Reisen in Asien
Das Buch entführt den Leser auf eine faszinierende Reise durch die Länder des alten Orients – von Japan über Persien und Indien bis nach Kambodscha. Mit der scharfen Beobachtungsgabe eines Reporters und der poetischen Sprache eines Romanciers beschreibt Kellermann Landschaften, Menschen und Kulturen, die zwischen Tradition und Aufbruch stehen. Er begegnet Mönchen in Tibet, Geishas in Japan, Händlern in Persien und politischen Rednern im kolonialen Indien. Das Ergebnis ist ein vielstimmiges Panorama Asiens in den 1920er Jahren – eine Hommage an Schönheit, Glauben, Stolz und Wandel, aber auch ein kritischer Blick auf die westliche Überheblichkeit. Ein literarisches Reiseerlebnis von zeitloser Eindringlichkeit.
ERSTER TEIL: Das alte Japan
Eine kleine japanische Stadt
Gasthof in der Provinz
Hanako, die Prinzessin
Shibal. Das Theater
Die Katzen von Odasaki
Miijamoto Samonosuke
Über das Drama
Lyrische Szenen
Uma no ashi, der Pferdefuß
Teehäuser
Tänzerinnen
Die Geisha
Der Tanz des Fischerknaben
Oni-mai, der Teufelstanz
Sarashi no mai, der Tanz des Wäschebleichens
Mats no mai, der Tanz der Fichte
Shaberi Yama-Uba-mai
Grotesker Tanz
Sassa yo yassa
Sayo-nara, Sayo-nara
ZWEITER TEIL: Im Herzen von Iran
Auf dem Wege nach Isfahan
Die heilige Stadt Kum
Eine Katakombenstadt
Isfahan
Von Isfahan zum Persischen Golf
Durch die Wüste von Aberguh nach Jezd
Seide und Henna
Ashkisar, von der Wüste verschlungen
Sandstürme
Kirman
Mit Karawane zum Persischen Golf
Oasen
Ritte in der Nacht
Bender-Abbas
Perlenfischer
DRITTER TEIL: Das Land der roten Lamas
Über den Himalaja
„Om mani padme hum“
Die Märchenstadt Leh
Götter und Menschen
Das Opfer des Weltalls
Klöster
Der Tanz der Dämonen
VIERTER TEIL: Indien
Der Eingang zum Paradies
The Grand Trunk Road
Englische Politik in Indien
Scharlatane und Heilige
Das Herz Indiens
Der indische Bettler
FÜNFTER TEIL: Siam und Kambodscha
Im Reich des weißen Elefanten
Eine Schlangenfarm
Siamesischer Totenkult
Nach dem Norden
Teakholz
Die Einäscherung des Königs von Kambodscha
ZU DIESEM BAND
Wieder sind wir unterwegs.
Nur ungern haben wir der alten freundlichen Stadt Jezd Lebewohl gesagt. Mohammed Aga sitzt wieder auf dem Trittbrett, mit einer Ruhe und einem Gleichmut, als sei er entschlossen, auf seiner Benzinkiste die Reise um die Erde zu machen.
Ein neuer Passagier ist dazugekommen: ein kleiner Hund, Bulbul genannt, die Nachtigall. Wir haben ihn winselnd und elend in der Gasse der Seidenweber aufgefunden und mitgenommen. Er ist noch völlig hilflos und sieht eher aus wie ein weißes Lämmchen.
