Der jüngste Bauer

Ein Junge, ein Gaul – und ein unerschütterlicher Wille. Im Chaos der letzten Kriegstage flieht der fünfzehnjährige Erich Riednagel mit seiner Familie aus Westpreußen. Der Vater gefallen, die Mutter verzweifelt, die Heimat verloren – und doch wächst der schmächtige Junge inmitten der Not über sich hinaus. Mit einem Pferdewagen, einem treuen Hund und einer Ziehharmonika wird Erich zum Versorger, Beschützer und Hoffnungsträger. Der jüngste Bauer ist die ergreifende Geschichte eines Heranwachsenden, der inmitten von Flucht, Hunger und Neuorientierung Verantwortung übernimmt – mit Mut, Einfallsreichtum und leiser... alles anzeigen expand_more

Ein Junge, ein Gaul – und ein unerschütterlicher Wille.

Im Chaos der letzten Kriegstage flieht der fünfzehnjährige Erich Riednagel mit seiner Familie aus Westpreußen. Der Vater gefallen, die Mutter verzweifelt, die Heimat verloren – und doch wächst der schmächtige Junge inmitten der Not über sich hinaus. Mit einem Pferdewagen, einem treuen Hund und einer Ziehharmonika wird Erich zum Versorger, Beschützer und Hoffnungsträger.

Der jüngste Bauer ist die ergreifende Geschichte eines Heranwachsenden, der inmitten von Flucht, Hunger und Neuorientierung Verantwortung übernimmt – mit Mut, Einfallsreichtum und leiser Entschlossenheit. Adam Scharrer zeichnet ein berührendes Porträt vom Erwachsenwerden in einer zerrissenen Welt – und davon, wie Hoffnung, Solidarität und Selbstbehauptung eine neue Heimat begründen können.



Erich war lang aufgeschossen, den Sachen nach zu urteilen, so groß wie der Vater, nur dem Umfang nach fehlte es noch. „Doch das macht nichts“, sagte er, „da wachse ich schon hinein.“ Dann ging er in den Hof, gab dem Gaul etwas Hafer nach dem Heu, dann Wasser, machte ihm ein Bett aus dem Laub, das er unter den Bäumen des ehemaligen Gutsparkes zusammenrechte. Von der Hauswand zum Wagen spannte er den großen Plan zum Schutz vor Regen und wies dort auch dem Kürass seinen Platz. Dann setzte er sich zu seinem Gaul und seinem Hund. Durch die aufkommende Dämmerung blinzelten bereits die ersten Sterne. Die Schwestern standen an der Flüchtlingsküche nach Suppe und Brot an, und die Mutter sprach in der Stube mit der Wirtin, einer Tagelöhnerin. Sie war ohne Nachricht von ihrem Mann, und sie selbst und ihr volljähriger Junge gruben bei einem Bauern Kartoffeln aus. „Jede Hand wird gebraucht!“, sagte die Wirtin. „Auf jede Kartoffel kommt es an, denn nach diesem Krieg, das wird ein harter Winter werden.“ Und dann hörte Erich noch, dass das Gutsland im Dorf aufgeteilt werden sollte.

