„Saat“ in der Ukraine
Der schneebedeckte Winterhimmel über der ukrainischen Steppe birgt nicht nur die eisige Stille der Landschaft, sondern auch die unaussprechliche Tragödie des Krieges. „Saat in der Ukraine“ nimmt den Leser mit auf eine erschütternde Reise durch die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs. Vor dem Hintergrund der endlosen Weiten des Schnees und der erfrorenen toten deutschen Soldaten schildert der Text mit schonungsloser Genauigkeit die brutalen Konsequenzen eines Krieges, der das Versprechen von Lebensraum ins Gegenteil verkehrt. Die Überreste Hitlers Armee sind zu einer düsteren Saat geworden, die das ukrainische Land in unzählige Leichenfelder verwandelt. Doch der Frühling wird kommen, und mit ihm eine bittere Wahrheit. Dieses Werk bietet eine eindringliche Reflexion über das Schicksal der Soldaten, das Ausmaß der Zerstörung und die moralische Anklage gegen den nationalsozialistischen Wahn. Ein Mahnmal gegen das Vergessen und eine literarische Anklage gegen die Lügen des Krieges.
Mitte März musste ich von der Front zu einem weit rückwärts gelegenen Flugplatz fahren, um von dort nach Moskau zu fliegen. In der Ukraine hatte der Frühling bereits begonnen. Der Schnee lag nur noch dünn, überall schaute bereits die fette, schwarze Erde hervor, über das Land brausten wilde Bäche, die vielfach die Wege überschwemmten. Ein feiner, hellgrüner Hauch lag über den Gebüschen an den Dorfrändern, in lichtem Blau strahlte der warme Himmel. Zugvögel strichen über das Land. Überall regte sich das Leben. Auch die im Winter so einsame, tote Erde begann sich zu beleben.
Da ragte der Arm eines toten Soldaten hervor mit dem Winkel eines Gefreiten der Hitlerarmee, dort Füße mit deutschen Schnürschuhen, als habe der Soldat einen Kopfsprung in die Erde gemacht, reihenweise trieben deutsche Soldaten mit dem Rücken nach oben in den zu Bächen angeschwollenen Grabenrinnen längs unseres Weges, gruppenweise staken deutsche Kanoniere in zerschossenen Geschützstellungen und versanken mitsamt den Kanonen und Kartuschhaufen langsam in dem völlig aufgeweichten Boden. Schrecklich war der Anblick, wo auf den grünenden Feldern riesige Raben- und Krähenschwärme flatterten und sich stritten. Sie brauchten in diesem Frühling nicht nach kleinen Feldmäusen zu jagen. Die Beute war reicher. Die Felder waren an vielen Stellen buchstäblich besät mit Leichen deutscher Soldaten in den weißen Tarnjacken mit schwarzen Schnürschuhen der Hitlerarmee. Schon konnte man beobachten, wie die Uniformen ganz flach am Boden hafteten, als sei kein Fleisch mehr darunter; schon sah man zu Hunderten die nackten Schädel ohne Augen und Wangen … eine ganze Saat von Totenschädeln ehemaliger deutscher Soldaten lag ausgesät, über der riesigen ukrainischen Ebene. Die russische Erde nahm mühelos und wortlos diese Saat, die Hitler gesät hat, in sich auf.
Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.
Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.
Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.
Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.
Staatliche Auszeichnungen
1943: Orden Roter Stern
1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock
1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.
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- Artikel-Nr.: SW9783689122690458270.1
- Artikelnummer SW9783689122690458270.1
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Autor
Friedrich Wolf
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 13
- Veröffentlichung 24.09.2024
- ISBN 9783689122690
- Barrierefreiheit Aktuell liegen noch keine Informationen vor
- Wasserzeichen ja