Der Weg von Jezd nach Kirman führt anfangs durch den fruchtbaren Vegetationsgürtel, der die Stadt umschließt. Bald aber bleiben die grünen Felder und die Gärten mit Maulbeerbäumen zurück. Die Ruine der großen Karawanserei von Mohammadabad wirkt fast wie ein zerfallenes Schloss, so imposant hatte Schah Abbas sie angelegt. Wir fahren über Grus und Sand und lange Strecken durch das Geröll ungeheurer, flacher Flussbette, ein Riesendelta von Steinen und Schwemmsand. Dann durchqueren wir eine Reihe riesiger Hochebenen, die nur durch niedrige Sättel voneinander getrennt sind. Es ist dunstig geworden, und ein eisiger Sturm weht, so dass wir uns in unsere Mäntel wickeln müssen. Vor uns, etwas nach Osten zu, tobt ein Sandsturm. Die Wirbel tanzen über die Wüste. Man sieht sie entstehen, sich emporrecken, drehen – dann setzen sie sich plötzlich in Bewegung. Ein Wirbel fegt auf uns zu und packt uns so heftig, dass der Wagen nicht mehr vorwärts kommt. Im Nu hat der Sturm das Dach des Autos aufgerissen. Mohammed Aga ist in heller Angst, sein Wagen könnte vollständig in Trümmer gehen. In aller Eile schnürt er das zerfetzte Dach notdürftig fest.
Die Gegend ist die ärmste, die ich in Iran passierte. Kaum ein armseliges Dorf, ein paar öde, geschwärzte Gendarmeriestationen. Den ganzen Tag über begegnen wir ein paar Eseln, nichts sonst. Bei der alten Karawanserei Shima liegt hinter den zu einer Mauer aufgeschichteten Lasten, frierend unter den eisigen Windstößen, eine Karawane von etwa sechzig Kamelen. Sie bringt Hennablätter nach den Mühlen von Jezd.
In der Dämmerung erreichen wir, völlig durchfroren, das Dorf Anar. Der Telegrafist der Telegrafenstation, ein Armenier, der gut Englisch spricht, nimmt uns freundlich in seinem Garten auf.
Dieses Dorf Anar, halb oder besser gesagt dreiviertel Ruine, ist ein wahrhaft armseliges Nest. Gegen die Wüste zu liegen die Trümmer eines Räuberdorfes, das man niederbrannte, um die Wegelagerer auszuräuchern. Noch stehen Teile der Türme und der dicken Mauern. Der Gouverneur, der den Räuberhauptmann gefangen nahm, drohte ihm die Zunge ausschneiden zu lassen. Der Räuber kaufte sich von dieser Folter für den Preis von hunderttausend Toman frei, wurde aber trotzdem gehängt.
In den sechs Monaten, die der Telegrafist in Anar verbrachte, passierten im Ganzen drei Europäer das Dorf. Er ist glücklich, etwas plaudern zu können. Seine Frau lag drei volle Monate zwischen Tod und Leben, und er musste ihr Pfleger und Arzt zugleich sein. Er behandelte sie nach den Anweisungen, die ein Arzt in Jezd telegrafisch erteilte. Noch heute steht ihm der Schrecken im Gesicht geschrieben.
Hat man den Trümmerhaufen von Anar gesehen, so ist man erstaunt über die Üppigkeit und Größe der Felder, die zum Dorf gehören. Die Bauern, in langen Reihen aufgestellt, sind eben dabei, zu rigolen. Sie sind nichts anderes als Leibeigene. Ganz Anar gehört zum größten Teil ein paar Reichen und den Mollas. Der Bauer erhält für seine Arbeit jährlich hundert Man Gerste, seinem Herrn erarbeitet er fünfzehnhundert Man. Geht ihm das Korn im Winter aus, so lässt sich der Herr herab, ihm Gerste vorzustrecken, er fordert aber für ein Man bei der nächsten Ernte drei Man zurück!
Unsere Hoffnung, der Sturmwind von gestern würde sich über Nacht gelegt haben, erfüllte sich nicht. Kaum waren wir aus den Feldern Anars heraus, so fegte der Orkan auch schon wieder über die Hochflächen.
Die Tromben wirbelten und tanzten. Östlich von uns wogten Rauchfetzen einer bösen schwefelgelben Färbung bis zu den Wolken empor und verhüllten die Gebirge, ewig wechselnd, rastlos und unbegreiflich. Neue Sandwirbel erhoben sich aus der Wüste. Manche bewegten sich kaum von der Stelle, andere flogen rasch dahin. Jetzt sind sie auch hinter uns! Schwarze Rauchwolken schrauben sich empor und beginnen gespenstisch zu ziehen. Die Wüste sieht aus, als flöhen Abertausende von Schafen in rasender Flucht.
