Das Gutshaus: Alter Glanz, DDR und Wendezeit

Anne Jacobs landete mit der Tuchvilla-Trilogie einen Bestseller. Mit Spannung erwartet wurde deshalb ihre neue Trilogie Das Gutshaus. Auch diese hat es inzwischen wieder auf die Bestsellerlisten geschafft - auch wenn die Trilogie inhaltlich keinesfalls an die Besonderheiten der Tuchvilla anknüpfen kann.

Die Covergestaltung ist zur Verkaufsförderung an Die Tuchvilla angelehnt und verspricht einen historischen Roman - nur diesmal auf einem Gut in Mecklenburg statt in einer Villa in Augsburg. Der Untertitel "Glanzvolle Zeiten" erweckt zudem den Eindruck, die Handlung würde irgendwann vor 1945 spielen.

Stattdessen ist der Roman hauptsächlich in der näheren Vergangenheit (1990) angesiedelt und erzählt immer wieder in kleinen Rückblenden (die aber gefühlt maximal 20% des Buches ausmachen) von der Zeit zwischen 1939 und 1946. Damit haben wir keine lineare Handlung wie bei der Tuchvilla, sondern ein hin und her zwischen Gegenwart und Vergangenheit.

Hauptsächlich spielt Das Gutshaus also direkt nach der Wendezeit. Franziska von Dranitz erhält nach der Enteignung vor über 50 Jahren das Gut ihrer Familie zurück und zieht von Frankfurt in die Nähe von Waren, wo sie aus dem Gut nun ein Hotel mit Restaurant machen möchte. Ihre Enkelin Jenny, die ungewollt schwanger ist und sich vor ihrem ehemaligen Liebhaber aus Berlin flüchten will, folgt ihr und hilft ihrer Oma bei der Renovierung.

Es folgt eine Geschichte, die in vielen Dingen an Romane wie Unterleuten von Juli Zeh erinnert: Dorf, Provinz und ein Ostdeutschland nach der Wende, das noch nicht genau weiß, wohin es geht, treffen aufeinander. Investoren versuchen das schnell Geld im Osten zu machen, Luftschlösser werden gebaut und völlig utopische Projekte finanziert - wie eben ein Hotel mitten im Nirgendwo. Dass es nicht nur Konflikte im Dorf gibt, sondern auch innerhalb der Familie Dranitz, lässt die Geschichte dabei immer unterhaltsam bleiben.

Obwohl eigentlich gar nicht so viel passiert, schafft Anne Jacobs es, in einem angenehmen, leicht lesbaren Plauderton zu erzählen. Die Figuren sind sympathisch und interessant gezeichnet, auch die kleinen Geheimnisse aus der Vergangenheit sind durchaus interessant.

Während der erste Teil sich vor allem darauf konzentriert, das Familiengeheimnisse der Familie Dranitz langsam zu lüften, spielt die Vergangenheit im zweiten und dritten Teil immer weniger eine Rolle und es geht stattdessen immer stärker um Alltagsbanalitäten. Etwas seltsam wirkt auch der Versuch, dem Buch im dritten Teil eine neue historische Dimension zu geben: Als bei der Renovierung des Kellers ein Skelett entdeckt wird, erzählt Anne Jacobs in einem Nebenstrang die Geschichte einer Nonne aus dem Mittelalter. Dies wirkt extrem befremdlich, zumal die Geschichte in keinerlei weiterem Verhältnis zur Gegenwart steht.

Es bleibt die Frage offen, warum nicht beispielsweise den Tagebucheinträge von Jennys Tante aus den 60ern der DDR etwas mehr Platz eingeräumt wird. In welchem Kontext sollte nicht besser DDR-Geschichte erzählt werden als in Zeiten der Nachwende?

In gewisser Weise schafft es Anne Jacobs, den Figuren Leben einzuhauchen und auch ein wenig Lokalkolorit aufzubauen. Zugleich wird dieses aber immer wieder durch eine seltsame Häufung von bestimmten Artikeln vor Rufnamen zunichte gemacht - sowohl in der wörtlichen Rede als auch in der Erzählung:

„Da hat die Gertrud immer drauf geachtet, dass ihre Kinder Manieren hatten, auch wenn sie sie furchtbar verwöhnt hat, vor allem die Mädchen. Im Grabe würde die sich umdrehen, die Gertrud, wenn sie wüsste, was die Elly und die Gabi so anstellen …« »Ach, der Bernd, der bringt das schon in Ordnung«, beschwichtigte Walter und stellte den gefüllten Teller auf den Tisch.“ Auszug aus: Das Gutshaus. Zeit des Aufbruchs von Jacobs, Anne. E-Book-Ausgabe

Diese eigentlich eher im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Redeweise passt so gar nicht nach Mecklenburg, genau wie auch einzelne Schnipsel wie diese:

„Das könnte Jörg sein …« »I wo! Das ist doch ein erwachsener Mann, nicht ihr Sohn...“ Auszug aus: Das Gutshaus. Zeit des Aufbruchs von Jacobs, Anne. E-Book-Ausgabe

Insofern ist Das Gutshaus eine solide Trilogie mit Unterhaltungswert, wenn man nicht so genau hinsieht. Der erste Teil ist am stärksten, die beiden weiteren Teile dehnen die Geschichte einfach nur noch aus. Wer aber den Erzählstil des ersten Teils mag, macht bei den Fortsetzungen wahrscheinlich nichts falsch.

 


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