Es war ein noch leidlich warmer Herbstabend, und das Gefühl, nun unter Dach und Fach zu sein, am Morgen nicht wieder fortzumüssen, wirkte sich beruhigend aus auf das noch jugendliche Gemüt Erichs. Schier wie ein Wunder war es, dass sie hier durchgekommen waren und wie sie es nun doch noch getroffen hatten. Der Hof lag gut von der Straße versteckt, durch Tor und Zaun von der Straße gesichert, und war von der Stube her leicht zu übersehen. Wagen und Pferd waren somit vorerst in Sicherheit, aber die Bekanntschaft mit diesem Dorf und diesem Hof forderten nun doch zu Vergleichen heraus mit der verlassenen Heimat. Doch die kam ja nicht mehr in Frage, es war nur ein Abschiednehmen, eine Rast nach einem weiten, abenteuerlichen Marsch vor dem Sprung in das nun Kommende, aber in diesem Abschiednehmen sah Erich nach langer Zeit nun wieder seinen Vater vor sich, und er erinnerte sich deutlich seiner Worte beim letzten Abschiednehmen. „Ich verlasse mich auf dich, Erich“, hatte er gesagt, als er wieder in den Krieg fortmusste. „Du bist jetzt der einzige Halt für die Mutter und die Mädel, aber ich glaub daran, dass du deinen Mann stehen wirst.“ Erich sah das zerquälte Gesicht seines Vaters vor sich, sein verkrampftes Lächeln, spürte den liebkosenden Schlag auf seiner Schulter, und nun erst wurde er sich der Verantwortung bewusst, die auf ihm lastete. Jetzt sollte ein neues Leben beginnen, und dieses Dorf sollte eine neue Heimat werden, und nun kam es also darauf an, zu beweisen, ob man eine Sache gut zu Ende zu führen verstand, wie man es dem Vater in die Hand versprochen hatte. Erich holte seine Ziehharmonika aus der Truhe, setzte sich wieder neben seinen Hund und seinen Gaul und begann zu spielen. „Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum.“ So nahm er auf seine Art Abschied von seinem Heimatdorf, und so begrüßte er auf seine Art seine neue Heimat, und bald versammelten sich Jungen und Mädel und auch einige Alte um den jungen Musikanten und schlossen mit ihm Bekanntschaft und drückten ihm zum Gute-Nacht-Gruß die Hand, und aus der Bekanntschaft mit seinen Zuhörern ergab sich für Erich: Jetzt gilt es also, sofort mit dem Bürgermeister zu reden, wie man den Gaul zur Arbeit ausnützen kann, zum ersten wegen der Arbeit selbst, zum zweiten musste der Gaul nun sein Futter selbst verdienen und seinen Platz in einem Stall haben. Und natürlich wollte Erich auch selbst arbeiten, womöglich mit dem eigenen Gaul, wenn auch nicht auf eigenem Land. Diesen Plan trug er ohne Scheu und mit sachlichem Ernst dem Bürgermeister vor, und was diesem in erster Linie auffiel, war dies, dass dieser Sechzehnjährige wie ein Familienvater mit ihm sprach. „Und deinen Gaul möchtest du also behalten?“, fragte der Bürgermeister. „Das möchte ich!“ antwortete Erich. „Falls wir mal eigenes Land bekommen, wäre es doch gut, wenn ich selbst ackern könnte.“



Adam Scharrer wurde am 13. Juli 1889 in Kleinschwarzenlohe (heute Gemeinde Wendelstein, Mittelfranken) geboren. Bereits in frühen Jahren prägte ihn das harte Leben der Arbeiterklasse. Nach einer Schlosserlehre führte ihn seine Arbeitssuche durch zahlreiche deutsche Städte sowie nach Österreich, die Schweiz und Italien. Während des Ersten Weltkriegs wurde er als Artillerist an die Ostfront eingezogen. Seine Erfahrungen als Soldat und seine Enttäuschung über die sozialdemokratische Zustimmung zu den Kriegskrediten radikalisierten seine politische Haltung. Er trat dem Spartakusbund bei und engagierte sich später in der linksradikalen KAPD (Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands).

Scharrer begann in den 1920er-Jahren mit dem Schreiben. Seine erste Erzählung „Weintrauben“ (1925) wurde anonym veröffentlicht und brachte ihm eine Anklage wegen „literarischen Hochverrats“ ein. Seine Werke sind stark autobiografisch geprägt und erzählen aus der Perspektive der unteren Gesellschaftsschichten. 1930 erschien sein wohl bekanntestes Werk „Vaterlandslose Gesellen“, eine proletarische Antwort auf Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Der Roman ist eine schonungslose Abrechnung mit dem wilhelminischen Militarismus und dem Ersten Weltkrieg.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 musste Scharrer untertauchen und floh zunächst in die Tschechoslowakei, dann in die Sowjetunion. Dort lebte er in einer Autorenkolonie und schrieb weiter über die Nöte der Arbeiter und Bauern. Während seines Exils entstanden unter anderem „Maulwürfe“ (1934), „Pennbrüder, Rebellen, Marodeure“ (1937) und „Der Krummhofbauer und andere Dorfgeschichten“ (1939).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Scharrer 1945 nach Deutschland zurück und ließ sich in Schwerin nieder. Er arbeitete als Redakteur der „Schweriner Landeszeitung“ und wurde Leiter der Literatursektion im Kulturbund. Trotz seiner politischen Nähe zur Arbeiterbewegung trat er keiner Partei bei.

Adam Scharrer starb am 2. März 1948 in Schwerin an den Folgen eines Herzanfalls, der durch eine hitzige Debatte über den Umgang mit der NS-Vergangenheit ausgelöst wurde. Er hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das in der DDR große Verbreitung fand und als wichtiger Beitrag zur proletarischen Literatur gilt.

Seine Bücher, darunter „Vaterlandslose Gesellen“, „Der große Betrug“ und „In jungen Jahren“, geben bis heute Einblicke in das Leben und die Kämpfe der Arbeiterklasse und bleiben ein wichtiges Zeugnis der deutschen Literaturgeschichte.

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