Nun aber sind die Luftwirbel ringsum. Wir müssen hindurch! Im Augenblick sind wir vom sausenden Sand eingehüllt. Nichts ist zu sehen, der Chauffeur tastet sich vorwärts, kaum dass man eine Staude am Boden erkennt.
Ein derartiger Sandsturm in einem Auto, dessen Motor intakt ist, bedeutet nichts als eine Unbequemlichkeit. Das Auto durchfährt die wirbelnde Zone in einer Viertelstunde, in zehn Minuten. Diese Zone aber auf dem Rücken eines Tieres zu durchqueren muss eine geradezu ungeheure Anstrengung sein.
Bernhard Friedrich Wilhelm Kellermann (*4. März 1879 in Fürth; †17. Oktober 1951 in Klein Glienicke bei Potsdam) war ein deutscher Schriftsteller, Journalist und Abgeordneter. Sein bekanntestes Werk ist der Roman Der Tunnel (1913), ein internationaler Bestseller, der millionenfach verkauft, in 25 Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt wurde.
Kellermann studierte zunächst an der Technischen Hochschule München, später Germanistik und Malerei. Schon mit seinen frühen Romanen Yester und Li (1904) und Ingeborg (1906) gelang ihm der Durchbruch. Es folgten Reiseberichte aus den USA und Japan, die seine Beobachtungsgabe und literarische Vielfalt unter Beweis stellten.
Der Erste Weltkrieg prägte ihn tief: Als Kriegsberichterstatter veröffentlichte er Reportagen vom Frontgeschehen. Mit seinem gesellschaftskritischen Roman Der 9. November (1920), der den Umbruch am Ende des Krieges thematisiert, zog er sich den Hass der Nationalsozialisten zu – das Buch wurde 1933 verboten und verbrannt, Kellermann aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen.
Nach 1945 engagierte er sich in der jungen DDR stark für kulturelle und politische Fragen. Gemeinsam mit Johannes R. Becher gründete er den Kulturbund, wurde Abgeordneter der Volkskammer und Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Für seinen Roman Totentanz erhielt er 1949 den Nationalpreis der DDR. In Westdeutschland hingegen geriet sein Name durch Boykottaktionen weitgehend in Vergessenheit.
Kellermann war zweimal verheiratet: 1915 mit der US-Amerikanerin Mabel Giberson (†1926) und ab 1939 mit Else „Ellen“ Michaelis, die nach seinem Tod seine Werke herausgab.
Bernhard Kellermann hinterließ ein vielseitiges Werk aus Romanen, Erzählungen, Reisebüchern und Reportagen. Er ruht auf dem Neuen Friedhof in Potsdam.
Versandkostenfreie Lieferung! (eBook-Download)
Als Sofort-Download verfügbar
- Artikel-Nr.: SW9783689126094458270.1
- Artikelnummer SW9783689126094458270.1
-
Autor
Bernhard Kellermann
- Verlag EDITION digital
- Veröffentlichung 12.11.2025
- Barrierefreiheit
- Barrierefrei nach: EPUB Accessibility Spec 1.1
- Aussehen von Textinhalten kann angepasst werden
- Enthält ausführliche Alternativtexte
- Navigation über Inhaltsverzeichnis
- Für TTS-Nutzung optimiert
- Kommentar vom Verlag: Dieses E-Book ist barrierefrei nach EPUB Accessibility 1.1. Es enthält strukturierte Navigation, maschinenlesbare Spracheinstellungen, Alternativtexte für alle Bilder und keine bekannten Zugangshindernisse. Geeignet für Screenreader und barrierefreie Lesesysteme.
- ISBN 9783689126094
- Verlag EDITION digital