Die Goldenen Zwanziger im Stuttgart? - Die Schokoladenvilla von Maria Nikolai

Die Geschichte der Schokoladenfabrikanten Rothmann aus Stuttgart geht weiter! Nachdem der erste Teil in Stuttgart um 1900 spielte, wählt Maria Nikolai für den zweiten Teil die „goldenen“ 1920er Jahre. Dass diese in Berlin Jahre voll Vergnügungslust und Dekadenz sind, ist hinlänglich bekannt. Umso spannender ist aber natürlich, wie Nikolai dieses berühmte Jahrzehnt fernab von Berlin, im schwäbischen Stuttgart beschreibt.

Auch wenn der erste Teil der Schokoladenvilla in literarischer Hinsicht vielleicht kein Kandidat für einen Literaturpreis ist, unterhaltend ist er allemal. Im Stil von bekannten und momentan beliebten Familiensagas wie der Tuchvilla, dem Weingut und dem Rosenpalais erzählt Maria Nikolai von den Geschicken der Schokoladenproduzenten Rothmann. Wie immer läuft in der Familie nicht alles rund: Die Frau ist nervenkrank und fährt zur Kur, das Familienoberhaupt ist konservativ und herrisch und die Tochter Judith verliebt sich in den Falschen. Ihre beiden Zwillingsbrüder Karl und Anton machen nur Unsinn - und schließlich gilt es auch noch, die Firma mit einer neuen Geschäftsidee zu retten.

Nikolai erzählt die Geschichte in einem lockeren, leicht lesbaren Schreibstil aus den jeweiligen Perspektiven der Familienmitglieder. Dadurch bleibt immer Bewegung in der Geschichte und es wird nicht allzu langweilig, auch wenn manche Dinge etwas vorhersehbar sind.

Im zweiten Teil der Schokoladenvilla treten nun dieselben Figuren auf. Nikolai baut allerdings einen großen Zeitsprung ein: Inzwischen leitet Judith gemeinsam mit ihrem Mann die Schokoladenvilla. Neu hinzugekommen als handelnde Personen sind nun die Zwillingsbrüder als erwachsene Männer. Außerdem kommt Judiths Tochter hinzu. Ihr Mann bringt daneben noch die Halbschwester Serafina mit in die Familie ein.

Während die Handlung in Stuttgart zunächst etwas träge dahinplätschert - hier ist nicht viel von den Goldenen Zwanzigern zu spüren - soll Serafina mit ihrer Berliner Herkunft wohl etwas Glanz in die Geschichte bringen. Die Handlung wirkt teilweise ein wenig überzogen: Serafina wurde unter Drogen gesetzt und wird nun mit kompromittierenden Fotos davon erpresst. Am Stuttgarter Bahnhof aber lernt sie eine Französin kennen, die sich sogleich zu Ermittlungen nach Berlin aufmacht, um die Erpresser zu finden.

Im Laufe des Buches kommt es nicht nur zu einer Jagd nach den Erpressern (die sich Serafina seltsamerweise zu erkennen geben, obwohl das ja bedeuten würde, dass Serafina sie sofort bei der Polizei anzeigen könnte). Es kommt auch zu einem Angriff auf die Schokoladenfabrik durch einen alten Widersacher, ein paar Liebschaften und einer Freundschaft zwischen Fabrikantentochter und Arbeiterkind.

Insbesondere, dass eine reiche, zehnjährige Fabrikantentochter mit dem Auto zum Spielen bei einer Arbeiterfamilien abgesetzt macht die Geschichte nicht so richtig glaubwürdig. Auch dass Judith ihrer zehnjährigen Tochter in der Fabrik eine Versuchsküche eingerichtet hat, in der das Mädchen mit ihrer Freundin zusammen Schokoladen herstellt, ist etwas ungewöhnlich.

Der erste Teil der Schokoladenvilla war wirklich unterhaltsam. Der zweite Teil dagegen wirkt wie ein mühsames Lebendighalten der Reihe. Und von den Goldenen Zwanzigern in Stuttgart - sofern es diese dort gab - erfährt man nichts.

 


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