erfassung der geforderten beruflichen Handlungskompetenz ist eine kompetenzorientierte Prüfungsgestaltung notwendig, für die im Verlauf der Arbeit zentrale Gütekriterien herausgestellt werden. Prüfungsdidaktische Literatur mit Beurteilungen zu bestehender Prüfungsgestaltungen gibt es in verschiedenen Berufen, diese Arbeit verfolgt nicht das Ziel, die in dieser Hinsicht bestehende Lücke im Ausbildungsberuf Augenoptiker/in zu füllen und eine aktuelle Prüfungskonzeption zu evaluieren. Der Bezug zu einer derzeit durchgeführten Prüfungskonzeption dient hier der Illustration der Problematik, mehrere Gütekriterien professionell in Einklang zu bringen.

3.1, Darstellung der gegenwärtigen Prüfungspraxis:

Der Ausbildungsberuf Augenoptiker/in, auf den sich diese Arbeit beispielhaft bezieht, ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach § 4 BBiG und § 25 Handwerksordnung. Die Ausbildung erfolgt im dualen System (vgl. Kap. 2.1) der Berufsausbildung. Die berufliche Abschlussprüfung in Ausbildungsberufen nach BBiG, so auch die Gesellenprüfung im Ausbildungsberuf Augenoptiker/in, liegt in Händen der ´zuständigen Stelle`, in diesem Fall die zuständige Innung, die einen paritätisch besetzten Prüfungsausschuss einrichtet.

Die traditionelle Struktur der beruflichen Abschlussprüfung mit zwei Prüfungsteilen unter den dualistischen Leitbegriffen ´Kenntnisse` und ´Fertigkeiten`, entspringt der Auffassung von Theorie und Praxis als separate Bereiche. Seit Ende der 1980er Jahre werden stärkere wechselseitige Bezüge gefordert, ‘Wissen’ und ‘Können’ werden nicht mehr voneinander isoliert gesehen. Dies entspricht der antidualistischen Position Aeblis, die sich im Konzept der Handlungskompetenz widerspiegelt (vgl. Kap. 2.4.3). Im Zuge dieser paradigmatischen Veränderungen zeigt sich in vielen Berufen eine zunehmende prozessbezogene Verknüpfung von theoretischen und praktischen Aspekten zu ganzheitlichen Aufgabenstellungen, orientiert an realen beruflichen Anforderungssituationen.

Die Ausbildungsordnung des Ausbildungsberufes Augenoptiker/in, auf deren Grundlage die berufliche Abschlussprüfung erfolgt, behält die traditionelle Einteilung in einen schriftlichen und einen praktischen Teil der Gesellenprüfung bei, allerdings wurde in ihrer Neuordnung im Jahr 1997 die praktische Prüfung um die Teilprüfung ´Arbeitsprobe` erweitert. Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich die ´Arbeitsprobe` in den Blick genommen, weil sie als neu in die Prüfungskonzeption aufgenommener, kompetenzorientierter Prüfungsteil angesehen wird.

Das Konzept der ´Arbeitsprobe`, unter dem Siegel der Kompetenzorientierung wird als weit verbreitetes Verfahren beschrieben. Die spezifische Prüfungskonzeption der ´Arbeitsprobe` im Ausbildungsberuf Augenoptiker/in wird bis dato in dieser Form in Niedersachsen und Bremen durchgeführt.

Die Teilprüfung ´Arbeitsprobe` ist als situierte Aufgabe konzipiert. Den Prüfungsteilnehmern wird jeweils die Schilderung einer beruflichen Anforderungssituation des Tätigkeitsfeldes ‘Beraten von Kunden bei gegebener Fassung und vorgegebenen Zentrierdaten’, entsprechend den Vorgaben der Ausbildungsordnung (vgl. Kap. 3.2), in schriftlicher Form vorgelegt (vgl. Anhang 1).

Die Aufgabenblätter Seite 8 und 9 sind anhand dieser Situation überwiegend in offener Form schriftlich zu bearbeiten. Zunächst sind die Messwerte aus der Situationsbeschreibung zu verstehen und in Fachtermini (fachliche Bezeichnung der spezifischen Fehlsichtigkeit) zu übersetzen, sowie eine kurze Berechnung (der individuellen Akkommodationsgebiete jeweils für den Fern- und den Nahbereich) durchzuführen. Auf Grundlage der berechneten physikalischen Gegebenheiten sollen die Prüfungsteilnehmer die Sehaufgaben des fiktiven Kunden verstehen und unter Anwendung ihres Fachwissens eine begründete Brillenglasempfehlung abgeben. Unter Verwendung fachspezifischer Unterlagen ist eine der Empfehlung entsprechende praxisübliche Kostenberechnung durchzuführen.

Abschließend ist in der ´Arbeitsprobe` (gemäß der Ausbildungsordnung) die anatomische Anpassung einer Brillenfassung (vgl. Kap. 3.2) an einen Probanden durchzuführen und Hinweise zur Handhabung und Pflege der Brille, bezogen auf die zuvor abgegebene Brillenglasempfehlung zu geben. Bei der Benotung des Arbeitsschrittes ´anatomische Brillenanpassung` werden sowohl die Handhabung und Sicherheit im Arbeitsprozess, als auch das Arbeitsergebnis berücksichtigt. Insgesamt geht die ´anatomische Brillenanpassung` mit 140 von 400 Punkten (35 %) in das Prüfungsergebnis der ´Arbeitsprobe`, deren Ergebnis wiederum 40% des Gesamtergebnisses der praktischen Prüfung bildet, ein.

3.2, Prüfungsgegenstand und Ausbildungsberufsbild:

Eine zentrale Anforderung an berufliche Abschlussprüfungen ist die valide Erfassung des Ausbildungsziels (vgl. Kap. 2.4.1). Dazu ist eine Prüfungskonzeption nötig, die geeignet ist, tatsächlich das zu erfassen, was erfasst werden soll (vgl. Kap. 2.3.1). Der Frage ´was soll erfasst und geprüft werden`, soll speziell für die beispielhaft gewählte ´Arbeitsprobe` in der Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Augenoptiker/in methodisch durch eine qualitative Inhaltsanalyse nachgegangen werden.

Die Gültigkeit einer Prüfung ist davon abhängig, ob sie den Anforderungen der beruflichen Praxis und den Vorgaben der Ordnungsmittel entspricht (vgl. Kap. 2.3.1). Bedeutsam sind insbesondere das Ausbildungsberufsbild und die Prüfungsanforderungen. Demzufolge bietet sich das Ausbildungsberufsbild in der Ausbildungsordnung als Quelle des Prüfungsgegenstandes gleich doppelt an. Die Ausbildungsordnung ist eines der Ordnungsmittel für die Berufsausbildung, und das enthaltene Ausbildungsberufsbild liefert Informationen über die Tätigkeit einer beruflichen Fachkraft durch die Formulierung des ‘beruflichen Endverhaltens’ als Lernziel.



Ines Triphaus-Giere (staatlich geprüfte Augenoptikerin und Augenoptikermeisterin) verfasste die vorliegende Studie zu Ansprüchen und Problematik kompetenzorientierter beruflicher Abschlussprüfungen als Bachelorarbeit im Studiengang ´Berufliche Bildung`. Den anschließenden Masterstudiengang Lehramt an Berufsbildenden Schulen (M Ed) schloss sie 2012 ab.

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